Le Mans Wie Rennfahrer und ihr Team mit Stress umgehen

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Arzt, Physiotherapeutin, Mechaniker

Vincenzo Tota, Arzt des Audi-Teams

Vincenzo Tota

Die Herzfrequenz beträgt 76 Schläge pro Sekunde, der Blutdruck bewegt sich nach aktueller Messung zwischen 133 und 90mm.

Es sind bis zum Zieleinlauf noch gut zwei Stunden, allen Beteiligten ist der Stress der zurückliegenden Nacht ins Gesicht geschrieben, auch dem Arzt des Audi-Teams. Von den Fahrern ganz zu schweigen. Andre Lotterers Messwerte allerdings, der bis vor kurzem noch den Audi-Rennwagen mit der Startnummer 7 bewegt hat, sind schon wieder auf Normalwerte gesunken: 102 zu 79mm bei 76 Herzschlägen pro Sekunde. Das entspricht ungefähr der Taktzahl eines Dieselmotors - der untere Messwert gibt den Stresswert wieder.
"Wie stark sich der Stress eines Rennstarts auf einen Fahrer auswirkt, hängt stark von seiner Erfahrung ab", sagt der Mediziner: "Wer zum ersten Mal den Start bei einem großen Rennen fährt, kommt auf einen Puls von über 180 Schlägen. Bei einem erfahrenen Piloten sind es nur 145, obwohl sie dasselbe machen."

Während der Testfahrten hat Tota mit den Fahrern Reaktionstests gemacht, um Ihre Aufmerksamkeit zu prüfen. "Ich war davon ausgegangen, dass sie nach zwei Stunden Fahrt im Renntempo etwas abnimmt, aber die Reaktion war sogar besser als vor dem Stint.

Bei den Fahrern darf man eines nicht vergessen: Das Rennfahren macht ihnen Spaß und sie sind darauf trainiert. Sie nehmen den Stress deshalb ganz anders wahr. Ein Zweikampf auf der Strecke ist für sie eher ein Spiel, das stimuliert. Die Gefahr eines Unfalls tritt dabei in den Hintergrund."

Das Rennen in Le Mans ist für die Mechaniker das Highlight des Jahres. Dafür haben sie über Monate geschuftet und unzählige Überstunden gemacht. Das Rennen ist also eine Belohnung, was sie den Stress viel besser aushalten lässt. Danach fällt aber eine unglaubliche Belastung von ihnen ab."

Nina Tilgner, Physiotherapeutin

Nina Tilgner

Die Herzfrequenz beträgt 81 Schläge in der Minute, der Blutdruck bewegt sich nach aktueller Messung zwischen 132 und 92 Millimeter.

Die 26-Jährige sorgt dafür, dass die Rennfahrer nach einem mehrstündigen Einsatz am Steuer auf der Massagebank wieder ein wenig entspannen, zur Ruhe kommen. "Meine Arbeit ist anstrengend, aber nicht stressig - Stress haben die anderen." Mit ruhigen Worten und den richtigen Griffen sorgt sie dafür, dass der Atem bei ihren Schützlingen wieder flacher geht: "Nicht wenige schlafen darüber ein."

Samuel Hartmann, Mechaniker im Audi-Team

Samuel Hartmann

Die Herzfrequenz beträgt 85 Schläge pro Sekunde, der Blutdruck bewegt sich zwischen 117 und 95 mm.
Das Gesicht ist schmerzverzerrt, die rechte Hand verbunden. Der junge Hesse presst ein Kühlpaket auf die Wunde. Während eines Boxenstopps hatte er noch die Hand auf dem Vorderrad des Rennwagens, als der hydraulische Wagenheber das Fahrzeug schon wieder absenkte. Die Folge sind Schürfwunden - und wahrscheinlich ein gebrochener kleiner Finger.

Hartmann hat die ganze Nacht über keinen Schlaf gefunden - da leidet schon einmal die Konzentration. Nach 20 Stunden bei voller Drehzahl. Ein Moment der Unaufmerksamkeit und schon hockt er auf der Krankenstation. Die Wunde wird hier gut versorgt. Aber das Rennen ist für ihn jetzt gelaufen. "Mist".

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