Le Mans Wie Rennfahrer und ihr Team mit Stress umgehen

Seite 2/4

Teamorganisatorin, Chefmechaniker, Rennfahrer

Ina Fabry, Teamorganisatorin des GT-Pro-Teams von Porsche Motorsport

Ina Fabry


Die Herzfrequenz beträgt 87 Schläge pro Sekunde, der Blutdruck bewegt sich nach aktueller Messung zwischen 100 und 67 Millimeter. Die 33-Jährige ist die Ruhe selbst, bewahrt kühles Blut. Noch. Bis zum Start des Rennens ist es noch eine Viertelstunde hin. Stress ist ihr nicht anzumerken, dabei ist sie bereits seit Stunden auf den Beinen, um zu organisieren, zu kontrollieren und zu delegieren.

Die junge Frau, frühere Rennfahrerin und studierte Sportmanagerin, ist der gute Geist des Teams. Bei ihr läuft alles zusammen, sie ist gewissermaßen die Schnittstelle zwischen Mensch und Technik. Sie sorgt dafür, dass zu Rennbeginn alles vorhanden ist, was für den Sieg benötigt wird - dass die Fahrer ebenso pünktlich zur Stelle sind wie die Mechaniker. Seit 2012 hat sie den Job bei Porsche - und gelernt, mit dem Druck umzugehen. "Eine gute Vorbereitung ist das A und O". Bislang läuft alles planmäßig, also kein Grund zur Aufregung.

Tobias Stahl, Chefmechaniker des Teams für die Startnummer 92

Tobias Stahl

Die Herzfrequenz beträgt 64 Schläge pro Minute, der Blutdruck bewegt sich nach aktueller Messung zwischen 123 und 94 Millimeter. Alles im grünen Bereich. Seit 10 Jahren ist der 27-Jährige im Motorsport tätig, seit zwei Jahren Leiter eines 50-köpfigen Teams, das sich um Wohl und Wehe eines Rennwagens vom Porsche 911 RSR kümmert. Die Organisation der Reifenwechsel, von Reparaturen und der Betankung des Fahrzeugs liegen in seinen Händen. Da kommt es auf jede Sekunde an.

Die Fahrer und die Renningenieure verlassen sich darauf, dass jeder Handgriff sitzt - und Stahl seine Truppe im Griff hat. "Meine Aufgabe ist es, einen fehlerfreien Job hinzulegen", umreißt er seine Aufgabe. Er weiß um seine große Verantwortung, macht aber nicht viel Aufhebens darum: "Alle zwei Stunden gibt es einen Boxenstopp - und dann warten wir zwei Stunden auf den nächsten." Stress? Ja, "aber wir haben ja ausreichend Zeit zum Erholen." In der Box, in voller Monteur, auf einem Klappstuhl.

Timo Bernhard, Rennfahrer

Timo Bernhard

Die Herzfrequenz beträgt 87 Schläge pro Minute, der Blutdruck bewegt sich nach aktueller Messung zwischen 229 und 129 Millimeter.

"Das kann nicht sein", entfährt es dem Rennfahrer, als er die Messwerte sieht. Das Gerät müsse falsch gemessen haben. Eine neue Messung ist nicht möglich, denn Timo ist "voll im Stress" - er steht Stand-by. In der nächsten Runde kommt sein Auto in die Box, dann soll er wieder hinter das Lenkrad. Die letzten 100 Minuten sind angebrochen, bis zum Ziel soll der 35-Jährige das zweite Auto des Vorjahressiegers ins Ziel bringen.

Aktuell liegt das Fahrzeug an Position 15, der Gesamtsieg ist nicht mehr zu schaffen. Egal - jetzt geht es um die Ehre des Teams. Bernhard ist seit Ende 2015 Langstrecken-Weltmeister, mit Audi siegte er schon einmal, 2010, in Le Mans. Der dienstälteste Porsche-Werksfahrer liebt das Rennen: "Das hier ist Emotion pur." Was macht die Besonderheit der Rennstrecke aus? "Die Geschwindigkeit des Autos ist höher, es gibt wesentlich mehr unvernünftige Kurven als anderswo auf der Welt. Das Wetter kann Kapriolen schlagen und obendrein sind auf der Piste höchst unterschiedlich schnelle Autos unterwegs - das sorgt für extrem hohen Stress."

Etwa drei Stunden sitzt er unter den Bedingungen am Steuer, fährt dabei immer am Limit. Vor seinen Augen hat er die anspruchsvolle Piste und andere Teilnehmer, die seine Ideallinie kreuzen oder Überholmanöver zu verhindern suchen, im Ohr und über Funk die Einflüsterungen seiner Renningenieure. Über 21 Knöpfe am Lenkrad bedient er nicht nur die Lichthupe, sondern regelt auch Traktionskontrolle und Bremsbalance.

Über einen roten Knopf oben rechts kann er obendrein elektrische Zusatzenergie abrufen, die bei Überholmanövern oder auf der Geraden für einen Extra-Schub sorgt: Sein Porsche 919 hat einen Hybridantrieb, bei dem rund 400 PS starke Elektromotoren an der Vorderachse den über 500 PS starken Vierzylinder-Benziner unterstützen, der die Hinterachse antreibt.

Die Technik ist hochkomplex und fordert den Fahrer mit all seinen Sinnen. Körperliche Fitness erlaubt es, über Stunden hinweg die Konzentration hochzuhalten: "Während des Rennens habe ich einen Tunnelblick." Ruhe findet er auch in den Pausen kaum - "eine Stunde Power-Nap muss reichen." Vielleicht hat das Messgerät doch die richtigen Werte ausgespuckt? Wir werden es nicht erfahren: Er hat bereits wieder die Rennmontur übergezogen und den Helm aufgesetzt.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%