Einkäufer Thomas Freund kocht. Schon wieder muss er gegenüber einem Zulieferer Fehler seines Mitarbeiters ausbügeln. Der ist nicht erreichbar im Urlaub und hat nicht wie abgemacht seine Arbeit sauber übergeben. Stattdessen muss sich der Abteilungsleiter jetzt die Informationen mühsam zusammensuchen und steht gegenüber dem Zulieferer wie ein Dussel da.
Solche Szenen kommen in Unternehmen immer wieder vor. Meistens sind Chefs selbst schuld, wenn ihre Mannschaft ohne Eigenantrieb arbeitet. Der Grund: Viele Vorgesetzte scheuen sich, ihren Mitarbeitern Verantwortung zu übertragen. Doch ein guter Chef versteht sich als Coach, der Regeln festlegt und jedem Einzelnen Feedback und Anerkennung gibt.
A-Mitarbeiter treiben die Firma voran
Die Statistik belegt diese Entwicklung: Nur 15 Prozent der Beschäftigten in Deutschland identifizieren sich mit ihrem Job. 70 Prozent machen Dienst nach Vorschrift und 15 Prozent haben innerlich gekündigt – so das Ergebnis der aktuellen Gallup-Studie.
Das sind A-, B- und C-Mitarbeiter. Während sich der A-Typ als Mit-Unternehmer in der Firma versteht und sie damit nach vorne treibt, arbeiten B-Angestellte nach Vorschrift - erledigen ihren Job, übernehmen aber keine Verantwortung. C-Kandidaten sind gar glatte Fehlgriffe. Selbst wenn sie kostenlos arbeiten würden, wären sie zu teuer. Denn andere müssen seine Arbeit erledigen.
Auf die Dauer machen das exzellente Mitarbeiter nicht mit – sie verlassen den miserablen Chef und suchen sich eine passendere Arbeitssituation.
Zum Autor
Jörg Knoblauch ist Autor und berät mit Tempus-Consulting vor allem mittelständische Unternehmen in Personalfragen.
Die Folge: Diese Vorgesetzten verlieren ihre besten Mitarbeiter, weil sie nicht konsequent transparent machen, was ohnehin jeder in der Abteilung weiß. Denn Mitarbeiter können sehr gut einschätzen, was ihre Kollegen leisten. Ziel eines Unternehmens muss die Verteilung 80–20–0 sein, sonst können sie in der komplexer und schneller werdenden Arbeitswelt nicht bestehen.
Vergeben Sie Noten
Einem Thomas Freund kann man deshalb nur raten, mit dem Mitarbeiter nach seinem Urlaub ein strukturiertes Gespräch zu führen, ihn zur Brust zu nehmen und ihm ein klares Feedback über seine Leistung zu geben. Das Verfahren ist einfach: Vorgesetzter und Mitarbeiter vergeben zu unterschiedlichen Bereichen wie Fachkönnen, Weiterbildung, Einsatzbereitschaft oder Zusammenarbeit Noten von 1 bis 5. Die sind Grundlage für eine Leistungsbeurteilung. Wichtig ist, dass der Vorgesetzte klar und emotionsfrei in das Gespräch geht. Und: Ideal ist, wenn er lediglich 20 Prozent der Zeit spricht und 80 Prozent zuhört. Defizite müssen benannt werden, aber auch Lösungen für Probleme gefunden, Meilensteine zur Veränderung festgelegt werden. Der Mitarbeiter verdient seine Chance.
Vorgesetzte müssen Transparenz schaffen
Doch auch der Vorgesetzte muss sich hinterfragen. Denn wo er durchregiert, kann sich keine Initiative bilden. Chefs müssen heute offen kommunizieren, Mitarbeiter an Entscheidungen beteiligen, loben, Leistungen anerkennen und vertrauen. Das sind ihre Kernaufgaben. Die Thomas Freunds in den Unternehmen sollten lernen, Verantwortung in sieben Schritten abzugeben. Zunächst wird die Belegschaft zu Mitwissern.
Denn ganzheitlich denken kann sie nur, wenn sie weiß, welche Ziele die Firma verfolgt, wie die wirtschaftliche Situation ist und welche Kunden angesprochen werden. Wissenswert sind Fakten wie Auftragseingang und –bestand und Reklamationsquote. Das schafft Transparenz und Vertrauen. Die Grundlage für das Delegieren.
Im zweiten Schritt ist Mitdenken gefragt, denn erst aufgrund der Informationen kann jedem klar werden, was er zum Unternehmenserfolg beiträgt. Für den eigenen Arbeitsplatz und die Schnittstellen zu den Kollegen können gezielt Verbesserungsvorschläge gemacht werden, so dass sich langsam ein kontinuierlicher Verbesserungsprozess entwickelt.
Fehler als Ausgangspunkt für Verbesserungen
Damit sind wir schon beim dritten Schritt – dem Mitlernen – denn die Rolle des Vorgesetzten ist nicht der Controlletti, der für Fehler bestraft und eine geduckte Atmosphäre der Fehlervermeidung kreiert. Vielmehr sind Fehler und holprige Abläufe willkommene Ausgangspunkte für Veränderungen. Der Betrieb ist zu einer lernenden Organisation geworden. Dazu gehört auch gezielte und regelmäßige Weiterbildung.
Im vierten Schritt werden die Mitarbeiter mitverantwortlich. Gemeinsam wird beim Mitarbeitergespräch vereinbart, was jeder Angestellte zum Erreichen der Ziele beitragen kann und wofür er verantwortlich ist.
Mitarbeitergespräche: Zehn Tipps für Arbeitgeber
Fordern Sie den Angestellten nicht spontan zum Gespräch, sondern kündigen Sie den Termin am besten mehrere Wochen vorher per E-Mail an. Um die Vorbereitung zu erleichtern, können Sie im Voraus einen Gesprächsleitfaden verschicken.
Faustregel: Nehmen Sie sich mindestens eine Stunde Zeit, eher mehr. Dann haben Sie genug Zeit für ungeplante Aspekte. Sorgen Sie außerdem für eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Das Telefon schalten Sie aus, die Bürotür schließen Sie.
Was hat der Mitarbeiter im vergangenen Jahr erreicht? Wo hätte er noch besser abschneiden können? Solche Fragen sollten Sie sich vorab beantworten und notieren. So haben Sie für das Gespräch eine Struktur.
Setzen Sie sich nicht gegenüber, denn dann neigt man eher zur Konfrontation. Besser und entspannter: Am Tisch im 90-Grad-Winkel zu einander.
Zunächst geht es um eine Bilanz. Wie gut hat der Mitarbeiter seine Ziele der vergangenen zwölf Monate erfüllt? Vergessen Sie nicht, ihn dafür zu loben. Äußern Sie aber auch deutlich, womit Sie nicht zufrieden waren – ohne den Mitarbeiter bloßzustellen. Bleiben Sie deshalb unbedingt sachlich.
Sie müssen dem Mitarbeiter einerseits verdeutlichen, wohin sich das Unternehmen im kommenden Jahr entwickeln soll – und andererseits, was er selbst dazu beitragen kann. Wie lassen sich seine Stärken ausbauen, und zwar so, dass der Betrieb davon profitiert?
Was soll der Mitarbeiter leisten – und vor allem: bis wann? Konkrete, individuelle, messbare Ziele geben Orientierung und können die Motivation steigern.
Sie sollen keinen Monolog halten, der Mitarbeiter soll sich auch selbst äußern. Bitten Sie ihn deshalb um ein Urteil. Wie empfindet er die Zusammenarbeit mit Ihnen und seinen Kollegen?
Halten Sie den Inhalt des Gesprächs hinterher schriftlich fest. Das hilft sowohl Ihnen persönlich als auch dem Mitarbeiter. Fragen Sie dafür in der Personalabteilung nach einheitlichen Formularen.
Warten Sie nicht bis zum nächsten Gespräch ab. Je regelmäßiger Sie sich nach den Fortschritten erkundigen, desto eher erreicht der Mitarbeiter die Ziele. Und er realisiert: Das Jahresgespräch war keine Alibiveranstaltung.
Die logische Konsequenz sind das Mitgenießen und Mitbesitzen als fünfter und sechster Schritt. Denn wenn der Mitarbeiter derjenige ist, der den Erfolg schafft, dann soll er auch am Unternehmen beteiligt werden, mit dem er sich so sehr identifiziert. Eine Bonuszahlung wird dann nicht als Motivation zu mehr Leistung verstanden, sondern als Anerkennung für eine bereits geleistete Leistung. So entsteht im siebten Schritt der selbständig und verantwortlich handelnde, werteorientierte Mitarbeiter, der unternehmerische Qualitäten besitzt.
Trotzdem: Nicht alle werden sich mit dem neuen Führungsstil anfreunden. „Wer seine Arbeit gut macht und kooperiert, ist bei uns richtig“, sagt Thomas Freund.
Wer aber diese Werte mit Füßen tritt, als C-Mitarbeiter seine Chance nicht ergreift, muss das Unternehmen verlassen: „My Way or Highway”.