
Ab dem sechsten Juli ist es soweit: Im Mai gab der Bundesrat sein Okay, nun tritt das Entgeltgleichheitsgesetz offiziell in Kraft. Ab jetzt müssen Unternehmen mit mehr als 200 Angestellten ihren Mitarbeitern auf Anfrage mitteilen, nach welchen Kriterien sie wen bezahlen. Private Arbeitgeber mit mehr als 500 Beschäftigten sollen regelmäßig überprüfen, ob sie fair bezahlen und entsprechend darüber berichten. Diese Berichte sind für alle einsehbar.
Das Ziel dahinter: transparent machen, wer wie viel verdient - und so Lohndiskriminierung verhindern. In der Vergangenheit haben die Betriebe den Gesetzesentwurf jedoch wenig ernstgenommen, wie eine Studie der Unternehmensberatung EY (Ernst & Young) zeigte:
Demnach hat die Mehrheit der befragten 206 Personalverantwortliche aus den Branchen Maschinenbau, Automobilbau, Finanzwesen und Chemie beziehungsweise Pharma keinen Überblick, ob Frauen und Männer in ihrem Betrieb für den gleichen Job gleich bezahlt werden. Anfang Juni hatten sich nur 35 Prozent der Befragten einen Überblick über die Gehaltsstrukturen in ihrem Unternehmen verschafft.
Zwar sagen 70 Prozent der Befragten, dass das mit der individuellen Auskunft schon irgendwie funktionieren werde. Dieses Ergebnis sei jedoch mit Vorsicht zu genießen, sagt EY-Partner und Vergütungsexperte Karl Wirth. So zeige sich bei der Zusammenarbeit mit Firmen, dass kaum ein Unternehmen in der Lage sei, den per Gesetz geforderten Vergleich auf Knopfdruck zu erstellen.
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Berufserfahrung, Leistung und Personalverantwortung berücksichtigen die Wenigsten
Hinzu komme, dass die Mehrheit nur das Beschäftigungsverhältnis (Vollzeit/Teilzeit), das Geschlecht, die ausgeübte Tätigkeit und sämtliche Entgeltbestandteile wie Weihnachtsgeld oder Boni zuordneten. Auch bei Informationen zur Arbeitsmarktsituation für bestimmte Positionen müssen die meisten Unternehmen passen.
Die ungleiche Bezahlung von Frauen und Männern
Die Berechnung stützt sich allein auf den durchschnittlichen Stundenlohn. Aus den 21 Prozent lässt sich also nicht ableiten, dass alle Frauen in Deutschland 21 Prozent weniger als Männer verdienen. Die Qualifikation der Beschäftigten und ob sie Voll- oder Teilzeit arbeiten, wird nicht berücksichtigt. Daran stören sich Kritiker. Der Arbeitgeberverband Gesamtmetall wendet zum Beispiel ein, die Berechnung sei „kein Indikator für mögliche Diskriminierung, denn er vergleicht eben gerade nicht vergleichbare Tätigkeiten miteinander“.
Die Statistiker führen rund zwei Drittel der Differenz darauf zurück, dass Frauen in eher schlechter bezahlten Berufen tätig sind - zum Beispiel als Reinigungskraft (Frauenanteil 85 Prozent) oder Verkäuferin (73 Prozent). Deutlich mehr Frauen als Männer arbeiten in Teilzeit, deutlich weniger in höheren Führungsebenen.
Das letzte Drittel der Lohnlücke zwischen den Geschlechtern lässt sich daraus aber nicht erklären: Dem Statistischen Bundesamt zufolge verdienen Frauen auch bei ähnlicher Tätigkeit und Qualifikation im Schnitt sieben Prozent weniger pro Stunde als ihre männlichen Kollegen. Das wird unter anderem damit erklärt, dass Frauen häufiger eine Auszeit vom Beruf nehmen - um sich um Kinder zu kümmern oder Angehörige zu pflegen. Und sie treten bei Gehaltsverhandlungen anders auf.
Denkbar schlecht. EU-weit betrug der Rückstand 2013 lediglich 16 Prozent. In Slowenien zum Beispiel verdienten Frauen im Schnitt 3,2 Prozent weniger als Männer, in Italien 7,3 Prozent. Nur in Estland (30 Prozent), Österreich (23 Prozent) und Tschechien (22 Prozent) war die Lücke noch größer als hierzulande.
Davon gehen Experten zumindest aus. „Wenn der Mindestlohn eingehalten wird, werden Frauen davon profitieren, weil eben der größere Teil derjenigen, die unter 8,50 Euro verdient haben, Frauen waren“, sagt Christina Klenner vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts der gewerkschaftsnahen Hans-Böckler-Stiftung. Auch Hermann Gartner vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) erwartet einen solchen Effekt. Erhebungen gibt es aber noch nicht.
Union und SPD haben sich in ihrem Koalitionsvertrag darauf festgelegt, die Entwicklung zumindest abzumildern. Ein Ziel ist demnach, dass Unternehmen ab 500 Beschäftigte künftig transparenter machen sollen, was Frauen und Männer verdienen. Einen Gesetzesentwurf gibt es allerdings noch nicht.
Berufserfahrung, Leistungsbeurteilung und Führungsverantwortung finden bei den wenigsten Beachtung. Was der Sache natürlich keinen guten Dienst erweist. Der Leiter der IT-Abteilung mit 20 Jahren Berufserfahrung verdient natürlich mehr, als die 25-jährige Programmiererin, die gerade in den Beruf eingestiegen ist - auch wenn beide formal den gleichen Job haben.
"Gerade um eine leistungsabhängige Vergütung weiterhin zu ermöglichen, müssen die berücksichtigten Kriterien sehr genau geprüft und nachvollziehbar kommuniziert werden", fordert Jörg Wenzel, Senior Manager und Vergütungsexperte bei EY. Da
sich ein Unternehmen unter Umständen auch vor Gericht verantworten müsse, stelle sich zudem die Frage: Wie kann eine solche Anfrage rechtssicher abgewickelt werden?
Und sein Kollege Wirth ergänzt, dass die ungleiche Bezahlung der Mitarbeiter - unabhängig vom Geschlecht - "große Schwierigkeiten mit der Mitarbeitermotivation, Imageverluste sowie Auseinandersetzungen mit dem Betriebsrat und vor Gericht mit sich bringen" könne.
Spätestens ab Donnerstag sollten sich Unternehmen also etwas mehr Mühe mit der Lohntransparenz geben.