Machtwechsel bei Siemens Zwei lahme Enten

Gemeinsam gefordert: Joe Kaeser (l), Vorstandsvorsitzender der Siemens AG, und sein designierter Nachfolger Roland Busch. Quelle: dpa

Der neue Chef tritt an, aber der alte behält vorerst den Titel Vorstandsvorsitzender: Was Managementexperten über die ungewöhnliche Führungskonstellation bei Siemens denken.

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Am 1. Oktober übergibt Joe Kaeser bei Siemens die Geschäfte an seinen Nachfolger Roland Busch und geht, wie es sprichwörtlich gerne heißt, niemals so ganz. In diesem Falle trifft das auch formaljuristisch zu, noch bis ins nächste Frühjahr soll Kaeser Vorstandsvorsitzender bleiben.

Wenngleich die allermeisten Zuständigkeiten dann bereits bei seinem Nachfolger liegen werden, schafft das doch ein Machtvakuum, wie es die deutsche Wirtschaft selten sehen hat. Oder, wie der Managementautor Reinhard Sprenger sagt: „Das Schräge an einer solchen Konstellation ist, dass man eigentlich zwei lame ducks auf einmal schafft.“

Wie die meisten Managementexperten hat Sprenger nur Kopfschütteln für die Doppelspitze auf Zeit übrig. „Die Konstellation führt dazu, dass sich das Unternehmen vorerst nur mit sich selbst beschäftigt. Jede Entscheidung wird von der Machtfrage überlagert.“ Das werde sich auf das Verhalten der beiden Manager auswirken und ihren Handlungsspielraum massiv einengen, glaubt Sprenger. „Die beiden Protagonisten müssen sich darauf konzentrieren, allen möglichen Tretminen auszuweichen.“

von Andreas Macho

Das ist besonders bitter, weil die meisten Beobachter Kaeser bescheinigen, bis zu diesem Zeitraum vieles richtig gemacht zu haben bei der Machtübergabe. „Es war von Siemens und dessen Aufsichtsrat klug gemacht, Busch früh in die Rolle des Stellvertreters zu bringen“, meint Jörg Breiski, Partner und Leiter des Geschäftsbereichs Executive Search bei der Personalberatung Kienbaum. Aus seiner Sicht muss auch die jetzt anstehende Übergangsphase nicht zwingend im Desaster enden. „Wenn diese Situation zu lange dauert, wird es schwierig.“

Sowas klappt nur „egobefreit“

Damit die kommenden Monate halbwegs harmonisch ablaufen und die Organisation nicht komplett lähmen, komme es nun vor allem auf klare Spielregeln an, sagt Wolfram Tröger, Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater und Geschäftsführer der gleichnamigen Personalberatung. Wer entscheidet in welchem Bereich? Wer ist für welche Aufgaben verantwortlich? Kurz gesagt: Wer ist wann CEO? „Sonst drohen nur lähmende Konflikte.“


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Doch die Spielregeln allein dürften nicht ausreichen. Es brauche auch Spieler, die sich an diese hielten, betont Nils Koerber, Coach und Trainer für Unternehmensnachfolge und Autor des Buchs ‚Die Kunst des Loslassens‘. „Beide Akteure müssen egobefreit sein, damit eine solche Konstellation funktioniert.“ Ungefragte Ratschläge etwa seien, wie es die deutsche Sprache andeutet, in solchem Fall „Schläge. Da ist es besser, Fragen zu stellen und sich als Coach anzubieten“, ergänzt er.

Reinhard Sprenger zumindest glaubt nicht daran, dass gut gemeinten Tipps eine solch verworrene Machtkonstruktion befrieden können. „Es ist fast so, als wolle man die Mechanismen gescheiterter Familienunternehmen kopieren.“

Mehr zum Thema: Manager auf Abruf bremsen Firmen aus: Die Belegschaft richtet sich schon nach dem Nachfolger, der Scheidende hat keinen Elan mehr. Das geht auch anders.

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