Machtwechsel Eine ungeregelte Unternehmensnachfolge ist fahrlässig

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Katalog mit Fähigkeiten

In einem ersten Schritt versetzte die Konzernleitung vielversprechende Manager auf Schlüsselpositionen – um sie zu fördern, aber auch, um sie zu testen. Anschließend entwickelte das Unternehmen einen Katalog mit Fähigkeiten, die der nächste CEO zwingend mitbringen sollte. Diese Anforderungen wurden dann mit internen wie externen Kandidaten abgeglichen.

Im nächsten Schritt entschied sich der Aufsichtsrat für eine interne Nachfolge, setzte einen Zeitpunkt für den Wechsel fest und bereitete sich auf die anstehenden Interviews vor. Dementsprechend reibungslos verlief im vergangenen Jahr die Übergabe an den Sieger des ausgeklügelten Verfahrens: Im August 2017 wurde John Flannery zum neuen GE-Vorstandschef gekürt. Das Beispiel hält allerdings noch eine weitere Lektion bereit. Selbst die beste Planung hilft nichts, wenn man den falschen Kandidaten wählt.

Zumindest hatte Flannery seit seinem Amtsantritt kein glückliches Händchen. Die Schulden des Konzerns sind weiter gestiegen, der Umsatz ist kontinuierlich zurückgegangen. Der Börsenkurs von GE sank allein in diesem Jahr um mehr als 25 Prozent, 2017 sogar um 45 Prozent. „Jeder Job sieht einfach aus“, sagte Flannerys Vorgänger Jeffrey Immelt einst, „solange Sie ihn nicht machen müssen.“ Offensichtlich ist es selbst für glänzend präparierte Personalexperten unmöglich, vorherzusagen, ob ein neuer Chef seinen Job gut machen wird oder nicht.

Zumindest in einem Punkt sind sich Forscher sicher: Interne Kandidaten sind meistens die bessere Wahl. Sie liefern höhere Renditen ab und werden seltener gefeuert. Außerdem sind sie tendenziell besser darin, für Innovationen zu sorgen. Das legt zumindest eine Studie von Trey Cummings und Anne Marie Knott von der Washington-Universität nahe. Die beiden Managementforscher haben die finanzielle Situation, den Werdegang der CEOs und die Forschungserfolge zahlreicher US-Firmen von 1993 bis 2003 verglichen und festgestellt: Interne Chefs erwirtschaften bei einer gleich hohen Investition in Forschung und Entwicklung mehr Rendite. Ein wichtiger Grund nach Aussage der Wissenschaftler: „Insider haben eher die erforderliche Bereichskenntnis, um Forschung in Wachstum zu verwandeln.“

Gleichwohl: Den typischen Erfolgs-CEO gebe es nicht, sagt Hubertus Douglas, Deutschlandchef der Unternehmensberatung Korn Ferry. Wichtig sei, dass sich der Aufsichtsrat darüber einig ist, wo ein Unternehmen in den nächsten zehn Jahren stehen wolle – aus dieser Vorstellung ergebe sich ein klares Profil für den neuen CEO. Außerdem sollten persönliche Eigenschaften wie Konsequenz und Begeisterungsfähigkeit nicht unterschätzt werden, rät der Headhunter: „Viele Aufsichtsräte orientieren sich zu stark an den fachlichen Fähigkeiten und reden daher zu wenig über die Persönlichkeit der Kandidaten.“

Selbst mit einem passenden Bewerber kann die Suche nach einem neuen Chef noch scheitern. Das zeigt etwa die Entwicklung bei Disney. Jahrelang hatte der Medienkonzern den COO Thomas Staggs darauf vorbereitet, in diesem Jahr seinen derzeitigen Chef Robert Iger abzulösen. Staggs kannte den Konzern mehr als 20 Jahre lang, fachsimpelte mit Iger gerne über guten Wein und war bei Analysten beliebt. Dennoch konnten sich Iger und der Rest des Aufsichtsgremiums nicht durchringen, ihm den vollen Rückhalt auszusprechen. Staggs zog Konsequenzen und kündigte im Mai 2016, die Disney-Aktie sank um knapp zwei Prozent. Nun bleibt Iger bis mindestens 2019. Die beste Vorbereitung hilft also nichts, wenn die Übergabe von politischen Spielchen gestört wird.

Oder anders gesagt: Jedes Nachfolgeprogramm ist nur so erfolgreich, wie es der Amtsinhaber gestattet. Es gehört viel Souveränität dazu, den Aufsichtsrat bei der Suche nach (s)einem Nachfolger zu unterstützen – und das Bewusstsein, dass Macht immer nur geliehen ist. Glaubt man einer Umfrage der Managementberatung Oliver Wyman, scheitert ein gelingendes Chef-Mentoring aber auch am Zeitbudget. Nach ihrem Arbeitspensum befragt, antworteten Dutzende Manager, mit nichts so wenig Zeit zu verbringen wie mit der Suche nach ihren potenziellen Erben.

Und noch ein letzter Punkt: Unternehmen sollten sich nie exklusiv auf einen Kandidaten fixieren, rät Personalberater Hubertus Douglas. Sonst müsse man „im Zweifelsfall unter großem zeitlichen Druck“ agieren, die „denkbar schlechteste Voraussetzung für eine gelungene Übergabe“. Die Deutsche Bank dürfte wissen, was Douglas meint.

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