Management Der geteilte Chefposten

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Kooperation statt autoritärer Führung

Palwitzat und Brands Quelle: Andreas Chudowski für WirtschaftsWoche

Bain-Partner Gunther Schwarz, Experte für Personalstrategien, erlebt in seiner Beratungspraxis zwar immer noch "Unternehmenskulturen, in denen der Grundsatz gilt: Führungskräfte arbeiten 100 Prozent und mehr." Doch Schwarz geht davon aus, dass flexibel arbeitende Führungstandems "in fünf bis zehn Jahren in der Breite angekommen sind". 30 Jahre ist es her, dass der Personalexperte seine Diplomarbeit über das Thema Jobsharing verfasste. Die These von damals: Jobsharing eigne sich für "repetitive und gering qualifizierte Aufgaben, nicht jedoch für Führungsaufgaben".

Derlei Mythen aus der Welt der Arbeit hält Organisationsberaterin Julia Kuark für große Hürden in Unternehmen. Die Schweizerin mit amerikanischen Wurzeln beschäftigte sich bereits Ende der Neunzigerjahre in einem Forschungsprojekt an der ETH Zürich mit dem Modell der geteilten Führung und prägte dafür den Begriff des "Topsharing". Heute berät die 50-Jährige Unternehmen im deutschsprachigen Raum und erlebt "ein stetig wachsendes Interesse, auch befördert von den neuen Technologien".

Führungskräfte sind heute viel unterwegs und mobil erreichbar. Damit weicht der autoritäre Führungsstil einem kooperativen Ansatz, bei dem Mitarbeiter stärker in Entscheidungen einbezogen werden. Leitbilder wie "Einer ist der Chef und hat das Sagen" geraten so immer stärker ins Wanken.

Topsharing als Burn-out-Prävention

Ob Autobauer, Konsumgüterhersteller, Bank oder Softwarekonzern: Allerorten gibt es eine Handvoll Manager, die als Pioniere im Doppel Mitarbeiter führen und Projekte leiten und die Verantwortung dafür teilen – bei Weitem nicht nur Mütter. "Topsharing ist kein Frauenthema", sagt Beraterin Kuark. Das Führungsmodell eignet sich genauso für die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Privatem wie für die allmähliche Übergabe, den begleiteten Aufstieg oder als Burn-out-Prävention.

Für die ständige und lückenlose Absprache der Tandemchefs empfehlen sich zwei 60-Prozent-Regelungen. Den Einwand, zwei Teilzeitkräfte seien damit teurer als ein Vollzeitmanager, lässt Organisationsberaterin Kuark als "einfache Rechnung" nicht gelten. Zum einen schlagen Wissensverlust und Einarbeitungskosten zu Buche, wenn ein Vollzeitmanager ein Unternehmen verlässt. Und: Vier Augen sehen mehr als zwei. "Schwierige Entscheidungen", sagt Kuark, "sind so breiter abgestützt."

Trotz dieser Vorteile warnt Jörg Felfe, Professor für Organisationspsychologie an der Universität Hamburg, davor, "Topsharing mit begeisterter Naivität zu propagieren, weil es verspricht, die Lösung für sämtliche Vereinbarkeitsprobleme zu sein". Experten sehen die Grenzen von gleichberechtigten Doppelspitzen weniger in der Branche, Unternehmensgröße oder Art der Aufgabe. Sondern vor allem im Zwischenmenschlichen. "Die Teilung von Führung birgt alle Chancen und Risiken, die wir aus der Teamarbeit kennen", sagt Organisationspsychologe Felfe. Mit anderen Worten: Das Team muss harmonieren, sonst stimmt das Ergebnis nicht.

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