Management Die vier Führungsprinzipien des Trivago-Gründers

Seite 2/4

Ohne Bullshit-Gründer-Denglisch

Es folgt dann eine scharfe Argumentation, warum er nicht mehr an Transformation, sondern nur an Disruption glaube und deswegen doch eher radikale politische Anpassungen empfehle. „Ich mache mir weniger Gedanken über die technologische Innovationskraft der Deutschen, eher um die unternehmerische Verwertung danach“, sagt Schrömgens.

„Je älter Unternehmen werden, desto festgefahrener werden Strukturen, weil das Ziel der Besitzstandswahrung der Führungsetagen größer ist als der Drang nach Neuem.“ Wie er da steht, ohne das Wort „ich“ zu benutzen, ohne Bullshit-Gründer-Denglisch zu reden, nimmt ihm die Kanzlerin die Worte offenbar nicht übel. Nach der Diskussion plaudert sie noch eine Stunde bei Wein und Buletten mit ihm.

In diesem Auftritt liegt eine Schlüsselerkenntnis, wie Schrömgens Trivago zu einem Unternehmen geformt hat, das dieses Jahr die Milliardenumsatzgrenze knacken will: Dieser Mann legt keinen Wert auf Hierarchien. Gut, als börsennotiertes Unternehmen gibt es einige Positionen, die Trivago haben muss. Einen Finanzchef etwa, einen Vorstand, ein Controlling. Der Rest aber rotiert zwischen Hierarchien und Aufgaben. Selbst die Vorstände, außer dem Finanzchef, wechseln jährlich die Zuständigkeiten.

So verscherzen sich Manager das Vertrauen ihrer Angestellten
Talk the Walk & Walk the Talk Ohne Vertrauen geht es nicht: Wenn niemand weiß, wie es hinter der nächsten Wegbiegung aussieht und Zielvorstellungen morgen schon überholt sein können, müssen Mitarbeiter und Partner dem Management blind vertrauen können. Denn Glaubwürdigkeit wird Managern zugeschrieben, die nachvollziehbar den Nutzen des Unternehmens mit echter Wertschätzung für die Menschen verbinden. Das heißt Respekt und Augenhöhe, Sprechen und Handeln nach klaren Werten: Talk the Walk & Walk the Talk. Peter Wollmann, Programmdirektor bei der Zurich Insurance Company und Berater Frank Kühn erklären in „Leading international projects“, welche Bedeutung Vertrauen für Unternehmen heutzutage hat – und wie Top-Manager es zerstören. Quelle: Presse
Narzissmus im Management Narzissten haben einen desaströsen Einfluss auf die nächsten Organisationsebenen. Das erleben wir bei Führungskräften, die an bizarren Entscheidungen ihrer Vorgesetzten verzweifeln. Daran sind – aus Sicht des Narzissten – diese Führungskräfte natürlich selbst schuld. Deshalb vertraut der Narzisst am liebsten sich selbst. Dem zutiefst geprägten Narzissten gehen Sie am besten aus dem Weg. Er lohnt Ihre Annäherung nur, wenn Sie ihm huldigen. Das hilft aber dem Unternehmen nicht, also lassen Sie es. Sie riskieren nur das Vertrauen derer, für die es sich ehrlich lohnt. Quelle: Fotolia
Fehlende Offenheit und TransparenzVerschlossene Topmanager haben ein mehrfaches Problem. Sie müssen ständig auf der Hut sein, was sie veröffentlichen wollen. Wenn es an „ihr Verschlossenes“ geht, argumen-tieren sie umständlich, nebulös oder genervt. Das kostet Kraft und Glaubwürdigkeit. Wir erleben auch Topmanager, die Zurückhaltung von Informationen als hierarchisches Prinzip sehen. Wer das Vertrauen seiner Mitarbeiter gewinnen will, muss das Paradigma, dass Wissen Macht sei, umkehren und Transparenz schaffen. Das ist Voraussetzung dafür, dass die Menschen in der Organisation überhaupt verantwortlich handeln können. Quelle: Fotolia
Unklare Prinzipien und WerteUnklar formulierte oder unpersönlich gehaltene Werte und Prinzipien, die dem Topmanagement wichtig sind, führen zwangsläufig zu Rätselraten. Klar geäußerte persönliche Werte schaffen dagegen Vertrauen. Vereinbarte Prinzipien schaffen Verhaltenssicherheit – wenn sie auf allen Ebenen spürbar sind und ernstgenommen werden. Wenn auch der CEO beim Werksrundgang den Helm aufzieht, wird sichtbar, dass Sicherheit wichtig ist. Wenn er kritisch-konstruktive Rückfragen ehrlich und sichtbar wertschätzt, zeigt er, dass ihm Feedback wichtig ist. Für Manager bedeutet das: Sprechen Sie an, was Sie ärgert und worüber Sie sich freuen. Sagen Sie, mit welchen Motivationen und Interessen Sie die Dinge angehen. Vereinbaren Sie Prinzipien für die Führung und Zusammenarbeit im Unternehmen. Und vor allem: gehen Sie mit gutem Beispiel voran. Quelle: Fotolia
Willkürliches VerhaltenMangelnde Disziplin beziehungsweise willkürliches Benehmen im Topmanagement ist ärgerlich: Verspätung zum Meeting oder Nichteinhaltung von Zusagen gehen gar nicht. Als Machtdemonstration ist das obendrein lächerlich und von den Mitarbeitern längst durchschaut. Insbesondere agile Organisation setzen darauf, dass formulierte Praktiken für lebendige Informationsplattformen, dezentrale Entscheidungsfindung und kollegiale Konflikthandhabung zuverlässig gelebt werden. Ohne Ausnahme, auf allen Ebenen, in allen Bereichen. Wenn unsere dynamische Zeit schnelles Handeln erfordert, sind pünktliches Erscheinen und disziplinierte Meetings ein Muss. Wenn Sie das als Top-Manager nicht eingehen wollen, lassen Sie die Finger von agilen Ansätzen.
DesinteresseMenschen beklagen oft mangelndes Interesse an ihnen und Ihrer Arbeit. Wie sollen sie Vertrauen in eine Führung aufbauen, der sie egal sind? Top-Manager müssen sich darüber klar sein, dass es die Mitarbeiter sind, die in den täglichen Kundensituationen das Unternehmen erfolgreich machen. Organisation und Führung sind dazu da, das bestmöglich zu unterstützen. Entwickeln Sie dies als eine ehrliche Überzeugung und schaffen Sie Gelegenheiten zum Kontakt und Austausch mit Ihren Leuten. Gehen Sie in Projektmeetings und hören Sie zu; seien Sie wohlwollend und respektvoll, auch wenn Sie mal intervenieren müssen. Beziehen Sie die Menschen aktiv in Veränderungsprojekte ein, profitieren Sie von ihren Erfahrungen und ihren Erwartungen. Quelle: Fotolia
Der Mitarbeiter als Kostenfaktor„Humankapital?“ Das mag positiv gemeint sein, kann aber schräg rüberkommen: Viele Mitarbeiter haben das Gefühl, dass sie vor allem als Kostenfaktoren betrachtet werden. Menschen wollen nicht nur Personalnummer und Budgetposten sein. Hier ist das Top-Management gefragt: Sprechen Sie die Menschen persönlich und namentlich an. Binden Sie sie mit Anerkennung ihrer Erfahrungen und Fähigkeiten ein. Unterscheiden Sie Kostenfaktoren (Materialverschwendung, schlechte Arbeitsbedingungen, schlecht vorbereitete Meetings, umständliche Prozesse) und Menschen (Andy, Petra) ausdrücklich. Quelle: Fotolia

Klassische Vorgesetztenstrukturen würden nach kurzer Zeit nur noch dazu dienen, dass die jeweiligen Amtsinhaber Machtsicherung betreiben, sagt Schrömgens. Titel haben sie deswegen weitgehend abgeschafft. Statt klassischer Abteilungs- oder Teamleiter gibt es projektbezogene Verantwortung. Führung ist in diesem Sinne so zu verstehen, dass bestimmte Führungskräfte vor allem dafür zuständig sind, die Mitarbeiter für Projekte zu motivieren – aber nicht als Autoritäten im herkömmlichen Sinne.

Damit kommt nicht jeder klar. Der US-Schuhhersteller Zappos versuchte Ähnliches, mittlerweile sind sie dort wieder bei klassischen Strukturen angekommen – man fand keine Mitarbeiter mehr. Auch wer zu Trivago recherchiert, begegnet ehemaligen Mitarbeitern, die unklare Zuständigkeiten und spärliche Karrieremöglichkeiten beklagen. „Trivago hat eine komplett ungesteuerte Kommunikationshierarchie, die zu einer Zersplitterung von Informationen, teilweise widersprüchlichen Aussagen führt“, sagt ein Mitarbeiter.

Eine ehemalige PR-Mitarbeiterin beklagt, dass es durch das ständige Wechseln „kaum profilierte Führungskräfte gibt“. Andererseits schneidet Trivago in Arbeitgeberumfragen positiv ab. Und der Managementberater Reinhard Sprenger gibt Schrömgens recht, wenn er sagt: „Zweifellos wird die horizontale Kommunikation zunehmen, die vertikale abnehmen.“

Schrömgens ist die organisierte Unorganisiertheit noch nicht genug. In der Sparte, die er derzeit als Vorstand verantwortet, löst er jegliche Struktur auf. Wer findet, dass eine Aufgabe erledigt gehöre, pflegt sie in ein Kommunikationssystem ein und hofft, genug Mitstreiter zu finden. Findet er die, ist er bis zur Erledigung dieser Aufgabe Projektleiter. Findet er die nicht, wird die Aufgabe nicht erledigt – sie war dann wohl nicht wichtig genug.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%