Es folgt dann eine scharfe Argumentation, warum er nicht mehr an Transformation, sondern nur an Disruption glaube und deswegen doch eher radikale politische Anpassungen empfehle. „Ich mache mir weniger Gedanken über die technologische Innovationskraft der Deutschen, eher um die unternehmerische Verwertung danach“, sagt Schrömgens.
„Je älter Unternehmen werden, desto festgefahrener werden Strukturen, weil das Ziel der Besitzstandswahrung der Führungsetagen größer ist als der Drang nach Neuem.“ Wie er da steht, ohne das Wort „ich“ zu benutzen, ohne Bullshit-Gründer-Denglisch zu reden, nimmt ihm die Kanzlerin die Worte offenbar nicht übel. Nach der Diskussion plaudert sie noch eine Stunde bei Wein und Buletten mit ihm.
In diesem Auftritt liegt eine Schlüsselerkenntnis, wie Schrömgens Trivago zu einem Unternehmen geformt hat, das dieses Jahr die Milliardenumsatzgrenze knacken will: Dieser Mann legt keinen Wert auf Hierarchien. Gut, als börsennotiertes Unternehmen gibt es einige Positionen, die Trivago haben muss. Einen Finanzchef etwa, einen Vorstand, ein Controlling. Der Rest aber rotiert zwischen Hierarchien und Aufgaben. Selbst die Vorstände, außer dem Finanzchef, wechseln jährlich die Zuständigkeiten.
Klassische Vorgesetztenstrukturen würden nach kurzer Zeit nur noch dazu dienen, dass die jeweiligen Amtsinhaber Machtsicherung betreiben, sagt Schrömgens. Titel haben sie deswegen weitgehend abgeschafft. Statt klassischer Abteilungs- oder Teamleiter gibt es projektbezogene Verantwortung. Führung ist in diesem Sinne so zu verstehen, dass bestimmte Führungskräfte vor allem dafür zuständig sind, die Mitarbeiter für Projekte zu motivieren – aber nicht als Autoritäten im herkömmlichen Sinne.
Damit kommt nicht jeder klar. Der US-Schuhhersteller Zappos versuchte Ähnliches, mittlerweile sind sie dort wieder bei klassischen Strukturen angekommen – man fand keine Mitarbeiter mehr. Auch wer zu Trivago recherchiert, begegnet ehemaligen Mitarbeitern, die unklare Zuständigkeiten und spärliche Karrieremöglichkeiten beklagen. „Trivago hat eine komplett ungesteuerte Kommunikationshierarchie, die zu einer Zersplitterung von Informationen, teilweise widersprüchlichen Aussagen führt“, sagt ein Mitarbeiter.
Eine ehemalige PR-Mitarbeiterin beklagt, dass es durch das ständige Wechseln „kaum profilierte Führungskräfte gibt“. Andererseits schneidet Trivago in Arbeitgeberumfragen positiv ab. Und der Managementberater Reinhard Sprenger gibt Schrömgens recht, wenn er sagt: „Zweifellos wird die horizontale Kommunikation zunehmen, die vertikale abnehmen.“
Schrömgens ist die organisierte Unorganisiertheit noch nicht genug. In der Sparte, die er derzeit als Vorstand verantwortet, löst er jegliche Struktur auf. Wer findet, dass eine Aufgabe erledigt gehöre, pflegt sie in ein Kommunikationssystem ein und hofft, genug Mitstreiter zu finden. Findet er die, ist er bis zur Erledigung dieser Aufgabe Projektleiter. Findet er die nicht, wird die Aufgabe nicht erledigt – sie war dann wohl nicht wichtig genug.