Managementexperte Alexander Groth So werden Sie ein guter Chef

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Deutlicher Unterschied in der Führung

Sie sprechen den Leser direkt an und sagen ihm, er habe das Zeug zum We-care-Leader. Hat das tatsächlich jeder?

Jeder kann ein We-Care-Leader werden. Daran glaube ich fest. Das Buch ist wie ein erfahrener lebenskluger Mentor, der dem Leser dabei hilft, diesen Weg zu gehen.

Alexander Groths

Sie sprechen von unterschiedlicher Sozialisierung bei Männern und Frauen. Es erweckt fast den Eindruck, als hätten es Frauen einfacher, We-care-Leader zu werden.

Männer werden dazu erzogen, ihre unangenehmen Gefühle wie Ängste, Traurigkeit oder Hilflosigkeit zu verdrängen. Sie haben schlichtweg nicht gelernt, mit diesen gut umzugehen. Da fällt es schwer, mit Mitarbeitern umzugehen, die genau diese Gefühle haben.

Frauen haben dagegen öfters den Vorteil, dass sie ihre Emotionen besser wahrnehmen können. Das heißt aber nicht, dass sie auch automatisch besser damit umgehen.

Am Ende jeden Kapitels geben Sie Handlungsempfehlungen, wie man ein besserer Leader wird. Ist es tatsächlich möglich, diese alle zu verinnerlichen?

Ich will den Leuten etwas Konkretes bieten, womit sie anfangen können. Ich unterliege nicht der Illusion, dass man mein Buch liest und zum We-care-Leader wird, denn das ist eine lebenslange Entwicklung. Wenn man aber nach und nach zwei oder drei der Ideen umsetzt, macht das schon einen deutlich wahrnehmbaren Unterschied in der Führung.

Wie schlechte Chefs ihre Mitarbeiter vergraulen
Mitdenken nicht erwünschtWunsch: Manuel B., 23, arbeitet im Bereich Kundenservice im Back Office. Er möchte, dass Vorgesetzte ihn ernst nehmen und ihm Handlungsspielraum lassen. Sein Chef muss für ihn ein Vorbild sein. Respekt erhält ein Vorgesetzter von Manuel, wenn er seine Sache gut macht und ihm etwas beibringen kann – nicht umgekehrt.Mitarbeiterrealität: Manuel B. ist unzufrieden mit seinem Chef, denn er fühlt sich nicht gefördert. Er ist ein flinker Kopf und denkt mit. Wenn er ineffiziente Arbeitsschritte und Fehler identifiziert, will er sie gerne verändern – am liebsten eigenständig. Auch beim Chef entdeckt er solche Fehler. Der will aber nichts davon wissen – Manuel hat nichts zu melden. Er soll sich gefälligst an die Arbeitsanweisungen halten – das war’s. Quelle: Fotolia
Im Ton vergriffenWunsch: Inge S., 49, arbeitet in einer sozialen Einrichtung. Sie wünscht sich, dass Vorgesetzte freundlich und angemessen kommunizieren. Insbesondere mit den psychisch erkrankten Menschen erwartet sie einen einfühlsamen Umgang.Mitarbeiterrealität: Inge S. erlebt ihre Chefin als dominant und unsensibel: „Sie verträgt keine Kritik, teilt aber gut aus. Sie versucht mir Arbeiten aufzudrücken, auch wenn ich ihr sage, dass das die Kollegin macht. Wenn jemand in ihr Büro kommt und sie im Gespräch stört, reagiert sie sehr genervt und unwirsch. Das ist unsachgemäß und für eine Chefin nicht gebührlich.“ Quelle: Fotolia
Ich kompetent, du nichtWunsch: Lara M., 27, ist Personalreferentin. Sie braucht eine Führungskraft, die ihr Anerkennung zeigt, sie unterstützt und ihr Selbstsicherheit gibt: „Sie muss ansprechbar sein, wenn ich Schwierigkeiten habe, ohne dass mir das als Inkompetenz ausgelegt wird. Ich möchte spüren, dass meine Arbeit und das, was ich tue, gesehen werden. Auch der menschliche, herzliche Umgang ist mir wichtig.“Mitarbeiterrealität: Lara M. fühlt sich verunsichert und demotiviert. Sie wurde schlecht eingearbeitet, dafür wird sie nun von ihrem Chef umso mehr kontrolliert. Sie erhält von ihm sehr viel Kritik und wenig positive Rückmeldung: „Ich weiß immer schon, egal wie ich es mache, ist es ihm sowieso nicht recht. Das nagt sehr an meinem Selbstbewusstsein. Er verhält sich immer nach dem Motto ‚Ich bin der Chef und nur was ich sage, ist richtig‘.“ Quelle: Fotolia
Leise Töne überhörtWunsch: Barbara L., 56, ist Verwaltungsangestellte. Für sie ist es wichtig, dass Vorgesetzte sie und die anderen Mitarbeiter gleichberechtigt behandeln. Sie möchte, dass ihr Chef ihren Verantwortungsbereich respektiert und sich genauso an die Regeln hält, wie es von ihr selbst erwartet wird.Mitarbeiterrealität: Barbara L. erlebt leider etwas anderes: „Er hört die Mitarbeiter mehr, die lauter schreien. Ich bin eher ruhiger und setze mich nicht so stark durch. Dadurch komme ich oft kürzer.“ Neulich setzte ihr Chef einfach einen neuen Lieferanten ein, ohne sie darüber zu informieren, geschweige denn sich mit ihr abzustimmen. „Da stehe ich bei den anderen dumm da, wenn ich nicht einmal darüber Bescheid weiß.“ Quelle: Fotolia
Wo das Chaos regiertWunsch: Bettina O., 38, ist verantwortlich für die interne Kommunikation in ihrem Unternehmen. Sie arbeitet sehr gerne selbstständig und liebt eine „lange Leine“. Von Vorgesetzten braucht sie eigentlich nur eine klare Richtungsvorgabe. Dabei wünscht sie sich auch, dass ihr Chef ein Bild davon hat, was sie tut.Mitarbeiterrealität: Bettina O. stellt ihre Strategie alleine auf. Ihre Vorschläge werden kritisiert, aber Verbesserungshilfen erhält sie keine. Sie sieht ihren Chef nur sehr unregelmäßig: „Er weiß dadurch oft gar nicht, was bei mir los ist. Manchmal besprechen wir meine Prioritäten und später fragt er nach der unwichtigsten davon. Oder er fragt mich, ob ich Zeit hätte, zu einem Meeting zu gehen, obwohl ich ihm kurz vorher gesagt habe, dass ich nicht weiß, wo mir der Kopf steht.“ Quelle: Fotolia
Am Team vorbeigeschautWunsch: Karla D., 42, arbeitet als Psychologin in einer Klinik. Sie schätzt es, sich regelmäßig im Team auszutauschen. Sie wünscht sich, dass Vorgesetzte offen für Verbesserungsvorschläge sind und gute Rahmenbedingungen für ihre Arbeit schaffen: „Eine Führungskraft sollte nicht nur die Sachebene, sondern genauso das Team im Blick haben.“Mitarbeiterrealität: Karla D. erkennt: „Mein Chef vernachlässigt seine Führungsrolle.“ Mitarbeitergespräche gibt es kaum. In der Arbeit mit Patienten erfährt sie Unterstützung, aber nicht, wenn es um ihre Belange geht. Es gab bereits einige längere krankheitsbedingte Ausfälle unter ihren Kollegen, trotzdem ändert der Chef nichts. Auch unterstützt er wenig, dass das Team gemeinsam Fälle bespricht und sich berät. Quelle: Fotolia
Mehr kontrolliert als gearbeitetWunsch: Dieter K., 58, ist Projektleiter. Er arbeitet am liebsten, wann er möchte und so, wie er es für richtig hält. „Mein Chef soll mich einfach in Ruhe meine Arbeit machen lassen. Ich brauche eigentlich nicht unbedingt einen Chef, zumindest keinen, der mir alles vorschreibt“, sagt er. Er wünscht sich eine flexible Gestaltung von Prozessen und Vertrauen von seinem Chef.Mitarbeiterrealität: Dieter K. ärgert sich über seinen Chef: „Ich engagiere mich, arbeite sogar an Urlaubstagen, und wenn ich dann mal aus privaten Gründen nicht da bin, macht er gleich eine große Welle. Wenn ich hingegen etwas von ihm brauche, ist er schwer zu erreichen.“ Auch Kalkulationen für kleinere Standardangebote muss Dieter K. vom Chef absegnen lassen. Der lässt mit einer Antwort aber gerne auf sich warten. Quelle: Fotolia

Sie stellen fest, dass Menschen hauptsächlich im Beruf produktiv sind und sogenannte Flow-Erlebnisse empfinden. Ist das ein Problem unserer Gesellschaft?

Das ist gar kein Problem. Flow ist der Zustand, in dem wir ganz in einer Sache aufgehen und alles um uns herum vergessen. Wir empfinden Flow, wenn wir herausgefordert werden, wenn wir eine Aufgabe bearbeiten, die uns an die Grenze unserer Leistungsfähigkeit bringt, aber noch machbar ist. Solche Momente hat man laut Forschung deutlich öfters in der Arbeit und das ist okay; Arbeit soll schließlich Spaß machen. Im Privatleben hat man viele Wiederholungen, die einen eben nicht mehr besonders fordern.

Läuft ein We-care-Leader nicht Gefahr, irgendwann überholt zu werden - beispielsweise von einem Mitarbeiter, den er selbst gefördert hat?

Die Gefahr gibt es. Aber was wäre die Alternative? Talentierte Personen künstlich kleinzuhalten? Dann gehen diese woanders hin. Es gibt das Zitat, dass Erstklassige Erstklassige einstellen und Zweitklassige nur Drittklassige.

Wie interessant ist die Arbeit, wenn man nur Ja-Sager einstellt und Leute, die nicht das Potenzial haben, einen selbst zu überholen? We-care-Leader suchen die Besten. Sie genießen in der Regel aber so viel Respekt, dass kein Mitarbeiter auf die Idee käme, sie einfach so rechts zu überholen. 

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