Der Chef hat permanent schlechte Laune und sorgt damit dafür, dass im Büro niemand aufbegehrt. Das kann funktionieren, aber auch das ganze Team und die Motivation der Mitarbeiter zerstören. Vaya Wieser-Weber ist Expertin für Emotionskompetenz und erklärt, wie man am besten mit Schlechte-Laune-Chefs umgeht.
Warum ist die Laune von Chefs so ansteckend?
Vaya Wieser-Weber: Jeder kennt das: Ein Hallo auf der anderen Seite der Leitung und wir wissen sofort, unserem Freund geht es nicht gut. Seine Stimmung hat sich direkt auf uns übertragen. Beim Chef spüren wir genauso schnell, wenn etwas nicht stimmt. Das ist auch verständlich, denn ein Chef kann Anweisungen geben ohne Rücksichtnahme, Ziele durchsetzen trotz Widerstand, Sanktionen erlassen, er kann bevorzugen und er kann feuern. So hat ein Chef im wahrsten Sinne des Wortes Macht über seine Mitarbeiter, denn sie stehen bei ihm in Lohn und Brot – sind also in gewisser Hinsicht von seinem „Goodwill“ abhängig. Deshalb sind Mitarbeiter auf seine Laune feinkalibriert. Sie lernen innerhalb kürzester Zeit, die Zeichen zu lesen und erkennen bereits am Gang ins Unternehmen, an der Farbe der Krawatte oder an der Art, wie der Chef den Schlüssel ablegt, wie die Stimmung ist.
Die Chef-Checkliste zur sozialen Kompetenz
Können Sie sich im "Hier und Jetzt" spürbar auf Ihre Führungsaufgabe einlassen? Sind Sie offen und ansprechbar? Hören Sie aktiv dazu?
Hören Sie sich alle Meinungen an und würdigen Sie die verschiedenen Sichtweisen, bevor Sie sich (vorschnell) ein Urteil bilden?
Stehen Sie hinter dem, was Sie sagen? Können Sie diese Haltung gegenüber dem Team ebenso wie nach außen vertreten?
Bleiben Sie auch in schwierigen Situationen standfest, um Ihr Gegenüber von Ihrem Standpunkt zu überzeugen?
Unterschiedliche Ziel- und Wertvorstellungen führen zwangsläufig zu Konflikten. Erkennen und bewältigen Sie diese Konflikte? Erreichen Sie in Mitarbeitergesprächen konstruktive Lösungen?
Sind Sie in der Lage, Mitarbeiter und Kollegen schnell einzuschätzen und ihre jeweiligen Stärken und Schwächen zu erkennen?
Besitzen Sie das notwendige Einfühlungsvermögen, um Ihre Mitarbeiter zu verstehen und in der Folge leichter von einer Sache zu überzeugen?
Wenn es nicht "rund" läuft: Sprechen Sie das Problem offen an? Stehen Sie hinter ihren Leuten, auch wenn sie Fehler machen?
Verhalten Sie sich integer und folgen Sie im Umgang mit Mitarbeitern und Kollegen den Regeln des Fair Play?
Sind Sie in der Lage, Interaktionen und gruppendynamische Prozesse in Teams aktiv zu gestalten und effizient in und mit Teams zu kooperieren?
Was ist das Problem mit schlechter Laune bei Chefs?
Nun, da Zugehörigkeit und Sicherheit zu unseren wichtigsten Antriebsfedern gehören, bringt die schlechte Laune des Chefs ein Team emotional in die Bredouille – den einen mehr, den anderen weniger. Sie lenkt den Fokus des Teams von den eigentlichen Aufgaben weg hinzu folgenden Gedanken: „Was ist passiert? Habe ich einen Fehler gemacht? Wie wird der Tag ablaufen? Wer kommt heute dran? Hoffentlich beruhigt er sich bald.“
Je launischer ein Chef ist, je unberechenbarer sein Verhalten umso mehr beschäftigen sich die Mitarbeiter also mit ihm und weniger mit ihren eigentlichen Aufgaben. Ein Teil ihrer Energie verbleibt also bei der Beobachtung des Chefs. Es ist als würde das Team mit angezogener Handbremse fahren.
Welche Auswirkungen hat so ein schlechte-Laune-Klima?
Jeder, der schon mal einen schwierigen Chef hatte, kann davon ein Lied singen wie belastend das sein kann. Im schlimmsten Falle wirkt die Laune des Chefs sogar auf die Gesundheit der Mitarbeiter. Nicht umsonst sind Krankheitsstatistik und Fluktuation ein guter Gradmesser, ob sich Menschen bei ihrem Chef wohlfühlen oder nicht.
Umgekehrt wirkt natürlich auch: Ein gut gelaunter, relaxter Chef wirkt wohltuend auf die Teamstimmung, die Leute sind entspannt und können sich auf ihre Aufgaben konzentrieren. Sie fühlen sich sicher und aufgehoben. Und ist er gut gelaunt, sind sie es auch – als nichts besseres, wenn Menschen Kundenkontakt haben.
Der oder die Falsche für den Job: Fehlbesetzungen in deutschen Unternehmen
Die Internationale Hochschule Bad Honnef Bonn verglich die mittels Kompetenzanalyse ermittelten Fähigkeiten von 1300 Menschen mit deren Jobs.
Nur ein Drittel aller Teilnehmer sind wirklich goldrichtig auf ihrer Position. Alle anderen könnten in einer anderen Funktion genauso gut oder sogar besser arbeiten.
Der Anteil der Fachkräfte in großen Unternehmen (mehr als 500 Mitarbeiter), die perfekt sind, für ihren Job, liegt bei 30 Prozent. 70 Prozent könnten also mehr leisten, wenn sie einen anderen Job hätten. Bei den Fachkräften aus Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern sind 32 Prozent wie gemacht für ihren Job. Die restlichen 68 Prozent sind mit ihren Fähigkeiten auf ihrer Position irgendwie fehl am Platz.
Der Anteil der Führungskräfte in großen Unternehmen (mehr als 500 Mitarbeiter), die mit ihren Kompetenzen in keiner anderen Rolle besser eingesetzt wären, ist mit 38 Prozent nur unwesentlich höher als bei Führungskräften aus Unternehmen mit bis zu 500 Mitarbeitern. Hier liegt er bei 37 Prozent.
...wären in einer anderen Funktion noch besser und effektiver.
... wären auf einer anderen Position besser aufgehoben.
Der Anteil relativ neuer Fachkräfte, die mit ihren Kompetenzen in einer anderen Rolle deutlich besser eingesetzt wären, liegt bei 37 Prozent.
Der Anteil der langjährigen Mitarbeiter, die auf einer anderen Position effektiver arbeiten würden, liegt bei 43 Prozent.
Der Anteil der Fachkräfte mit beruflicher Ausbildung, die mit ihren Kompetenzen in keiner anderen Rolle besser eingesetzt wären (31 Prozent), ist annähernd identisch mit den Fachkräften mit Hochschulabschluss (30 Prozent).
Dagegen ist der Anteil der Führungskräfte mit beruflicher Ausbildung, die besser einen anderen Job machen würden, markant höher als bei Führungskräften mit Hochschulabschluss (30 Prozent).
Nur 43 Prozent der im Vertrieb tätigen Personen haben auch ihre optimale Rolle in diesem Bereich. Damit ist der Vertrieb der Unternehmensbereich mit den meisten Fehlbesetzungen.
Ein Chef ist also immer der emotionale Leithirsch in seinem Team. An seiner Laune orientiert sich die Laune des Teams und somit dessen Leistungsbereitschaft.
Haben Schlechte-Laune-Chefs auch wirtschaftliche Auswirkungen?
Ich habe es in meiner Laufbahn auch schon erlebt, dass Teams es nach Jahren mit einem jähzornigen Chef schafften sich zu solidarisieren und gerade dadurch eng zusammenwuchsen. Nichtsdestotrotz kostet dies das Unternehmen viel Arbeitszeit, denn nach jedem Chef-Ausbruch schließen sich die Mitarbeiter kurz, treffen sich in der Kantine und tauschen sich zum gegenseitigen trösten, ausrichten und aufrichten aus. An Arbeit wird in solchen Momenten wenig gedacht. Da müssen sich zuerst alle wieder beruhigen.