
Im vergangenen Jahr zeichnete das Diagnostikzentrum Fleetinsel Hamburg ein schlechtes Bild von deutschen Führungskräften: Mehr als jeder zweite Chef war demnach übergewichtig, außerdem kämpfen die Führungskräfte mit einem hohen Zucker- und Insulinspiegel, haben schlechte Cholesterinwerte und hohen Blutdruck. Kurzum: ihr Gesundheitszustand ist besorgniserregend. Nun ist die internationale Personalberatung Heidrick & Struggles in Kooperation mit der Max Grundig Klinik der Frage nachgegangen, wie gut es Deutschlands Managern heute geht. Dafür wurden insgesamt 568 Führungskräfte in deutschen und deutsch-schweizerischen Unternehmen online befragt.
Körperlich fitter als der Durchschnitt
Die gute Nachricht vorweg: "Führungskräfte streben nach einem gesunden Lebensstil, bei dem Sport, ausgewogene Ernährung, wenig Rauchen und begrenzter Alkoholkonsum als Ausgleich für den oft anstrengenden Arbeitsalltag eine zentrale Rolle spielen", so Christine Stimpel von Heidrick & Struggles. Entsprechend sind die Chefs in guter physischer Verfassung. "Bei wichtigen Kategorien, die wir abgefragt haben, sind Führungskräfte deutlich gesünder als der Durchschnitt der gleichaltrigen Bevölkerung", kommentiert Thorsten Kienast, Ärztlicher Direktor der Max Grundig Klinik, die Ergebnisse.
So sagen nur 3,6 Prozent, sie hätten erhöhten Blutdruck. Dieser Wert sinkt bei jüngeren Managern sogar auf unter ein Prozent. Lediglich 11,7 Prozent der Befragten geben an, einen erhöhten Cholesterin-Wert zu haben. Bei weiblichen Führungskräften liegt dieser Wert sogar bei nur 3,1 Prozent. Naturgemäß ist erhöhtes Cholesterin bei älteren Führungskräften mit 13,7 Prozent öfter anzutreffen. An Diabetes leiden lediglich 1,6 Prozent der befragten Führungskräfte. Dieser Wert liegt bei weiblichen und jüngeren Führungskräften nahe Null. Während der vergangenen fünf Jahre waren nur elf Prozent der Manager ernsthaft erkrankt oder im Krankenhaus. Lediglich 20 Prozent müssen regelmäßig ein Medikament einnehmen, wobei der Anteil bei Managerinnen mit 25 Prozent etwas höher liegt. Stimpel sagt: "All dies belegt, dass Karriere vornehmlich ein Personenkreis macht, der körperlich robust ist. Eine gute Physis hilft beim Weg nach oben."
Burnout? Ich doch nicht!
Auch mental fühlen sich 53,5 Prozent der Manager gut oder sehr gut gerüstet. 10,8 Prozent bewerten ihren psychischen Zustand als befriedigend. Die Antworten mangelhaft oder ungenügend kamen mit zusammen 0,9 Prozent so gut wie nicht vor. "Deutschlands Führungskräfte jammern nicht über ihren mentalen Zustand, sie sehen sich selbst also keineswegs kurz vor einem Burnout oder einem anderen krankhaften seelischen Zustand", so Kienast.
In acht Schritten zum Burn-Out
Es beginnt alles mit dem Wunsch, sich zu beweisen. Dieser aber treibt einen in den Zwang, sich noch mehr anzustrengen, noch mehr zu leisten bzw. es allen recht zu machen. Man nimmt jeden Auftrag an, sagt immer seltener Nein. Jettet von Termin zu Termin. Und nimmt abends Arbeit mit nach Hause.
(Quelle: Lothar Seiwert, Zeit ist Leben, Leben ist Zeit)
Man nimmt seine eigenen Bedürfnisse nicht mehr wahr. Schläft zu wenig, isst hastig oder gar nichts. Sagt den Kinobesuch mit Freunden ab.
Man missachtet die Warnsignale des Körpers, wie Schlafstörungen, Verspannungen, Kopfschmerzen, hoher Blutdruck, flaches Atmen, Konzentrationsschwäche.
Um wieder funktionieren zu können, greifen manche zu Drogen wie Schmerzmitteln, Schlaftabletten, Alkohol, Aufputschern.
Das eigene Wertesystem verändert sich. Die Freunde sind langweilig, der Besuch mit dem Kollegen im Café verschwendete Zeit. Die Probleme mit dem Partner oder Familie nimmt man einfach nicht mehr wahr. Man zieht sich zurück aus gesellschaftlichen Kontakten. Und endet oft in völliger Isolation.
Die Persönlichkeit verändert sich. Alles dreht sich nur noch darum, zu funktionieren, zu arbeiten. Gefühle und Emotionen werden verdrängt. Man verliert den Humor, reagiert mit Schärfe und Sarkasmus, empfindet Verachtung für Menschen, die das Faulsein genießen. Man verhärtet.
Man verliert das Gefühl für die eigene Persönlichkeit. Spürt nur noch Gereiztheit, Schmerzen, Erschöpfung, Überlastung, Angst vor einem Zusammenbruch. Und sonst nichts mehr. Keine Freude, keine Fröhlichkeit, keine Neugierde. Der Mensch funktioniert wie eine Maschine. Die Seele erstarrt.
Die wachsende innere Leere, genährt von dem Gedanken "Wenn ich nicht arbeite, was bin ich dann?", führt zur Depression, zur völligen Erschöpfung, zum Zusammenbruch, zum Ausgebranntsein.
Bei einer genaueren Betrachtung bekommt dieses Bild der positiven Selbsteinschätzung jedoch Kratzer. Ein erheblicher Teil der Führungskräfte fühlt sich gelegentlich erschöpft und glaubt, dass der Job mit der Zeit auf die körperliche und geistige Gesundheit gehen könnte. 38,8 Prozent haben sogar kürzlich erwogen, den aktuellen Job zu kündigen.
Doch die Überanstrengung und das Gefühl, Raubbau am eigenen Körper zu betreiben, sind nicht das einzige Problem, das deutsche Chefs nicht in den Griff bekommen: So sind immer noch 48 Prozent der deutschen Führungskräfte nach BMI-Definition übergewichtig. Nur 0,35 Prozent sind nach gängigem Verständnis untergewichtig.
Wie sich der BMI berechnet
Der Body-Mass-Index berechnet sich wie folgt: Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch die Körpergröße mal Körpergröße in Metern.
Bei einem Gewicht von 90 Kilogramm und einer Größe von 1,90 Meter beträgt der BMI also knapp 25.
Laut der Weltgesundheitsorganisation WHO wird ein BMI zwischen 18,5 und 24,9 als normal angesehen. Ab einem Wert von 30 Kilogramm pro Quadratmeter Körpergröße gelten Übergewichtige als adipös und behandlungsbedürftig.
Besonders betroffen sind die männlichen Chefs: Bei ihnen beträgt das Verhältnis Übergewicht zu Normalgewicht 52 : 48 Prozent, bei den Frauen in Führungspositionen haben 81 Prozent Normalgewicht, nur 16 Prozent sind übergewichtig und 3,2 Prozent sind untergewichtig. Und grundsätzlich gilt: Je älter, desto Bauch. Die jüngeren Führungskräfte von 45 Jahren oder jünger sind im Schnitt schlanker, hier beträgt das Verhältnis Übergewicht zu Normalgewicht 41 : 58, bei älteren Führungskräften dreht sich das Verhältnis um. Hier sind 53 Prozent übergewichtig, 47 Prozent normalgewichtig.
Führungskräfte liegen damit im Vergleich zur Durchschnittsbevölkerung im Alter von 30 bis 65 Jahren leicht unterhalb des Bundesdurchschnitts. Das zeige, dass der Beruf oft keine ausreichenden Möglichkeiten für Sport und Bewegung zulässt, so Kienast. Kritisch ist, dass bei Führungskräften damit nicht nur stressbedingte Folgeerkrankungen, sondern auch in fast jedem zweiten Fall übergewichtsbedingte Folgeerkrankungen hinzukommen können.