Mathe für Führungskräfte „Ohne logisches Denken kann kein Chef führen“

Mathematisches Verständnis: Für Führungskräfte wird der Umgang mit komplexen Unternehmenszahlen immer wichtiger. Quelle: dpa

In der Chefetage sorgen zunehmend komplexe Zahlen für große Herausforderungen. Warum jede Führungsposition mathematische Grundlagen beherrschen sollte – und wie sich logisches Denken trainieren lässt.

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Aufspüren, verfolgen, fangen und erlegen von Wild. Das waren einst die Aufgaben eines Kandidaten der Personalberatung Spencer Stuart. Heute ist er Leiter Treasury. Der Weg dorthin: Nach der Jägerausbildung arbeitete er sich durch Traineeprogramme immer weiter in Richtung Chefetage. „Die Berufserfahrung zählt für den Weg an die Führungsspitze mehr als eine theoretische Ausbildung“, begründet Dieter Unterharnscheidt, Leiter der deutschen CFO- und Industry-Practice von Spencer Stuart, der Finanzvorstände und Führungspositionen bei internationalen Industriekonzernen vermittelt. Mindestens acht Jahre praktische Erfahrung seien erforderlich. Die hatte der Kandidat bereits hinter sich, als er von Spencer Stuart vermittelt wurde – trotz Neuausrichtung. Auch im Deutschen Aktienindex gibt es bekannte Beispiele für einen Quereinstieg: So fand Frank Appel den Weg vom Chemiestudium zur Spitze der Deutschen Post und auch Bernd Scheifele ist mit einem Studium der Rechtswissenschaften Vorstandsvorsitzender von Heidelberg Cement geworden. Solche Fälle sind aber eher die Ausnahme. Die anderen Unternehmenschefs im Dax blicken auf ein Studium mit finanzwirtschaftlichen Inhalten zurück. Das lässt sich von den Lebensläufen des Karrierenetzwerks LinkedIn ablesen.

Für die Chefetage gelten einige Voraussetzungen – besonders im Umgang mit Zahlen. Mathematische Grundlagen sind für eine angehende Führungsposition zwingend notwendig. Das definiert Unterharnscheidt genauer: Der Finanzvorstand und Vorstandsvorsitzende sollte sich vor allem im Controlling gut auskennen, dicht gefolgt vom Rechnungswesen. Außerdem muss er für diverse Situationen ausrechnen können, welche Auswirkungen eine Maßnahme auf das künftige Ergebnis eines Unternehmens hat. „Durch die Coronakrise zeigt sich nun, wer seine Hausaufgaben gemacht hat“, sagt er. Ohne ein gutes Zahlenverständnis könne keine Machtposition in Krisenzeiten richtig Fuß fassen. Wenn der Umsatz um zum Beispiel zehn Prozent zurückgeht, muss genau eingeplant werden, wie sich das auf Unternehmen, Belegschaft, Ergebnis sowie auf die Führungsposition selbst auswirkt. Am wichtigsten ist aber: „Ohne ein mathematisches Verständnis kann keine Führungsposition logisch Denken - und ohne logisches Denken kann keine Führungskraft führen“, sagt Unterharnscheidt. Logisches Denken ist unerlässlich, um die Fragen der komplizierten Wirtschaftswelt zu beantworten. So hilft ein grundlegendes Verständnis von Algebra dabei, Verknüpfungen wirtschaftlicher Strukturen analytisch betrachten zu können.

Logisches Denken lässt sich trainieren – mithilfe eines geeigneten Studiums. Obwohl die Spitze täglich mit Zahlen zu tun hat, nützt aber ein reines Mathematikstudium nach Angaben von Unterharnscheidt nichts. Das Studium sollte praxisorientiert ausgelegt sein. Er empfiehlt Studiengänge wie BWL, Wirtschaftswissenschaften, Wirtschaftsingenieurwesen oder MBA-Programme.

MBA-Programme für mehr Logik

Unter anderem bietet die WHU Otto Beisheim School of Management mit Standorten in Düsseldorf und Vallendar seit 1997 den Studiengang MBA und seit 2005 Executive MBA (EMBA) an.

Der EMBA richtet sich an Teilnehmer mit langjähriger Berufs- und Führungserfahrung. Bewerber müssen mindestens zehn Jahre Berufserfahrung haben und über sieben Jahre Führungserfahrung verfügen. Das spiegelt sich im Alter wider: Durchschnittlich seien die Studenten bereits 38 Jahre, so Jürgen Weigand, Stellvertretender Rektor der WHU und Akademischer Direktor des EMBA. Eine weitere Voraussetzung sind sehr gute Englischkenntnisse, da mehr als die Hälfte der Teilnehmer aus dem Ausland kommt.


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Ein Erststudium ist eine weitere Bedingung für die Teilnahme. Im Bewerbungsverfahren wird streng aussortiert. Bei etwa 500 Bewerbungen jedes Jahr erfüllen 150 die formellen Kriterien. Aus diesem Pool werden in zwei Interviewrunden die 50 bis 60 besten Bewerber für die Teilnahme am Programm ausgewählt. Noch vor Beginn des Programms muss jeder angehende Student einen Onlinekurs für mathematische und statistische Grundlagen absolvieren. Wer durchfällt, muss wiederholen. Durchgefallen ist am Ende laut dem Direktor bislang noch niemand. „Viele Teilnehmer bringen bereits solide quantitative Fähigkeiten aus dem Erststudium oder ihrem Berufsalltag mit“, sagt Weigand. Die Grundlagen von Algebra, Geometrie und Optimierungsverfahren seien Voraussetzung für die Spitze. Zu den Vorkenntnissen bekommen die Studenten in den verschiedenen Programmkursen anwendungsorientierte Vertiefungen in den quantitativen Methoden. Mathematische Optimierungsverfahren helfen zum Beispiel die beste räumliche Verteilung von Vertriebs- oder Lagerstandorten zu bestimmen. Jürgen Weigand selbst unterrichtet Economics.

Das MBA-Programm der WHU richtet sich an Teilnehmer mit geringerer Berufserfahrung. Die Teilnehmer seien im Schnitt 28 Jahre. „Sie müssen den Weg in die Führungsposition noch finden“, sagt Weigand. Die Zulassung zum Programm setzt den Graduate Management Admission Test (GMAT) voraus. Dieser Test prüft die mathematischen Fähigkeiten, das sprachlogische sowie das vernetzende Denken und die Fähigkeit sich in Wort und Schrift auszudrücken. Wer den Test bestehen möchte, müsse sich sehr zeitintensiv vorbereiten. So Weigand.

Vom Finanzressort auf den Chefsessel

Dieter Unterharnscheidt und Jürgen Weigand sind sich einig: Es gibt kein Patentrezept für den besten Weg an die Spitze. Aber Trends. Die Entwicklungen zeigen, dass das finanzwirtschaftliche Wissen immer wichtiger wird. Der kurze Blick in den Dax genügt: Ein Viertel der aktuellen Vorstandsvorsitzenden haben ihren Ursprung im Finanzbereich. Es gibt viele bekannte Beispiele, die den Weg vom CFO zum CEO genutzt haben – wie Tim Höttges von der Deutschen Telekom, Carsten Knobel von Henkel sowie Werner Baumann von Bayer.

 Besonders in der aktuellen Krisenzeit sind die Führungskräfte gefragt, durch Planungsszenarien die Liquidität und Profitabilität nicht zu gefährden, weiß Unterharnscheidt. Strategisch nach vorne schauen und ausrechnen, wohin sich die Märkte sowie Unternehmen entwickeln werden, ist das Impfmittel der Unternehmen gegen die Pandemie. „Krisen sind Situationen der Bereinigung“, ergänzt Weigand. Unternehmen, die finanziell gut aufgestellt sind, überleben – die anderen bleiben auf der Strecke.

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