Michael Vassiliadis Der die Chemiebranche rockt

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Gegenmodell zu Verdi und zur IG Metall

Deutschlands heimliche Herrscher
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Der Rastlose ist inzwischen auch Präsident der Föderation Europäischer Bergbau-, Chemie und Energiegewerkschaften (EMCEF) in Brüssel. Die führt zwar keine Tarifverhandlungen, versucht aber, in Brüssel die arbeits- und sozialrechtlichen Vorstöße der EU-Kommission zu beeinflussen. Am 16. Mai fusioniert die EMCEF mit den europäischen Gewerkschaftsdachverbänden der Metall- und Textilindustrie zur neuen Super-Gewerkschaft EIWF (European Industrial Workers Federation), die rund acht Millionen Industriebeschäftigte in Europa vertritt. Einziger Kandidat bei der Präsidentenwahl ist Michael Vassiliadis, bestätigte ein IG-BCE-Sprecher der WirtschaftsWoche.

Das Netzwerk des Chemie-Gerwerkschafters Michael Vassiliadis

Wer dem Spitzen-Gewerkschafter konzentriert zuhört, könnte meinen, einen Unternehmer oder Arbeitgebervertreter vor sich zu haben. Vassiliadis will die „Wettbewerbsfähigkeit der Industrie stärken“, „Standortfragen mehrdimensional betrachten“ und plädiert dafür, „nicht nur Verteilungsfragen, sondern auch Zukunftsinvestitionen anzugehen“.

Wenn es um grüne Gentechnik bei BASF oder um eine umstrittene, oberirdische Kohlenmonoxid-Pipeline bei Bayer geht, steht Vassiliadis fest an der Seite der Unternehmenschefs. Häufig klagt der Gewerkschafter wie die Top-Manager über die Fortschrittsfeindlichkeit der Deutschen, von Klassenkampf keine Spur. Als Agitator für die Marktplätze der Republik taugt Vassiliadis nur bedingt.

Nicht auf Krawall gebürstet

Die IG BCE ist mit ihrem konsensorientierten Kurs seit jeher das Gegenmodell zu Verdi und zur IG Metall. Den letzten Streik in der Chemiebranche gab es 1971. Zum Schaden der Arbeitnehmer war das nicht: Schrumpften die Realeinkommen in Deutschland insgesamt von 2000 bis 2010 um 4,2 Prozent, gab es in der Chemieindustrie ein reales Plus von rund acht Prozent, zeigt eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung in Berlin. Damit honorierten die Firmenchefs den Tariffrieden in ihren Unternehmen.

Bei der aktuellen Tarifrunde – das erste Spitzengespräch findet am 7. Mai statt – fordert die IG BCE zwar stolze sechs Prozent mehr Lohn. Weder im Arbeitgeber- noch im Gewerkschafterlager glaubt allerdings jemand, dass die Tarifrunde eskaliert. Wahrscheinlich ist ein Abschluss mit einer Vier vor dem Komma. Im Gegenzug dürfte die Gewerkschaft den Unternehmen bei den Arbeitszeiten entgegenkommen.

Auch während der jüngsten Rezession bürstete Vassiliadis seine Mitglieder nicht auf Krawall, sondern schmiedete mit den Arbeitgebern ein „Krisenbündnis Chemie“. Für die 550.000 Beschäftigten der Branche gab es zwar eine Nullrunde beim Lohn, dafür aber eine weitreichende Beschäftigungsgarantie.

Als erstem Gewerkschaftschef gelang es Vassiliadis zudem, ein Abkommen mit der Zeitarbeitsbranche über die gleiche Bezahlung von Leih- und Stammpersonal zu erreichen. Das mit dem Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister vereinbarte Regelwerk tritt aber erst in Kraft, wenn auch die anderen Arbeitgeberverbände der Zeitarbeitsbranche zustimmen und die weiteren DGB-Gewerkschaften in ihrem Bereich ähnliche Equal-Pay-Regeln vereinbaren.

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