Middelhoffs neue Erben Die schlechtesten Managementleistungen 2011
Seit der Beerdigung des Handelsriesen Acandor wird schlechte Managementleistung in "Middelhoff" gemessen. Hier die Riege der 2011 gefallenen Helden.
Middelhoff-Skala
"Big T" bleibt unerreicht: Mit seinem Wirken bei der Beerdigung des Handelsriesen Arcandor (Karstadt,Quelle) hat Thomas Middelhoff Maßstäbe gesetzt. Eingedenk seiner Taten wird schlechte Managerleistung seither in "Middelhoff" gemessen. Die WirtschaftsWoche hat auch dieses Jahr die gefallenen Helden gekürt und ihre Bilanz auf einer Middelhoff-Skala von eins bis zehn (ein echter Middelhoff) eingestuft.
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Léo Apotheker
Seine Auszeichnung doppelt erarbeitet hat sich Léo Apotheker: Im September jagte ihn der Verwaltungsrat von Hewlett-Packard (HP) vom Chefsessel – auf dem er zehn Monate zuvor Platz genommen hatte. Damit ist Apotheker ein Wiederholungstäter: Im Februar 2010 nahm er seinen Hut als Chef des Softwarekonzerns SAP, nach neun Monaten im Amt. Gehen musste Apotheker jeweils mit mieser Bilanz. Der Aktienkurs von HP halbierte sich unter seiner Ägide fast; bei SAP wollte der Aufsichtsrat seinen Vertrag nicht verlängern, weil Kunden gegen seinen Kurs rebellierten. Apotheker wiederholte aber nicht nur sein Scheitern, sondern auch das Vergolden desselben: HP versüßte ihm den Abschied mit einer Abfindung von rund 13 Millionen Dollar. Auch bei SAP soll er einen goldenen Handschlag in Millionenhöhe erhalten haben. Geld, das Apotheker gut gebrauchen dürfte – es sei denn, ihm gelingt das Kunststück, ein drittes Mal auf die Kapitänsbrücke eines Konzerns zu rücken.
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Angelika Dammann
Die Emanzipation, so könnte man meinen, ist erst vollendet, wenn auch Top-Managerinnen ihre Jobs von heute auf morgen wieder verlieren können. In diesem Sinne ist Angelika Dammann Vorreiterin: Bei ihrem Start als SAP-Personalchefin im Juli 2010 ist sie die zweite Frau im Vorstand eines Dax-Konzerns. Etwas mehr als ein Jahr später muss sie als als erste Frau in der obersten deutschen Börsenliga ihren Vorstandsposten vorzeitig räumen. Vorausgegangen war eine tagelange mediale Schlammschlacht um ihre Vertragsverlängerung. Pikante Details über Heimflüge im Firmenjet und ein zerrüttetes Verhältnis zu Teilen des Betriebsrats sickerten an die Öffentlichkeit – wie bei männlichen Pendants. Hoch geflogen, tief gelandet – dank Dammann ist Deutschland der Gleichstellung einen wichtigen Schritt näher gekommen.
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Masataka Shimizu
Der Mann, der Deutschland die Energiewende bescherte, folgt einem strengen moralischen Kodex. Jeder, der bei ihm arbeite, müsse über ein hohes ethisches und soziales Verantwortungsbewusstsein verfügen. Schließlich sei es oberste Pflicht, die Sicherheit des Atomkraftwerks zu gewährleisten. So ließ sich einst Masataka Shimizu zitieren, Chef des Energiekonzerns Tokyo Electric Power Company, besser bekannt unter dem Kürzel Tepco, noch besser als Betreiberfirma des Tschernobyl-Nachfolgers Fukushima in Japan. Doch als mit dem Tsunami die Nuklearkatastrophe vom 11. März losbrach, trat der hehre Kodex offenkundig außer Kraft. Shimizu schloss sich erst tagelang in seinem Büro ein. Dann flüchtete er in eine Klinik. Ihm sei schwindlig geworden. Tatsächlich hatte sich Shimizu aus dem radioaktiven Staub gemacht und ließ die Öffentlichkeit lieber von Stellvertretern und Sprechern desinformieren. Auch sein tiefer Bückling vor dem japanischen Parlament im April konnte seine Demission im Mai nicht mehr verhindern. Ende vergangener Woche erklärte Japans Regierung das Atomkraftwerk als wieder unter Kontrolle. Das bezweifeln Experten.
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Clemens Börsig
Josef Ackermann ist ein Übermensch. Deshalb ließ sich Clemens Börsig bei der Fahndung nach einem Nachfolger offenbar von Friedrich Nietzsche inspirieren: „Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können“, dröhnt Zarathustra. Der Aufsichtsratschef der Deutschen Bank meinte das Gleiche, formulierte die Maxime bei der Suche nach dem Superbanker aber nüchterner: „Der Aufsichtsrat verfolgt einen klar strukturierten Prozess.“ Er, Börsig, habe „das Heft klar in der Hand“.
Niemand hatte geglaubt, dass nach dem verpatzten Anlauf 2009 die zweite Runde der Chefkür noch amüsanter würde. Doch was Börsig und Ackermann ablieferten, war eine Führungsposse für Fortgeschrittene. Da verblüffte der große Vorstandsvorsitzende, der gerne Ex-Bundesbank-Chef Axel Weber auf seinen Posten gehievt hätte, mit der Erkenntnis, dass Fachwissen für seinen Job zweitrangig sei. Börsig nervte mit seinem zäh-verquälten Ausleseprozess die Kollegen im Aufsichtsrat. Krönender Abschluss war Ackermanns rasch wieder abgebrochener Plan, sich auf Börsigs Posten wählen zu lassen. Gewinner gibt es nun keinen, beide werden das Institut 2012 verlassen. Die designierte Bankführung blickt verwundert durch den sich verziehenden Pulverdampf. Und blinzelt.
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Wolfgang Werner
Bravo Wolfgang Werner! Tennis-Methusalem Boris Becker als Werbemaskottchen für Ihre Praktiker-Baumärkte zu verpflichten, um damit mehr Laien von den Segnungen des Selbermachens zu überzeugen – das hat der Konkurrenz in diesem Jahr gewaltig zugesetzt. Während Hornbach, Obi und Bauhaus sich ihrer Dübelexpertise rühmen (gähn!), profiliert sich Praktiker als Simpel-Baumarkt. Famos! Zumal schon vorher all die tollen Ideen zündeten. Die Sache mit den Rabatten zum Beispiel: Bei Praktiker gebe es „20 Prozent auf alles“, hämmerten Sie den Heimwerkern jahrelang ein. Irgendwann bleibt beim Schubkarrenverkauf halt nichts mehr übrig, wenn der Preis zu weit sinkt. Aber egal, Gewinn wird im operativen Geschäft ohnehin überschätzt, und die Kunden haben die Strategie verstanden – sie mieden konsequent Ihre Läden, als die Aktionen endeten. Kompliment auch, dass Sie den Aktionären die langfristigen Folgen Ihres Tuns vermitteln konnten: 87 Prozent Rabatt auf den Kurs in einem Jahr erzeugten ein tiefes Verständnis der Unternehmenslage. Kein Zweifel, Ihr Nachfolger Thomas Fox hat ein schweres Erbe angetreten.
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Rupert Murdoch
Mmh, wirklich blöd gelaufen, lieber Rupert: Statt selbst Schlagzeilen zu texten, lieferten im Sommer in England Redakteure aus dem Stall des letzten lebenden Zeitungszaren den lieben Kollegen anderer Blätter über Wochen Stoff für fingerdicke Skandal-Überschriften. Für den Anlass sorgten übelste Abhörpraktiken bei Murdochs anschließend eingestelltem Gossenblatt „News of the World“, die nicht vor der Privatsphäre von Promis und Politikern haltmachten. Allein Rupert, der mit 80 Jahren News Corp. noch immer wie ein Monarch regiert, hieß plötzlich Hase und wusste von nichts. Saß in einer Anhörung des englischen Parlaments, grummelte einstudierte Entschuldigungs- und Demutsadressen und verhielt sich plötzlich sehr seinem Alter gemäß. Sichtbar ward ein King Leer, der eigenhändig jenen gefürchteten Popanz und Mediendominator Murdoch entzauberte, der dank TV-Sendern wie Fox oder Zeitungen wie „Sun“ und „Times“ jahrzehntelang ungewählt und ungefragt Einfluss nahm auf die Politik in England und anderswo.
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Jürgen Kluge
Kürzlich überkam Jürgen Kluge (rechts) wieder diese unbändige Zerstörungswut, jene Lust am kreativen Neuanfang, die wahre Manager von bloßen Beratern unterscheidet. Kurz: Ein paar Eier mussten dran glauben. „Auf den Rand der Pfanne – und zack, entzwei“, skizzierte der Haniel-Chef im hauseigenen Magazin „Enkelfähig“ sein Rührei-Zubereitungskonzept. Einen ähnlichen Ansatz verfolgte der Duisburger Omelette-Stratege indes auch in Fragen des Personalmanagements. Erst schickte er Fritz Oesterle in die Wüste, den Chef des Haniel-Ablegers Celesio. Dann sollte Metro-Frontmann Eckhard Cordes (links) weichen. Als der sich sträubte, verpuffte die Attacke. Weder einen Nachfolger hatte Kluge parat noch das Okay der Metro-Miteignerfamilie Schmidt-Ruthenbeck eingeholt. Kluge knickte ein, Cordes sollte bleiben, suchte aber freiwillig das Weite. Prompt begann der Eiertanz von Neuem. Nachdem dann auch Kluge bekannt gab, seinen Vertrag nicht zu verlängern, wird er demnächst selbst – zack, zack – mehr Zeit am heimischen Herd verbringen können.
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Ulrich Marseille
Ulrich Marseille weiß, was er will, und er bekommt es. Früher oder später. Über kurz oder lang. So machte sich die Spürnase auf die Suche nach einer Wachstumsbranche und fand den Pflegemarkt. Der von Freunden als „weißer Hai“ Geneckte gründet 1994 die Marseille-Kliniken AG. Seitdem übernahm der Großaktionär je nach Bedarf auch mal den Chefsessel im Aufsichtsrat, mal im Vorstand. Denn dem Menschenfreund kommt ein Top-Manager nach dem anderen abhanden. Der eine will nicht mehr, der nächste soll nicht mehr. Hauptsache, seine Juristen lassen ihn nicht im Stich, auch wenn die nicht immer erfolgreich sind. Deshalb ist Marseille nur noch Großaktionär im eigenen Haus.
Dass der Aktienkurs seit 2007 von 18 auf unter 2,50 Euro abgestürzt ist? Die Investoren sind einfach noch nicht so weit. Aber der Aufsichtsrat wird’s richten. Sitzen dort doch Marseilles schärfste Kritiker wie Ehefrau Estella-Maria, Business-Buddy Hans-Hermann Tiedje sowie Erfolgsgarant Thomas Middelhoff als Chef. Wenn einem so viel Gutes wird beschert, das ist noch mehr Middelhoffs wert.
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Ekkehard Schulz
Kann ja mal passieren. Das für ThyssenKrupp in Brasilien gebaute Stahlwerk kostet nicht 1,3, sondern 5,0 Milliarden Euro? Konnte ja keiner ahnen, dass die chinesischen Experten die zugehörige Kokerei so zusammenschludern würden. Dass die Investitionssumme womöglich so niedrig angesetzt war, um Aufsichtsratschef und Stahlskeptiker Gerhard Cromme zu überzeugen, würde von einiger Raffinesse zeugen – hätten wir von Ihnen gar nicht erwartet. Statt Hüttenzauber heißt es jetzt Feierabend: Auf Druck des Hügel-Herrn Berthold Beitz räumte Schulz seine Posten in Aufsichtsrat und Krupp-Stiftung.
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Joachim Hunold
Dass Joachim Hunold ein in der Wolle gefärbter Airliner ist, demonstrierte er bei seinem Abschied als Air-Berlin-Chef im August. Er ging mit Verspätung. Sicher: Mit Fleiß und einem untrüglichen Gespür für Marktlücken hat der fröhliche Rheinländer in 20 Jahren aus der kleinen Urlauberlinie Deutschlands zweitgrößte Airline und zwischenzeitlich Europas umsatzstärksten Billigflieger gemacht. Doch richtig Geld verdient hat Air Berlin zuletzt 2003. Aber das signalisierte keinen Veränderungsbedarf für Hunold oder seinen in der Branche „Friends of Achim“ genannten Verwaltungsrat. Denn schuld an der Misere waren aus deren Sicht immer die anderen: streikende Lotsen, ein qualmender isländischer Vulkan und der gierige Fiskus mit seiner Luftverkehrssteuer. Wenig Beachtung fand die Tatsache, dass An- und Verkaufstalent Hunold aus seinem Gebilde mit anderweitig unverkäuflichen Pleitekandidaten wie LTU keine funktionierende Einheit schmiedete. Zur Rettung angetreten ist jetzt mit Ex-Bahn-Chef Hartmut Mehdorn ein anderer Verspätungsexperte.
Bild: dapd
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