Es kommt auf den Unterschied zwischen Feedback und Kritik an. Kritik konzentriert sich auf Fehler und wertet ab - und das unabhängig davon, wie nett sie formuliert ist: „Sie haben das falsch gemacht“, „Das hätten Sie besser machen können“, „Sie sollten das im nächsten Jahr besser machen“ – alle drei Formulierungen enthalten den gleichen Vorwurf: „Das war schlecht.“ Selbst in "Ich glaube, das können Sie besser" schwingt das mit. Wer empfindlich ist, hört vielleicht sogar ein „Sie sind schlecht“ heraus. Eines bewirkt Kritik auf jeden Fall nicht: Sie motiviert nicht.
Anders als Feedback, bei dem es darum geht, Lösungen zu finden. Zum Beispiel: „Wir wollen im kommenden Jahr folgendes Ziel erreichen, was halten Sie davon, es auf diesem und jenem Weg zu versuchen?“. Um das richtig zu vermitteln, gehört auch die klassische Gesprächsführung auf den Prüfstand. Trost listet in seinem Buch klassische Tipps für das Mitarbeitergespräch aus der gängigen Coaching-Literatur auf:
Mitarbeitergespräche: Zehn Tipps für Arbeitgeber
Fordern Sie den Angestellten nicht spontan zum Gespräch, sondern kündigen Sie den Termin am besten mehrere Wochen vorher per E-Mail an. Um die Vorbereitung zu erleichtern, können Sie im Voraus einen Gesprächsleitfaden verschicken.
Faustregel: Nehmen Sie sich mindestens eine Stunde Zeit, eher mehr. Dann haben Sie genug Zeit für ungeplante Aspekte. Sorgen Sie außerdem für eine angenehme Gesprächsatmosphäre. Das Telefon schalten Sie aus, die Bürotür schließen Sie.
Was hat der Mitarbeiter im vergangenen Jahr erreicht? Wo hätte er noch besser abschneiden können? Solche Fragen sollten Sie sich vorab beantworten und notieren. So haben Sie für das Gespräch eine Struktur.
Setzen Sie sich nicht gegenüber, denn dann neigt man eher zur Konfrontation. Besser und entspannter: Am Tisch im 90-Grad-Winkel zu einander.
Zunächst geht es um eine Bilanz. Wie gut hat der Mitarbeiter seine Ziele der vergangenen zwölf Monate erfüllt? Vergessen Sie nicht, ihn dafür zu loben. Äußern Sie aber auch deutlich, womit Sie nicht zufrieden waren – ohne den Mitarbeiter bloßzustellen. Bleiben Sie deshalb unbedingt sachlich.
Sie müssen dem Mitarbeiter einerseits verdeutlichen, wohin sich das Unternehmen im kommenden Jahr entwickeln soll – und andererseits, was er selbst dazu beitragen kann. Wie lassen sich seine Stärken ausbauen, und zwar so, dass der Betrieb davon profitiert?
Was soll der Mitarbeiter leisten – und vor allem: bis wann? Konkrete, individuelle, messbare Ziele geben Orientierung und können die Motivation steigern.
Sie sollen keinen Monolog halten, der Mitarbeiter soll sich auch selbst äußern. Bitten Sie ihn deshalb um ein Urteil. Wie empfindet er die Zusammenarbeit mit Ihnen und seinen Kollegen?
Halten Sie den Inhalt des Gesprächs hinterher schriftlich fest. Das hilft sowohl Ihnen persönlich als auch dem Mitarbeiter. Fragen Sie dafür in der Personalabteilung nach einheitlichen Formularen.
Warten Sie nicht bis zum nächsten Gespräch ab. Je regelmäßiger Sie sich nach den Fortschritten erkundigen, desto eher erreicht der Mitarbeiter die Ziele. Und er realisiert: Das Jahresgespräch war keine Alibiveranstaltung.
Er fragt: Würden Sie ein Gespräch mit Ihrem Partner oder einem Freund auch so führen? Stellen Sie es sich nur einmal kurz vor: "Schatz, wie geht es dir heute? Nimm doch bitte Platz, ich möchte nun mit dir darüber sprechen, wohin wir im kommenden Jahr in den Urlaub fahren. Zuerst werde ich kurz erläutern, wie ich unseren diesjährigen Strandurlaub im Vergleich zu der Rucksacktour im letzten Jahr empfunden habe. Anschließend werde ich dir die von mir präferierten Reiseziele vorstellen und dich um deine Meinung bitten."
Das ist schon völlig absurd, auch ohne darauf zu achten, in welchem Winkel man zueinander am Tisch sitzt. Von einem Gespräch auf Augenhöhe kann hier keine Rede sein. Der Ranghöhere schickt seinem Untergebenen vorab den Gesprächsleitfaden, damit der sich eine Argumentation zurecht legen kann, die seines Vorgesetzten würdig ist. Doch ein Gespräch nach dem Schema "Ich fand unseren Strandurlaub zwar sehr entspannend, aber bei der Rucksacktour durch Thailand habe ich mehr erlebt. Meinst du, wir finden dieses Jahr etwas, wo sich baden und Abenteuer verknüpfen lassen?" scheinen im Unternehmensalltag nicht vorgesehen.
Die gängigen Tipps für Angestellte, die sich auf ein Jahresendgespräch vorbereiten wollen, lesen sich im Übrigen auch nicht besser. Allerdings bekommt man hier den Eindruck, der Mitarbeiter müsse sich selbst vor Gericht verteidigen.
Mitarbeitergespräche: Zehn Tipps für Arbeitnehmer
Legen Sie sich direkt vor und nach das Gespräch keine Termine, schon gar keine wichtigen. Bereiten Sie sich außerdem gründlich vor – im Optimalfall wie auf ein Vorstellungsgespräch.
Blicken Sie zurück auf die vergangenen zwölf Monate. Welche Aufgaben und Projekte haben Sie besonders gut gemeistert, was lief nicht so gut – und warum? Und: Wie können Sie es besser machen? Diese Fragen sollten Sie sich vor dem Gespräch beantworten. Notieren Sie sich die Antworten in Stichpunkten. Je besser Sie sich vorbereiten, umso souveräner treten Sie im Gespräch auf.
Im Gespräch wird Ihnen Ihr Vorgesetzter sagen, was Sie in den kommenden Monaten tun können. Nun sollten Sie dazu Ihre Meinung sagen. Halten Sie diese Ziele für realistisch? Falls Ihnen die Details nicht klar sind, haken Sie sofort nach. Das ist besser, als nach dem Gespräch ratlos zu sein.
Welche Projekte reizen Sie? Wie wollen Sie sich weiterbilden? Jede Führungskraft mag Mitarbeiter, die mitdenken. Überlegen Sie sich deshalb vorab eigene Ideen und sprechen Sie sie von sich aus an – bevor Ihr Chef Sie dazu auffordert. Natürlich sollten Sie gleichzeitig verdeutlichen, welche Rolle Sie dabei übernehmen.
Sie haben heikle Themen auf dem Herzen? Die gehören jetzt auf den Tisch. Wie so oft ist der Ton entscheidend. Kritik ist grundsätzlich in Ordnung, sie sollte aber konstruktiv erfolgen.
Wichtig: Das Mitarbeitergespräch ist keine Gehaltsverhandlung. Sie dürfen gerne um ihr Gehalt feilschen – bei einem separaten Termin. Tipp: Vereinbaren Sie den am Schluss des Jahresgesprächs.
Analysieren Sie die Unterredung direkt im Anschluss. Was lief gut, was schlecht? Machen Sie sich Notizen, sonst vergessen Sie wichtige Details – was Sie hinterher sicher bereuen.
Sie haben alle Punkte beachtet, sich gut vor- und sorgfältig nachbereitet? Trotzdem sind noch Fragen offen? Dann bitten Sie Ihren Chef um einen Termin für ein kurzes Nachgespräch.
Das Gesprächsprotokoll ist die Basis für Ihr nächstes Jahresgespräch. Lesen Sie sich die Details deshalb sorgsam durch. Falls Sie Details anders erinnern, sprechen Sie das direkt an.
Sie waren mit dem Gespräch zufrieden? Dann spricht alles für, genau das dem Chef mitzuteilen. Denn über positive Rückmeldung freut sich jeder, auch Führungskräfte.
Ein weiteres Problem der Mitarbeitergespräche ist laut Trost, dass sie viel zu überladen seien. In seinem Buch schreibt er, dass das jährliche Mitarbeitergespräch unter anderem dazu diene, Zielvereinbarung, Leistungsbeurteilung, Kompetenzeinschätzung, Potenzialbeurteilung, Vertrauensbindung, Entwicklungsplanung und die Einschätzung des Fluktuationsrisikos unter einen Hut zu bekommen. Wenn der Personaler also sagt: „Es ist wieder einmal Zeit, dem Müller zu sagen, was er für eine Pfeife ist, was er nächstes Jahr alles besser machen muss, welchen Sprachkurs er belegen kann und vergessen Sie nicht, sein Vertrauen zu gewinnen“, wird dabei vermutlich nicht viel herauskommen.