Mitarbeiterführung Warum Jahresendgespräche überflüssig sind

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Kritik greift an, Feedback motiviert

Es kommt auf den Unterschied zwischen Feedback und Kritik an. Kritik konzentriert sich auf Fehler und wertet ab - und das unabhängig davon, wie nett sie formuliert ist: „Sie haben das falsch gemacht“, „Das hätten Sie besser machen können“, „Sie sollten das im nächsten Jahr besser machen“ – alle drei Formulierungen enthalten den gleichen Vorwurf: „Das war schlecht.“ Selbst in "Ich glaube, das können Sie besser" schwingt das mit. Wer empfindlich ist, hört vielleicht sogar ein „Sie sind schlecht“ heraus. Eines bewirkt Kritik auf jeden Fall nicht: Sie motiviert nicht.

Anders als Feedback, bei dem es darum geht, Lösungen zu finden. Zum Beispiel: „Wir wollen im kommenden Jahr folgendes Ziel erreichen, was halten Sie davon, es auf diesem und jenem Weg zu versuchen?“. Um das richtig zu vermitteln, gehört auch die klassische Gesprächsführung auf den Prüfstand. Trost listet in seinem Buch klassische Tipps für das Mitarbeitergespräch aus der gängigen Coaching-Literatur auf:

Mitarbeitergespräche: Zehn Tipps für Arbeitgeber

Er fragt: Würden Sie ein Gespräch mit Ihrem Partner oder einem Freund auch so führen? Stellen Sie es sich nur einmal kurz vor: "Schatz, wie geht es dir heute? Nimm doch bitte Platz, ich möchte nun mit dir darüber sprechen, wohin wir im kommenden Jahr in den Urlaub fahren. Zuerst werde ich kurz erläutern, wie ich unseren diesjährigen Strandurlaub im Vergleich zu der Rucksacktour im letzten Jahr empfunden habe. Anschließend werde ich dir die von mir präferierten Reiseziele vorstellen und dich um deine Meinung bitten."

Das ist schon völlig absurd, auch ohne darauf zu achten, in welchem Winkel man zueinander am Tisch sitzt. Von einem Gespräch auf Augenhöhe kann hier keine Rede sein. Der Ranghöhere schickt seinem Untergebenen vorab den Gesprächsleitfaden, damit der sich eine Argumentation zurecht legen kann, die seines Vorgesetzten würdig ist. Doch ein Gespräch nach dem Schema "Ich fand unseren Strandurlaub zwar sehr entspannend, aber bei der Rucksacktour durch Thailand habe ich mehr erlebt. Meinst du, wir finden dieses Jahr etwas, wo sich baden und Abenteuer verknüpfen lassen?" scheinen im Unternehmensalltag nicht vorgesehen.

Die gängigen Tipps für Angestellte, die sich auf ein Jahresendgespräch vorbereiten wollen, lesen sich im Übrigen auch nicht besser. Allerdings bekommt man hier den Eindruck, der Mitarbeiter müsse sich selbst vor Gericht verteidigen.

Mitarbeitergespräche: Zehn Tipps für Arbeitnehmer

Ein weiteres Problem der Mitarbeitergespräche ist laut Trost, dass sie viel zu überladen seien. In seinem Buch schreibt er, dass das jährliche Mitarbeitergespräch unter anderem dazu diene, Zielvereinbarung, Leistungsbeurteilung, Kompetenzeinschätzung, Potenzialbeurteilung, Vertrauensbindung, Entwicklungsplanung und die Einschätzung des Fluktuationsrisikos unter einen Hut zu bekommen. Wenn der Personaler also sagt: „Es ist wieder einmal Zeit, dem Müller zu sagen, was er für eine Pfeife ist, was er nächstes Jahr alles besser machen muss, welchen Sprachkurs er belegen kann und vergessen Sie nicht, sein Vertrauen zu gewinnen“, wird dabei vermutlich nicht viel herauskommen.

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