Mittelständler Vetter Pharma "Wir sind vielleicht nicht hip, aber berechenbar"

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Kehrwoche im Reinraum


Auch in punkto Zukunftstrends sind die Schwaben entspannt. Vetter rechnet für sein Unternehmen mit drei großen Trends: steigende Nachfrage durch alternde Gesellschaften, mehr Biotechnologie und eine wachsende Nachfrage nach smarten Produkten. „Alles was wir tun, muss für den Patienten gut sein und muss ihm leicht fallen. So lange wir uns daran halten, ist mir nicht bang“, sagt Vetter. Außerdem sei das Portfolio des Unternehmens breit aufgestellt, was ihn nachts besser schlafen lasse. 124 Produkte verarbeitet der Zulieferer. Fällt ein Kunde weg, ist das kein Beinbruch.

Wachstum in Deutschland stößt an seine Grenzen

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings: In Deutschland stößt das Unternehmen bald an seine Wachstumsgrenzen. Viel mehr Menschen und Gebäude passen einfach nicht mehr nach Ravensburg. „Sie können ja nicht einfach in ihrem Wachstum stehen bleiben. Es gibt ja schließlich auch immer mehr Patienten“, sagt Vetter. Deshalb setzt die Unternehmensleitung auf die Wachstumspotenziale der Standorte in Asien und den USA. Eine Produktionsstätte in den USA können sich Sölkner und Vetter gut vorstellen, das Grundstück habe das Unternehmen vorsichtshalber schon mal gekauft.

Derzeit arbeiten in den USA 80 Menschen für Vetter, eine davon sei Schwäbin, die die Vetter-Mentalität nach Chicago gebracht habe, erzählt Sölkner. „Das ist nicht mit zwei Gesprächen getan, dafür braucht es regelmäßige Trainings und einen ständigen Austausch.“ Der sei aber keine Einbahnstraße. „Wir haben ganz viel aus den USA übernommen und von dort gelernt, beispielsweise testen wir manchmal neue interne Konzepte bewusst dort und führen sie im Kleinen ein, bevor wir sie an den deutschen Standorten ausrollen.“

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Asien sei dagegen als Markt noch weit weniger erschlossen. Nur rund zehn Prozent des Unternehmensumsatzes von rund einer halben Milliarde Euro machen die Ravensburger in Fernost. In Indien liege der Altersdurchschnitt derzeit bei 26 Jahren. Da sei die Nachfrage nach Medikamenten noch eher gering, wie Vetter sagt. Japan dagegen habe eine ganz ähnliche Altersstruktur wie Deutschland und eine entsprechend hohe Nachfrage. In China wiederum seien die Menschen im Schnitt noch zu jung, um Kunden von Vetters Kunden zu sein.

Nicht sexy, aber verlässlich

„In zehn Jahren sieht die Welt aber vielleicht schon wieder ganz anders aus. Für uns ist das okay, als Familienunternehmen denken wir langfristig“, sagt der Sohn des Firmengründers. „Das entspricht auch unserer internen Kultur: Wir wollen langfristige Mitarbeiter.“ Tatsächlich seien einige bereits 20, 30 oder 40 Jahre lang im Unternehmen. „Dieses Familienunternehmertum tragen wir wie eine Monstranz vor uns her.“

Auch Sölkner sagt, dass das Unternehmen nicht für Hire and Fire stehe, sondern dafür, ein verlässlicher Partner und Ausbildungsbetrieb zu sein. Auch in den USA. „Wir sind nicht München oder Frankfurt. Wir sind Oberschwaben.“ Vetter bezahle gut und pünktlich, werfe niemanden einfach so raus. Das Unternehmen ist vielleicht nicht hip, aber berechenbar.

Sterilität und Gründlichkeit sind das wichtigste im Labor. Quelle: Haas School


„Natürlich müssen auch wir uns anpassen und können nicht mehr so arbeiten, wie noch vor 50 Jahren“, sagt Sölkner. „Aber die oberschwäbische Mentalität der Kehrwoche schadet bei Reinraumtechnologie auch nicht.“

In Böttgers Refugium ein paar Meter weiter hat gerade einer der Laborleiter Kehrwoche. Er ist dafür verantwortlich, dass alle Notduschen und Abzüge funktionieren und alles an seinem Platz ist. Böttger schaut seinem Kollegen dabei zu, wie er die Schutzbrillen reinigt. „Das muss jeder mal machen“, sagt Böttger. Gründlichkeit gehört zum Job.

Und genau das sei es auch, was laut Geschäftsführer Sölkner den Unterschied mache. „Medikamente abfüllen und verschicken, das ist kein Alleinstellungsmerkmal. Reinräume haben andere auch und eine Abfüllanlage können sie sich irgendwo kaufen. Aber alles andere, das Know-how, die Beratung, die Gewissenhaftigkeit und vor allem die hohe Qualität, all das, das sind unsere Leute. Das sind wir.“

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