Mode und Persönlichkeit „Wenn man nur Trends folgt, geht das auf Kosten der Ausstrahlung“

Seriösität im Auftritt. Quelle: Getty Images

Kleidung sorgt unterschwellig für einen guten ersten Eindruck oder verhindert ihn. Stilexpertin Katharina Starlay verrät, wie das Outfit sofort Vertrauen weckt und warum Persönlichkeit beim seriösen Auftritt wichtig ist.

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Modedesignerin Katharina Starlay berät seit 2002 Unternehmen sowie Einzelpersonen in Stil- und Imagefragen. Die Buchautorin (unter anderem „Stilgeheimnisse: Die unschlagbaren Tricks und Kniffe für erfolgreiches Auftreten“) ist seit 2014 Mitglied im Deutschen Knigge-Rat.

WirtschaftsWoche: Frau Starlay, wie sehr kann man mit Kleidung unterschwellig Eindruck machen?
Katharina Starlay: Meines Erachtens sehr stark. Wir unterschätzen immer wieder, dass der erste Eindruck zu 50 Prozent optisch geprägt ist. Optisch bedeutet: Mimik, Gestik, Körpersprache und Kleidung. Das wird bei einer Begegnung in Bruchteilen von Sekunden wahrgenommen und entscheidet darüber, ob wir kaufen oder nicht. Wobei „kaufen“ auch heißen kann: Ich kaufe die Botschaft, die Absicht oder die Glaubwürdigkeit ab.

Was genau beinhaltet Seriosität überhaupt?
Seriosität leitet sich her von dem lateinischen Wort „seriositas“, dem Ernst. Man will damit die Ernsthaftigkeit der Absicht, die Ehrlichkeit vermitteln. Es geht um Haltung, Verbindlichkeit und Hierarchie. Wenn die Kleidung stimmt und mir Halt und Haltung gibt, dann nehme ich diese Haltung auch ein und das wirkt sich wiederum körpersprachlich aus. Das ist die unterschwellige Wirkung von Kleidung.

Mit Kleidung beeinflusst man also nicht nur das Gegenüber, sondern unbewusst auch sich selbst?
Auf alle Fälle. Kleidung retroreflektiert unser eigenes Empfinden. Wenn ich zum Beispiel heute mit Ihnen telefoniere, dann ist es selbstverständlich, dass ich geschminkt und frisiert bin und Schuhe anhabe. Ich muss vielleicht nicht einen Blazer tragen. Aber meine Haltung muss stimmen, weil die Stimme dann einfach anders ist.

Modedesignerin Katharina Starlay berät seit 2002 Unternehmen sowie Einzelpersonen in Stil- und Imagefragen. Fotografin: Antje Kern Quelle: PR

Also würden Sie auch Menschen im Homeoffice raten, zugunsten Ihrer Wirkung aus der Ferne auf die Kleidung zu achten?
Unbedingt. Ich arbeite seit 17 Jahren eigendiszipliniert von zu Hause aus, wenn ich nicht beim Kunden bin. Das braucht Symbole und das kann eben auch die Kleidung sein. Es darf durchaus bequem sein, gerade wenn man viel sitzt. Trotzdem kann man zur Jeans eine schicke Bluse anziehen.

Welche Grundregeln gibt es, um mit der Kleidung vertrauenswürdig zu erscheinen?
Wir können Seriosität unter anderem über die Flächenanteile der Farbgruppen regeln: Neutralfarben, Basisfarben und Akzentfarben. Wenn ich sehr konservativ/seriös wirken möchte, dann wähle ich einen überwiegenden Flächenanteil von Neutralfarben. Das sind die klassischen Herrenanzugfarben.

Welche Farben fallen darunter?
Schwarz, alle Grau- und Beigetöne, Marineblau und gebrochenes Weiß. Das sind Farben, die generell einen relativ geringen Wiedererkennungswert haben, weil sie vom Auge als neutral empfunden werden. Dann gibt es noch die Basisfarben. Das sind die mittleren Blautöne, die Rot- und die Grüntöne. Und dann sind da die Akzentfarben, das sind alle anderen, bunten Akzente, die auffällig sind und einen hohen Erinnerungswert haben. Sie werden klassischerweise in der Businesskleidung in einer kleinen Fläche getragen.

Gibt es bei der Zusammensetzung grobe Richtlinien, um unterschwellig seriös zu wirken?
Wenn man wirklich konservativ unterwegs sein möchte – das ist immer eine eigene Entscheidung – kann man die Faustregel  60 bis 70 Prozent Neutralfarben, 20 bis 30 Prozent Basisfarben und fünf bis zehn Prozent Akzentfarben anlegen. Aber wie gesagt: Wir können brechen, müssen uns dann nur bewusst sein, dass Andere sich daran erinnern, was wir anhatten.

Man könnte vermuten, dass bei Frauen das neutrale Farbspektrum etwas weiter gefasst ist als bei Männern.
Frauen kriegen mehr angeboten von der Mode, aber das ändert den Erinnerungswert nicht. Der spielt übrigens auch im Thema Nachhaltigkeit eine Rolle: Ein Kleiderschrank voll mit Eyecatchern muss automatisch mehr Kleidungsstücke enthalten als eine Garderobe, die durchdacht ist.

Der Erinnerungswert ist also ausschlaggebend dafür, wie sehr man hervorsticht, was sich wiederum auf den Eindruck von Seriosität auswirken kann?
Ich möchte da nicht falsch interpretiert werden. Was ich hier weitergebe, ist das Fachwissen. Je weniger Erinnerungswert der Kleidung ich möchte, desto neutraler sollten die Farben werden. Die Kleidungsstücke können trotzdem hochmodisch geschnitten und aus interessanten Stoffen sein. Sie können mit Haltung getragen werden. Man kann allein durch Hell-dunkel-Schattierungen in der Kleidung nur mit Neutralfarben eine interessante Erscheinung zaubern. Wir haben immer noch unendlich viele Möglichkeiten, um die Persönlichkeit zu betonen.

Welche Faktoren bestimmen noch, ob Bekleidung als seriös empfunden wird?
Die meisten Menschen nehmen Farben zuallererst wahr. Dann kommt die Passform. Die ist übrigens wichtiger als der Preis. Der teuerste Armani-Anzug bringt mir nichts, wenn er nicht sitzt. Bei Frauen gilt außerdem tatsächlich das Motto „je Blazer, desto Chef“. Damen unterschätzen die Wirkung von Elementen, die ihnen ein Format geben. Ein Blazer hat den unschlagbaren Vorteil: Er bedeckt die Oberarme, hat eine Schulterverarbeitung und einen Kragen. Das sind Dinge, die mich automatisch etwas größer wirken lassen im Sinne der Seriosität. An dritter Stelle folgt ein souveräner Stand und Gang, was in erster Linie mit den Schuhen zu tun hat.

Mark Zuckerberg trägt hartnäckig Jeans, Hoodie und Turnschuhe, was seiner Seriosität keinen Abbruch tut.
Die trägt er aber auch nicht, wenn er ins Weiße Haus geladen wird. Kleidung sollte anlassgerecht sein. Sorgfalt aber ist unabhängig davon, ob ich einen Hoodie oder einen Anzug trage. Beide können Qualität und  eine gute Passform haben, beide können aus einem guten Material sein. Stellen Sie sich aber vor, Ihnen steht jemand gegenüber, dessen Kleidung verrät, dass ihn Qualität nicht interessiert. Er will Ihnen hingegen erzählen, dass er ganz klasse und qualitätsvoll arbeiten kann. Das glauben Sie in dem Moment natürlich nicht.

Seriosität und Vertrauen sind für Sie also unmittelbar verbunden mit Authentizität?
Es gehört beides rein. Ich kaufe doch keinem ein Produkt oder eine Leistung ab, wenn ich ihm als Menschen nicht glaube. Der Kunde der Zukunft will Vertrauen haben dürfen. Um das herzustellen, habe ich nur wenige Bruchteile von Sekunden Zeit.

Also sollte ein seriös wirkender Kleidungsstil Platz lassen für Individualität?
Im Beruf sind heute Persönlichkeiten gefragt. Menschen mit einer Ausstrahlung, mit Charisma und Haltung. Die Geschäftswelt hat uns seit Jahrzehnten vorgelebt: je neutraler, desto besser, nimm dich zurück, nimm dich zurück. Jetzt kommen wir in eine andere Ära, in der mehr Persönlichkeit gefragt wird. Wir tragen vielleicht immer noch Anzug und Kostüm, aber mit mehr Farbe. Dafür sind wir vielleicht beim Schnitt nicht ganz so extravagant, um es ein bisschen ruhig zu halten. Das ganze Spiel der Mode wird häufig gar nicht ausgeschöpft. Wir laufen heutzutage viel zu sehr in freiwilligen Uniformierungen herum, die vom Trend vorgegeben werden.

Wie kann man da konkret gegensteuern?
Die Dinge, über die wir gesprochen haben, lassen unglaublich viel Spielraum. Ein Blazer kann so und ganz anders sein. Ein Herrenanzug im Geschäftsleben kann klassisch,  casual-leger, sportlich oder avantgardistisch sein – je nachdem, wie Schnitt und Styling sind. Man kann überlegen: Wo kann ich noch Farbe einbringen? Wenn in meiner Branche ein Rollkragenpullover und eine Jeans angesagt sind, dann kann ich auch da auf Qualität achten und beim Pulli eine typgerechte Farbe wählen und nicht irgendeine freiwillige Uniform, nur weil das gerade alle tragen. Stil und Mode sind zwei Paar Schuhe. Mode ist ein allgemeiner Trend und wenn ich dem folge, geht das automatisch auf Kosten meiner persönlichen Ausstrahlung. Wir werden wie gesagt als Persönlichkeiten immer mehr gebraucht werden. Nur so können wir authentisch auftreten.

Was raten sie jemandem, der künftig mehr auf die unterschwellige Wirkung seiner Kleidung im Beruf achten möchte?
Man kann sich mehr mit dem Thema Kleidung und Materialien und mit sich selbst auseinandersetzen. Kleidung geht buchstäblich an die Wäsche. Wenn man herausfindet „Wer bin ich überhaupt?“, dann entwickelt man ein stärkeres Gefühl dafür, was einem steht und einen gut aussehen lässt.

Aber wenn man unsicher ist, welche Farben einem stehen?
Ein Tipp wäre, sich Farben vorzuhalten und jemanden anderen oder sich selbst zu fragen: Was sehe ich zuerst – die Farbe oder das Gesicht? Man sollte immer zuerst das Gesicht sehen. Ein Kompliment lautet im Idealfall „Du sieht heute gut aus“ und nicht „Du hast heute einen tollen Pullover an“.

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