




Viele Unternehmen, die heute die Weltmärkte erobern, sind erfolgreich, weil sie ihre Zusammenarbeit moderner gestalten. Ihre Arbeitsweisen könnten auch anderswo segensreich wirken - wenn sie bekannter wären. Gemessen daran, was wir über eine leistungsfähige Arbeitskultur wissen könnten, organisieren wir uns im Arbeitsalltag meist kaum besser als in der Frühzeit der Industrialisierung. Schon merkwürdig. Denn es ist längst vielfach bekannt und wissenschaftlich bestens fundiert, was Menschen brauchen, um gerne viel zu leisten, und wie Führungskräfte begeisternde Zusammenarbeit fördern können.
Erstens sind Menschen von Natur aus motiviert, sinnvolle Aufgaben eigenverantwortlich anzugehen. Das heißt aber auch: Boni und Leistungsanreize sind meist wirkungslos und entwerten geradezu das angestrebte Ergebnis.
Zweitens finden Menschen in echter Gemeinschaft Schritt für Schritt viel leistungsfähigere Lösungen für komplexe Herausforderungen, als wenn nur wenige denken - und der Rest deren Pläne umsetzt.
Und drittens gilt: Wenn die Grundbedürfnisse gedeckt sind, engagieren Menschen sich auf Dauer viel intensiver für gemeinsame Anliegen als nur für persönliche Vorteile.
Wollen wir solche Erkenntnisse im Arbeitsalltag wirklich auf Dauer ignorieren? Nein, sagen immer mehr Unternehmen. Stattdessen suchen sie nach neuen Wegen der Zusammenarbeit, um zu führen und zu kommunizieren.
Die großen Karriere-Irrtümer
Viele ambitionierte Menschen verlassen sich auf logisch erscheinende Theorien, die nur auf Erfahrungen Einzelner basieren. Natürlich gibt es auch nützliches Erfahrungswissen, aber ohne psychologische Reflexion und systematische Aufbereitung bleibt es Einzelwissen.
Beim Mentoren-Prinzip fördern erfolgreiche Top-Manager ihre jüngeren, unerfahrenen Kollegen. Der Mentor will dem Mentee nach bestem Wissen und Gewissen sagen, „wo es lang geht“. Ist der Mentor gut, schrumpft das Wissensgefälle nach kurzer Zeit – und damit auch die Wichtigkeit des Mentors. Dieser wird dann oft wütend und eifersüchtig und ist versucht, die Karriere seines Schützlings zu hemmen.
Es ist eine verbreitete, aber falsche Annahme, dass Chefs offene und konstruktive Kritik benötigen, um besser zu werden. Denn diese wirkt sich oft desaströs auf die Karriere des Kritisierenden aus. Zumindest unbewusst will sich kein Chef Kritik anhören, schon gar nicht in seiner Position.
Es ist die Haltung des Gebens, die zum Erfolg und damit zur Karriere führt. Auch als unerfahrener Mitarbeiter kann man seinem Mentor etwas „geben“. Anstatt eine Beziehung zu seinem Mentor anzustreben, in der man nur selbst profitieren will, macht man seinem Vorbild Komplimente, zeigt seine Bewunderung und bittet um Rat und Hilfe.
Man muss nicht unbedingt mehr im Unternehmen arbeiten, wenn man höherwertige Positionen im Unternehmen erreicht. Top-Manager müssen vor allem die Verbindung zwischen der eigenen beruflichen und privaten Person intensivieren und als Persönlichkeit auf das Unternehmen wirken und dieses repräsentieren.
Karrieren hängen nicht von einzelnen Situationen ab, sondern entwickeln sich über einen langen Zeitraum. Bei Entscheidungen unter Zeitdruck ist es unerlässlich, innezuhalten. Je länger sie pausieren, ohne nachzudenken, umso unwahrscheinlicher ist eine Fehlentscheidung.
Talent ist zu vernachlässigen, wenn alle anderen Dimensionen für eine Karriere – wie das Streben nach höchstem Können und eine stabile Psyche – stimmen.
Die individuelle Karriere folgt keiner Normalverteilung. Für sie gibt es keine berechenbare Wahrscheinlichkeit. Die realen Einflussgrößen sind Widerstände und Krisen, die zu bestehen sind und an denen man wachsen kann.
Wer das System Karriere nicht durchschaut, hält die Erfolge seiner Karriere für Zufall. Es ist jedoch nicht Glück, sondern der autonomer Wille der Ambition – also harte Arbeit unter der Regie seiner Ziele.
Sie hinterfragen die bisherigen Grundwerte und Strukturen. Und sie wollen beweglicher werden. Innovativer. Authentischer. Menschlicher. Und damit letztendlich wettbewerbsfähiger und leistungsfähiger.
Es sind keinesfalls nur die exotischen "Start-Ups", "Apples" und "Googles" dieser Welt, die neue Wege gehen: Etwa ein börsennotierter Energiekonzern, der die Jahresbudgets abschafft. Ein großes führendes Ingenieurbüro, in dem die Mitarbeiter Jobtitel und Tätigkeit selber wählen. Ein mittelständischer Weltmarktführer, in dem die Führungskräfte die Arbeiter unterstützen statt umgekehrt. Ein Großkonzern, der aktiv den Mut zu heiklen Dialogen fördert.
Sie alle sind erfolgreich. Gerade weil sie so arbeiten, nicht trotzdem. Denn Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten fühlen sich bei ihnen wohl.
Ansteckende Beispiele
Solche Beispiele stecken an: Wer einmal in einer solchen Umgebung gespürt hat, was es bedeutet, sich entfalten und vertrauen zu können, statt in ständiger Absicherung, Fehlervermeidung, unternehmensinterner Politik und Dienst nach Vorschrift zu erstarren - der will nicht mehr zurück. Er will mehr. Mehr hinzulernen, den Weg stärken und weitergehen.
Jeder solche Weg der Veränderung ist individuell. Aber kein Unternehmen muss jeden seiner Schritte selbst neu erfinden. Längst sind in den Pionierunternehmen wiederholbare Muster erkennbar, die sich regelmäßig bewähren und damit auch an anderen Orten nützlich sein können.
Über den Autor
Ulf Brandes ist Gründer und Geschäftsführer der Beratung Brandes & Partners. In seinem neuen Buch "Management Y" erklärt er, wie Unternehmen fortschrittliche Organisationsmodelle in ihre Kultur aufnehmen können, um erfolgreicher zu werden.
Dazu gehört zum Beispiel Design Thinking, das Mitarbeiter unter anderem bei Audi, BMW, SAP, Telekom und der Swisscom systematisch dabei fördert, ernsthaft in die Gefühlswelt der Kunden einzutauchen. So entwickeln sie intuitiv Lösungen, die sie weit mehr begeistern als technische Raffinessen vom Reißbrett.
Oder agile Herangehensweisen wie Scrum, auf die jedes Jahr tausende Führungskräfte und Mitarbeiter geschult werden. Agile Organisationen tasten sich gemeinsam mit allen Beteiligten schrittweise an komplexe Lösungen und Endprodukte heran. Das ist besser, als wenn nur wenige planen und der Rest bloß umsetzt. Ein weiterer Vorteil: Egal ob Softwarekonzern oder Automobilzulieferer - sie sind wesentlich schneller, günstiger und vor allem marktnäher als mit klassischen, zentralistischen Planungsprozessen per Vorgabe und Lastenheft.