Der letzte Pinselstrich ist getan und Monika Wiederhold zufrieden mit dem Ergebnis: In vier gleich große Quadrate hat sie das Gemälde aufgeteilt, jedes geprägt von roten Kreisen unterschiedlicher Größe, platziert auf farblich unterschiedlichen Untergründen – mal in Orange-Rot gehalten, mal gelb, mal grün, mal blau dominiert.
Was auf den ersten Blick wie ein nettes, abstraktes Farbenspiel wirkt, ist Wiederholds Versuch, den Begriff Zeitmanagement auf Leinwand zu bannen. Die Managerin von Lufthansa Cargo malt seit mehr als zehn Jahren Bilder über eher ungewöhnliche Themen: Mathematische Theorien in Öl oder Acryl gehören zu ihren Werken ebenso wie ein Gemälde über Change Management. Titel des Gemäldes über den optimalen Umgang mit der Zeit: „Golfbälle im Bierglas.“
Inspiriert hat sie zu der Arbeit eine Anekdote, die ihr eine Freundin per E-Mail geschickt hatte und die sie immer wieder gerne erzählt: Ein Professor tritt vor seine Studenten und füllt wortlos Golfbälle in einen Krug. Der scheint schon voll zu sein, doch der Mann schüttet Kies dazu, rüttelt so lange, bis sich die Steinchen in die Lücken zwischen die Golfbälle verteilen. Dasselbe wiederholt er mit feinem Sand. Zum Schluss gießt er eine Dose Bier in den Krug. Was die Geschichte lehre? Nun, zwei Dinge: Erledige die großen, wichtigen Aufgaben immer zuerst und nutze die übrige Zeit für die kleineren, weniger dringenden Anliegen. Und zweitens: Ein Bier geht immer noch rein. Wiederhold lacht.
Abgesehen davon, dass sie lieber Wein als Bier trinkt: So wie auf ihrem Gemälde organisiert die zweifache Mutter seit Jahren ihren Alltag aus Arbeit, Familie – und der Kunst. „Meine Bilder entstehen nicht spontan“, sagt Wiederhold. „Ich feile lange am Konzept. Sobald das aber steht, setze ich es zügig um.“
In Freizeit wie im Beruf verbindet die studierte Mathematikern genau diese zwei scheinbar gegensätzlichen Welten – Analyse und Kreativität. „Das macht sie so besonders“, sagt der ehemalige Deutsche-Bank-Manager Bernd Wilken, der Wiederhold als junge Führungskraft gecoacht hat und seitdem Kontakt zu ihr hält.
Ihr Golfball-Projekt
Seit fast 20 Jahren arbeitet die 45-jährige Managerin für den Lufthansa-Konzern. Zuerst in der Netzplanung in Frankfurt, dann viereinhalb Jahre am Standort in Norderstedt nahe Hamburg und nun seit 2001 wieder im hessischen Hauptquartier. Hier verantwortete sie unter anderem die Einsatzpläne für 17.000 Crewmitglieder, später prägte sie als stellvertretende Leiterin die Konzernstrategie. Wiederholds Erfolgsrezept: „Wenn man seinen Job mit Leidenschaft macht, dann läuft es von alleine.“
Seit dem Spätsommer 2011 verantwortet sie bei Lufthansa Cargo unter anderem das Beschwerdemanagement sowie die Bereiche Innovation und Spezialtransporte, etwa von Tieren oder Medikamenten.
Golfball-Projekte
Eines ihrer großen Golfball-Projekte: der Aufbruch des Konzerns ins digitale Zeitalter. Zum Beispiel über einen Online-Konfigurator: Ähnlich wie auf den Web-Seiten der Automobilhersteller sollen Kunden des Logistikunternehmens künftig ihren Transport zusammenstellen können wie bei einem Baukasten. Muss die Ware gekühlt werden? Wie schnell müssen die Güter am Zielort sein? Soll der Transport kameraüberwacht sein?
Um Antworten auf diese und andere Fragen zu erhalten, legt Wiederhold Wert auf den Austausch mit Kunden, organisiert zweimal jährlich ein Innovationsforum. Diskutiert die laufende Zusammenarbeit und vereinbart Projekte, um die Kooperation zu verbessern. Mit Unternehmen aus dem Anlagenbau etwa suchen sie und ihr Team derzeit nach Wegen, wie bei einem Notfall in einer Fabrik Ingenieure der Anlagenbauer mit Ersatzteilen noch schneller an den Ort des Geschehens kommen.
„Monika Wiederhold ist blitzgescheit“, sagt Ex-Mentor Wilken.
Und das nicht nur auf einem Gebiet: Schon in der Schule wollte sie am liebsten kein Fach abwählen. „Ich hätte gerne etwas mit Sprachen studiert, hatte aber auch einen Studienplatz für Architektur in Darmstadt sicher und zwischendurch sogar mit Maschinenbau und Atomphysik geliebäugelt“, erinnert sich die Managerin an die Phase nach dem Abitur. Schließlich entscheidet sie sich fürs Mathematik-Studium – warum auch nicht, wenn man das Abitur in diesem Fach mit Höchstpunktzahl besteht?
„Über die Jahre hat sie sich auf ihre Stärken fokussiert“, lobt Wilken. „Sie kann blitzschnell komplexe Zusammenhänge zu einer Idee verknüpfen und verschiedene Perspektiven einnehmen.“
Dazu nutzt sie auch ihre unterschiedlichen Mandate. Ob als Mitglied im Kundenbeirat der Commerzbank, wo sie zweieinhalb Jahre beobachten konnte, wie die Bank ihre Kunden miteinbezieht oder die Übernahme der Dresdner Bank managt. Oder als Aufsichtsrätin beim Airmail Center Frankfurt, an dem ihr Arbeitgeber neben Deutscher Post und Fraport beteiligt ist.
„Als Managerin muss ich Entscheidungen fällen und das Unternehmen voranbringen. Im Aufsichtsrat muss ich mich mit meinem Umsetzungsdrang zurückhalten, schließlich geht es dabei um Aufsicht und Rat“, beschreibt Wiederhold den Reiz der zusätzlichen Aufgabe.
Eine dritte Perspektive eröffnet sich Wiederhold als Mentorin von Nachwuchskräften. Mit ihnen bespricht sie nämlich nicht nur deren Fragen, sondern fordert auch Impulse für sich ein. „Die Meinung einer anderen Generation ist mir sehr wichtig“, sagt Wiederhold, „vor allem in Fragen zur Digitalisierung.“
Das gilt auch zu Hause, wenn sie mit ihrer kleinen Tochter Geisterfigürchen produziert – an ihrem privaten 3-D-Drucker.