Wie kann man die Zusammenarbeit fördern? Eher durch Zuckerbrot oder durch die Peitsche? Diese Frage ist vermutlich so alt wie die Geschichte des Menschen als soziales Wesen. Tatsuya Sasaki, Mathematiker der Universität Wien, und Ulf Dieckmann vom "International Institute for Applied Systems Analysis" (IIASA) wollen mit Hilfe der evolutionären Spieltheorie nun eine eindeutige Antwort gefunden haben. Am besten sei es, so das Fazit ihrer im "Journal of the Royal Society Interface" veröffentlichten Untersuchung, erst mit Belohnungen zu locken - und danach mit Hilfe von Strafen Druck auszuüben.
Frühere Studien betrachteten die Wirkung der beiden Motivationsmechanismen nur isoliert. Nun haben Dieckmann und Sasaki mit Hilfe der evolutionären Spieltheorie untersucht, wie sich eine kombinierte Anwendung der beiden Faktoren auswirkt. Dabei spielten die Forscher ihre Szenarien verschiedener Anreize oder Drohungen mit Modellgruppen unterschiedlicher Größen unter Bedingungen einer Evolution durch.
Die Frage war also, welche Methode sich im Wettbewerb langfristig gegenüber den anderen durchsetzen kann. Und dies war in dem theoretischen Modell eindeutig ein adaptives System. Also eines, das nicht starr allein auf Belohnung oder Strafen setzt, sondern beide aufeinander abstimmt.
Dabei wurde deutlich, dass eine optimale Strategie damit beginnt, die gut mitarbeitenden Akteure zu belohnen. Erst wenn ein Großteil der Akteure innerhalb der Gruppe auf diese Weise zur Mitarbeit bewegt wurde, sollte sich die Autorität zur Bestrafung der verbliebenen Übeltäter übergehen.
Wohlgemerkt: Spieltheoretische Untersuchungen beruhen nicht auf dem beobachteten Verhalten wirklicher Menschen, sondern auf der Modellierung des angenommenen Verhaltens rationaler, nutzenmaximierender Akteure. Dennoch misst man solchen Gedankenexperimenten große Bedeutung bei, solange es um Fragen nach konkreten menschlichen Entscheidungen geht, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden können.
Die Forscher selbst sind überzeugt, dass ihre Ergebnisse auf viele Situationen des wahren Lebens anwendbar sind. Nicht zuletzt auf Schulklassen. Die von manchen Fachleuten bisher favorisierte Methode, nicht auf Autorität, sondern auf Sanktionen eines Schülers gegen einen anderen zu setzten, sei keine perfekte Lösung für solche Situationen.
"Wenn ein Schüler den anderen ermahnt, wirkt das einfach nicht als entscheidender Mechanismus, um eine Klasse ruhig zu stellen", sagt Dieckmann. "Im wahren Leben, zum Beispiel in unbeherrschten Schulklassen, wird die Mitarbeit üblicherweise durch die Autorität des Lehrers gefördert, der positive oder negative Anreize gibt."
Das siegreiche Anreizsystem funktioniere wie ein Hybridmotor, vergleicht Sasaki. "Je nach Situation wird zwischen verschiedenen Antriebsmechanismen gewechselt. Wir konnten mit der vorliegenden Arbeit aufzeigen, wie die Anreizdynamik des wirkungsvollen Prinzips ‚erst Zuckerbrot, dann Peitsche‘ weiter verfeinert und optimiert werden kann", sagt Sasaki.
Ein weiteres Feld der Anwendung sei zum Beispiel die Implementierung umweltpolitischer Maßnahmen. "Theoretisch ist es nach unseren Berechnungen sinnvoller, eine kooperierende Minderheit für ihre Anstrengungen zu belohnen, als eine egoistische Mehrheit zu bestrafen. Umgekehrt verhält es sich, wenn bereits eine Mehrheit der Bevölkerung kooperiert. Dann wird es vergleichsweise einfacher, die wenigen, die abweichen, zu sanktionieren", so Sasaki.