Nachhaltigkeit ist ein Imagefaktor. Grün und engagiert zieht bei Verbrauchern und Stakeholdern genauso wie bei potentiellen Bewerbern. Deshalb zahlt es sich auch finanziell aus, sich mit dem Begriff zu schmücken, wie hinlänglich bewiesen wurde. Kein Wunder, dass sich die deutschen Unternehmen zunehmend um Nachhaltigkeit in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales.
Wie erfolgreich die deutschen Mittelständler damit sind und wo Nachholbedarf besteht, haben die Beratungsgesellschaft Baker Tilly und die Technische Universität Dortmund untersucht. Für ihre Studie zur Verantwortung eines Unternehmens gegenüber der Gesellschaft, also Corporate Social Responsibility oder kurz CSR, haben sie 229 mittelständische Unternehmen zu ihrem Nachhaltigkeits-Engagement befragt.
Die Ergebnisse: 74 Prozent der Befragten haben sich bereits mit Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. 80 Prozent glauben, dass es sehr wichtig ist, diesen Aspekt der Unternehmensführung auch irgendwie in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Allerdings hat erst jedes zweite Unternehmen auch eine Strategie, wie es Nachhaltigkeit definiert und wie die sich in die Unternehmensführung integrieren lässt.
Das verstehen die Deutschen unter Nachhaltigkeit
Die Initiative Deutschlandsiegel fragte zwischen dem 30. April und 21. Mai 2016 1000 Bundesbürger aus Berlin, Düsseldorf, Hamburg und München zwischen 15 und 75 Jahren, was sie mit dem Begriff "Nachhaltigkeit" verbinden.
...der Befragten denken bei "Nachhaltigkeit" an "faire Arbeitsbedingungen".
...verbinden "Nachhaltigkeit" mit dem Kauf regionaler Produkte.
...hatten andere/weitere Assoziationen zu dem Thema.
...sind der Meinung, "Nachhaltigkeit" habe etwas mit Müllvermeidung und Recycling zu tun.
...der Umfrageteilnehmer verbanden Umweltschutz mit "Nachhaltigkeit".
...assoziierten "Nachhaltigkeit" mit der Schonung von Ressourcen.
...denken bei "Nachhaltigkeit" vor allem ans Stromsparen.
Die Finanzierung von Projekten ist dabei gar nicht das Problem, wie die Studie zeigt. 28 Prozent der Befragten haben sogar ein eigenes Budget für ihre CSR-Maßnahmen. Bei 70 Prozent wird das Geld aus anderen Töpfen verwendet. Das bedeutet: Wurden gerade neue Schreibtische für die Buchhaltung bestellt, ist für das geplante Wasserschutzprojekt kein Geld mehr da.
Auch seien die Aktivitäten oftmals sehr unstrukturiert. Die Personalabteilung organisiert den ehrenamtlichen Einsatz beim Sommerfest des Kindergartens, die Marketingabteilung bewirbt eine Aufforstungsaktion im örtlichen Naturschutzgebiet. An einer Koordination aller Aktionen und Plänen fehlt es - offenbar aus Personalmangel und Zeitknappheit. Nur zehn Prozent der Befragten haben eine eigene Abteilung für derartige Themen, beim großen Rest kümmert sich die Personalabteilung oder das Marketing nebenbei darum.
Knapp zusammengefasst: „Die meisten mittelständischen Unternehmen wollen – können aber nicht“, sagt Martin Weinand, Partner bei Baker Tilly und Co-Autor der Studie. „Die Erklärung dieses Phänomens ist in unseren Augen auch gleich der Lösungsansatz: Es fehlt die verbindliche Orientierung, so wie sie in anderen Unternehmensbereichen vorgegeben ist, wo es primär und unmittelbar um Profitabilität geht.“
CSR-Berichte werden nicht überprüft
„Grundsätzlich zeigen die Ergebnisse der Studie jedoch, dass die befragten Unternehmen bereits zahlreiche CSR-Maßnahmen umsetzen und in den Bereichen Gesellschaft, Mitarbeiter und Umwelt sehr aktiv sind“, heißt es in der Studie. Sie seien stark in ihrem Umfeld verwurzelt und engagieren sich dort. Von den Kunden wird das laut Untersuchung in der Regel auch positiv aufgenommen. Bei Konzernen werde dagegen dasselbe Engagement, „schon mal mit Greenwashing in Verbindung gebracht“. Allerdings müssen die Konzerne zumindest Buch darüber führen, wie ihr Engagement konkret aussieht - das müssen Mittelständler nicht. Doch ist diese seit Januar 2017 geltende Verpflichtung der börsennotierte Unternehmen, einen CSR-Bericht zu schreiben, nur gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Denn anders als bei der Bilanzierung findet beim CSR-Bericht keine inhaltliche Prüfung statt. Der Bericht ist also im Zweifelsfall das chlorfrei gebleichte Papier nicht wert, auf dem er steht.
Trotzdem wird Nachhaltigkeit und die Dokumentation der Aktivitäten auch für immer mehr Mittelständler Pflicht, wie Christiane Pott von der TU Dortmund und Co-Autorin der Studie, sagt. „Zwar stehen aktuell vor allem Großunternehmen im Fokus der CSR-Debatte, nichtsdestotrotz können die aktuell voranschreitenden gesetzlichen Verschärfungen zur verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung für Großunternehmen durchaus auch eine Ausstrahlwirkung auf den Mittelstand entfalten. Schließlich handelt es sich bei mittelständischen Unternehmen oftmals um Zulieferer von Großkonzernen, die von ihren Partnerunternehmen eine Ausweitung der CSR-Informationen verlangen können.“
Deshalb rät Pott mittelständischen Unternehmen dazu, sich vor allem um eine bessere Kommunikation des Engagements zu bemühen. Sie rät Unternehmen, einen Blick in standardisierte Rahmenwerke wie zum Beispiel die GRI Richtlinien oder die Leitsätze des UN Global Compact zur Berichterstattung und Kommunikation zu werfen. „Auch für den Mittelstand wären diese Rahmenkonzepte durchaus zu empfehlen“, so Pott.
Wie sich in fünf Schritten die richtige CSR-Strategie entwickeln lässt
Fragen Sie sich, wofür Ihr Unternehmen stehen soll. Entwickeln Sie eine Mission und ein konkretes Ziel – zum Beispiel, innerhalb der kommenden 15 Jahre CO2-frei zu produzieren. Denken Sie dabei in großen Schritten, und werden Sie sich vorher über die eigene Motivation klar. Das ist die Basis einer erfolgreichen CSR-Strategie.
Analysieren Sie Ihre unternehmerischen Stärken und Schwächen. CSR-Maßnahmen müssen zum Geschäft passen. Wenn Ihr Unternehmen zum Beispiel vom Fachkräftemangel bedroht ist, könnten Aktivitäten in der Talentförderung sinnvoll sein. Untersuchen Sie nicht nur Ihr eigenes Unternehmen, sondern auch den Markt, schauen Sie, was die Konkurrenz und Ihre Kunden machen.
Entwickeln Sie Konzepte nicht allein, sondern mithilfe Ihrer Stakeholder. Ihr Unternehmen kann von Außenansichten profitieren. Ein Kunde kann am besten erklären, was er von Ihren Produkten erwartet. Gehen Sie auf die Anmerkungen ein, und nutzen Sie sie für sich.
Achten Sie bei der Umsetzung darauf, dass Ihre Ziele klar formuliert sind. Nicht alles, was Sie sich vornehmen, wird sofort umsetzbar sein. Setzen Sie Zwischenziele, das motiviert die Mitarbeiter und schützt vor Frust. Wenn Sie zum Beispiel in den kommenden 15 Jahren CO2-frei produzieren wollen, versuchen Sie im ersten Schritt, in den nächsten fünf Jahren den CO2-Ausstoß um 30 Prozent zu senken.
Überprüfen Sie Ziele und Zwischenziele regelmäßig. Nur so können Sie nachvollziehen, ob die Veränderungen sinnvoll waren oder ob einige Ziele nachjustiert oder völlig neu ausgerichtet werden müssen. Vergessen Sie dabei nicht, Erfolge auch zu kommunizieren.
Durch die ausführliche Berichterstattung könnten die Ziele im Bereich Nachhaltigkeit außerdem besser definiert und im Nachhinein evaluiert werden. „Dies erleichtert nicht nur die Erfolgskontrolle. Auch die Einbeziehung von CSR-Themen in die gesamte Unternehmensstrategie lässt sich hiermit deutlich einfacher gestalten. Auf diese Weise ist das Reporting der entscheidende Schlüssel für mehr nachhaltiges Wirtschaften insgesamt“, resümiert sie. Und potentielle Geschäftspartner aus dem Dax sehen auf den ersten Blick, ob sich eine Partnerschaft auch im eigenen CSR-Bericht gut macht. Im Zweifelsfall bekommt der den Zuschlag, der die grünere Weste hat.
Das Motto für den Mittelstand muss also lauten: Tue Gutes und rede darüber beziehungsweise schreibe es in deinen Nachhaltigkeitsbericht. Dann könne Nachhaltigkeit auch "zu einem festen und verbindlichen Bestandteil der Unternehmensphilosophie werden", wie Pott sagt.