Nachhaltigkeit im Mittelstand "Die Unternehmen wollen – können aber nicht"

Nachhaltigkeit ist ein Wirtschaftsfaktor – und gut fürs Image ist es auch. Der Mittelstand ist in den Punkten Ökologie, Ökonomie und Soziales entsprechend gut aufgestellt. Eine Strategie hat aber nur die Hälfte.

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Nachhaltigkeit: Deutschen Mittelständlern fehlt Orientierung. Quelle: obs

Nachhaltigkeit ist ein Imagefaktor. Grün und engagiert zieht bei Verbrauchern und Stakeholdern genauso wie bei potentiellen Bewerbern. Deshalb zahlt es sich auch finanziell aus, sich mit dem Begriff zu schmücken, wie hinlänglich bewiesen wurde. Kein Wunder, dass sich die deutschen Unternehmen zunehmend um Nachhaltigkeit in den Bereichen Ökonomie, Ökologie und Soziales.

Wie erfolgreich die deutschen Mittelständler damit sind und wo Nachholbedarf besteht, haben die Beratungsgesellschaft Baker Tilly und die Technische Universität Dortmund untersucht. Für ihre Studie zur Verantwortung eines Unternehmens gegenüber der Gesellschaft, also Corporate Social Responsibility oder kurz CSR, haben sie 229 mittelständische Unternehmen zu ihrem Nachhaltigkeits-Engagement befragt.

Die Ergebnisse: 74 Prozent der Befragten haben sich bereits mit Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. 80 Prozent glauben, dass es sehr wichtig ist, diesen Aspekt der Unternehmensführung auch irgendwie in die Unternehmensstrategie zu integrieren. Allerdings hat erst jedes zweite Unternehmen auch eine Strategie, wie es Nachhaltigkeit definiert und wie die sich in die Unternehmensführung integrieren lässt.

Das verstehen die Deutschen unter Nachhaltigkeit

Die Finanzierung von Projekten ist dabei gar nicht das Problem, wie die Studie zeigt. 28 Prozent der Befragten haben sogar ein eigenes Budget für ihre CSR-Maßnahmen. Bei 70 Prozent wird das Geld aus anderen Töpfen verwendet. Das bedeutet: Wurden gerade neue Schreibtische für die Buchhaltung bestellt, ist für das geplante Wasserschutzprojekt kein Geld mehr da.

Auch seien die Aktivitäten oftmals sehr unstrukturiert. Die Personalabteilung organisiert den ehrenamtlichen Einsatz beim Sommerfest des Kindergartens, die Marketingabteilung bewirbt eine Aufforstungsaktion im örtlichen Naturschutzgebiet. An einer Koordination aller Aktionen und Plänen fehlt es - offenbar aus Personalmangel und Zeitknappheit. Nur zehn Prozent der Befragten haben eine eigene Abteilung für derartige Themen, beim großen Rest kümmert sich die Personalabteilung oder das Marketing nebenbei darum.

Knapp zusammengefasst: „Die meisten mittelständischen Unternehmen wollen – können aber nicht“, sagt Martin Weinand, Partner bei Baker Tilly und Co-Autor der Studie. „Die Erklärung dieses Phänomens ist in unseren Augen auch gleich der Lösungsansatz: Es fehlt die verbindliche Orientierung, so wie sie in anderen Unternehmensbereichen vorgegeben ist, wo es primär und unmittelbar um Profitabilität geht.“

CSR-Berichte werden nicht überprüft

„Grundsätzlich zeigen die Ergebnisse der Studie jedoch, dass die befragten Unternehmen bereits zahlreiche CSR-Maßnahmen umsetzen und in den Bereichen Gesellschaft, Mitarbeiter und Umwelt sehr aktiv sind“, heißt es in der Studie. Sie seien stark in ihrem Umfeld verwurzelt und engagieren sich dort. Von den Kunden wird das laut Untersuchung in der Regel auch positiv aufgenommen. Bei Konzernen werde dagegen dasselbe Engagement, „schon mal mit Greenwashing in Verbindung gebracht“. Allerdings müssen die Konzerne zumindest Buch darüber führen, wie ihr Engagement konkret aussieht - das müssen Mittelständler nicht. Doch ist diese seit Januar 2017 geltende Verpflichtung der börsennotierte Unternehmen, einen CSR-Bericht zu schreiben, nur gut gemeint, aber nicht gut gemacht. Denn anders als bei der Bilanzierung findet beim CSR-Bericht keine inhaltliche Prüfung statt. Der Bericht ist also im Zweifelsfall das chlorfrei gebleichte Papier nicht wert, auf dem er steht.

Trotzdem wird Nachhaltigkeit und die Dokumentation der Aktivitäten auch für immer mehr Mittelständler Pflicht, wie Christiane Pott von der TU Dortmund und Co-Autorin der Studie, sagt. „Zwar stehen aktuell vor allem Großunternehmen im Fokus der CSR-Debatte, nichtsdestotrotz können die aktuell voranschreitenden gesetzlichen Verschärfungen zur verpflichtenden Nachhaltigkeitsberichterstattung für Großunternehmen durchaus auch eine Ausstrahlwirkung auf den Mittelstand entfalten. Schließlich handelt es sich bei mittelständischen Unternehmen oftmals um Zulieferer von Großkonzernen, die von ihren Partnerunternehmen eine Ausweitung der CSR-Informationen verlangen können.“

Deshalb rät Pott mittelständischen Unternehmen dazu, sich vor allem um eine bessere Kommunikation des Engagements zu bemühen. Sie rät Unternehmen, einen Blick in standardisierte Rahmenwerke wie zum Beispiel die GRI Richtlinien oder die Leitsätze des UN Global Compact zur Berichterstattung und Kommunikation zu werfen. „Auch für den Mittelstand wären diese Rahmenkonzepte durchaus zu empfehlen“, so Pott.

Wie sich in fünf Schritten die richtige CSR-Strategie entwickeln lässt

Durch die ausführliche Berichterstattung könnten die Ziele im Bereich Nachhaltigkeit außerdem besser definiert und im Nachhinein evaluiert werden. „Dies erleichtert nicht nur die Erfolgskontrolle. Auch die Einbeziehung von CSR-Themen in die gesamte Unternehmensstrategie lässt sich hiermit deutlich einfacher gestalten. Auf diese Weise ist das Reporting der entscheidende Schlüssel für mehr nachhaltiges Wirtschaften insgesamt“, resümiert sie. Und potentielle Geschäftspartner aus dem Dax sehen auf den ersten Blick, ob sich eine Partnerschaft auch im eigenen CSR-Bericht gut macht. Im Zweifelsfall bekommt der den Zuschlag, der die grünere Weste hat.

Das Motto für den Mittelstand muss also lauten: Tue Gutes und rede darüber beziehungsweise schreibe es in deinen Nachhaltigkeitsbericht. Dann könne Nachhaltigkeit auch "zu einem festen und verbindlichen Bestandteil der Unternehmensphilosophie werden", wie Pott sagt.

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