Nun ist es amtlich: Deutsche Unternehmen haben große Mühe damit, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten vielfach formulierten Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Eine Studie von Stifterverband und der Kinderhilfsorganisation Plan International mahnte in dieser Woche, wegen der mangelnden Zusammenarbeit deutscher Unternehmen mit internationalen Nichtregierungsorganisationen könne sogar die Deutsche Nachhaltigkeitsstrategie gefährdet sein, die wiederum an die Entwicklungsziele der Vereinten Nationen bis 2030 geknüpft ist.
Zwar engagieren sich nahezu alle deutschen Unternehmen gesellschaftlich – die meisten der Studie zufolge jedoch lokal oder regional. Nur knapp jedes zehnte Unternehmen ist auch oder vorwiegend auf europäischer oder internationaler Ebene engagiert. Nun ist es zwar kein Mangel, wenn sich ein Unternehmen sozial in seiner Region engagiert. Doch die Wirtschaft des Exportweltmeisters basiert auf Handelsbeziehungen in der ganzen Welt. Die deutsche Nachhaltigkeitsstrategie – vor zwei Jahren in Kraft getreten – enthält folgerichtig das Versprechen, nicht nur ein bisschen nachhaltiger zu wirtschaften, sondern Vorbild für andere sein zu wollen und zu vermeiden, dass Menschen anderswo auf der Welt durch den deutschen Wohlstand Nachteile erfahren.
Seit dem Geschäftsjahr 2017 sind Unternehmen mit mehr als 500 Mitarbeitern verpflichtet, in ihrem Geschäftsbericht auf ihre Nachhaltigkeitsbemühungen einzugehen. Konkret bedeutet das, Lieferketten offenzulegen und Auswirkungen der Produktion auf Arbeiter und Umwelt darzulegen.
Kai Beckmann vom Prüfungs- und Beratungsunternehmen Mazars unterstützt Unternehmen dabei, die für sie richtige Nachhaltigkeitsstrategie zu finden. Er sieht vor allem bei jenen Unternehmen großen Nachholbedarf, die bislang nicht berichtspflichtig sind, das heißt, keine Rechenschaft etwa über ihre Lieferketten abgeben müssen. Während börsennotierte Unternehmen einen jährlichen Nachhaltigkeitsbericht schreiben müssen, gilt diese Pflicht für die weit größere Zahl von Mittelständlern nicht. Allerdings kommen sie zunehmend in Zugzwang – eine Folge des CSR-Richtlinienumsetzungsgesetzes.
Beckmann sieht das seinerzeit von ebendiesen Mittelständlern und nicht-börsennotierten Unternehmen scharf kritisierte Gesetz positiv: „Die meisten Unternehmen haben entweder selbst globale Lieferketten oder sind als Zulieferer größerer Konzerne tätig. Das führt zu einem Dominoeffekt durch das Gesetz, das dadurch eine weit größere Wirkung hat als gedacht.“ Wie aber als kleines Unternehmen wieder die Oberhand gewinnen und nicht nur irgendwie – womöglich nur fürs Papier – die Richtlinien erfüllen, um dem Gesetz zu genügen?
Wie sich in fünf Schritten die richtige CSR-Strategie entwickeln lässt
Fragen Sie sich, wofür Ihr Unternehmen stehen soll. Entwickeln Sie eine Mission und ein konkretes Ziel – zum Beispiel, innerhalb der kommenden 15 Jahre CO2-frei zu produzieren. Denken Sie dabei in großen Schritten, und werden Sie sich vorher über die eigene Motivation klar. Das ist die Basis einer erfolgreichen CSR-Strategie.
Analysieren Sie Ihre unternehmerischen Stärken und Schwächen. CSR-Maßnahmen müssen zum Geschäft passen. Wenn Ihr Unternehmen zum Beispiel vom Fachkräftemangel bedroht ist, könnten Aktivitäten in der Talentförderung sinnvoll sein. Untersuchen Sie nicht nur Ihr eigenes Unternehmen, sondern auch den Markt, schauen Sie, was die Konkurrenz und Ihre Kunden machen.
Entwickeln Sie Konzepte nicht allein, sondern mithilfe Ihrer Stakeholder. Ihr Unternehmen kann von Außenansichten profitieren. Ein Kunde kann am besten erklären, was er von Ihren Produkten erwartet. Gehen Sie auf die Anmerkungen ein, und nutzen Sie sie für sich.
Achten Sie bei der Umsetzung darauf, dass Ihre Ziele klar formuliert sind. Nicht alles, was Sie sich vornehmen, wird sofort umsetzbar sein. Setzen Sie Zwischenziele, das motiviert die Mitarbeiter und schützt vor Frust. Wenn Sie zum Beispiel in den kommenden 15 Jahren CO2-frei produzieren wollen, versuchen Sie im ersten Schritt, in den nächsten fünf Jahren den CO2-Ausstoß um 30 Prozent zu senken.
Überprüfen Sie Ziele und Zwischenziele regelmäßig. Nur so können Sie nachvollziehen, ob die Veränderungen sinnvoll waren oder ob einige Ziele nachjustiert oder völlig neu ausgerichtet werden müssen. Vergessen Sie dabei nicht, Erfolge auch zu kommunizieren.
Das Hinterherhecheln zu vermeiden ist laut Beckmann eine der wichtigsten Aufgaben bei der Entwicklung einer Nachhaltigkeitsstrategie für ein Unternehmen. „Das CSR-Richtlinienumsetzungsgesetz hat zum ersten Mal in Deutschland festgelegt, dass ein Unternehmen auch eine Verantwortung für die Auswirkungen des unternehmerischen Handelns – etwa im Zusammenhang mit Umweltschutz oder der Einhaltung von Menschenrechten – hat“, sagt der Berater. Anstatt auf mögliche negative Effekte durch nachhaltiges Verhalten auf das Unternehmen zu schauen, gehe die Verpflichtung nun in die umgekehrte Perspektive: „Jetzt sagt das Gesetz: Unternehmer müssen im Blick haben, welche Auswirkungen ihr unternehmerisches Handeln innerhalb der Lieferkette hat, im Idealfall vom Abbau der Rohstoffe bis in die Produktionsstätten der Zulieferer. Das ist komplett neu und eine große Veränderung.“ Das Problem sei, dass Unternehmen ihre Lieferketten oft gar nicht so detailliert kennen.
Wichtig sei, Nachhaltigkeit nicht als Aufgabe einer einzelnen Abteilung zu sehen. „Das Thema gehört in die Kernprozesse eines Unternehmens“, sagt Beckmann. „Der Zeitpunkt, ab dem Nachhaltigkeit richtig verstanden und in die Managementsysteme integriert wird, ist für Unternehmen der Startpunkt, ab dem sie Vorteile auch nutzen können und nicht nur Vorgaben erfüllen.“