Namen in der Personalsuche Welche Namen eher negativ bewertet werden – und warum Adelstitel helfen

Bewerber, Personal Quelle: imago images

Konzerne wollen mehr Vielfalt in ihrer Belegschaft. Eine Hauptrolle im Recruiting spielen dabei die Namen von Bewerbern. Welche psychologischen Effekte zuschlagen – und wie Personaler von Adelstiteln geblendet werden.

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WirtschaftsWoche: Herr Kanning, über Diskriminierung im Job wird seit einigen Jahren viel diskutiert. Zeigt das Wirkung – sind Personaler also weniger oberflächlich als vor zehn Jahren?
Uwe Kanning: Ich würde eher 20 bis 30 Jahre zurückblicken. Die Entwicklung geht sehr langsam voran. Mein Eindruck ist durchaus, dass heute mehr gut qualifizierte Menschen in den Personalabteilungen sitzen, die Forschungsergebnisse zur Personalauswahl kennen. Die wissen, dass es Urteilsfehler gibt. Das ist aber längst nicht der Regelfall.

Das heißt, Bewerberinnen und Bewerber müssen weiterhin damit rechnen, auf Vorurteile zu stoßen?
Das Problem ist, dass in vielen Unternehmen Menschen in Personalabteilungen arbeiten, die nicht spezifisch für diagnostische Aufgaben ausgebildet sind. Oder: Sie sind zwar gut qualifiziert, treffen aber nicht die wichtigen Entscheidungen. Unternehmen bleiben hier immer noch weit hinter ihren Möglichkeiten zurück.

Die Forschung zeigt: Ein Kriterium, das zu Urteilsfehlern führt, sind Namen. Wer profitiert, wer nicht?
Namen, die häufig vorkommen, werden positiver bewertet: Julia Müller, Klaus Meier – im Vergleich zu Namen, die weniger geläufig sind, wie etwa eine Brunhild, die noch dazu die Buchstaben CZY im Familiennamen trägt – auch, weil es schwerer zu lesen ist, man dabei ins Stocken gerät. Gerade die Kollegen in den USA forschen dazu viel. Die Tendenz hierzulande dürfte ähnlich sein.

Uwe Kanning ist Wirtschaftspsychologe und forscht an der Hochschule Osnabrück. Quelle: PR

Zur Person

Komplizierte Namen sind also von Nachteil. Was ist mit Namen, die auf einen Migrationshintergrund hinweisen?
In den Namen steckt zunächst erstmal eine Information. Bedeuten kann sie Verschiedenes. Zum Beispiel, wie Sie sagen, einen Migrationshintergrund. Man weiß aus der Forschung – auch aus Deutschland–, dass solche Namen eher negativ bewertet werden als solche, bei denen das nicht der Fall ist. Wir wissen auch, dass Akzente und Dialekte eine Rolle spielen. Hochdeutsch wird dabei positiver bewertet als eine regionale Färbung der Sprache, wobei es da auch Unterschiede gibt. Zum Beispiel unterscheiden sich Bayerisch und Sächsisch deutlich voneinander. Ersteres wird in der Regel positiver wahrgenommen, Sächsisch ist hingegen eher ein Nachteil, wobei es natürlich darauf ankommt, wo man sich regional aufhält. Wer sich in Leipzig oder Dresden bewirbt, hat mit einem sächsischen Dialekt sicherlich keine Nachteile.

Woran liegt das?
Erklärt werden kann das zum Teil über den Ähnlichkeits-Attraktivitäts-Effekt. Demnach bewerte ich Personen positiver, die mir ähnlich sind, beispielsweise in der Sprache oder bezogen auf den gesellschaftlichen Hintergrund. Die Bevorzugung einfacher Namen kann zudem der Mere-Exposure-Effekt erklären. Er besagt grundlegend: Wenn etwas geläufig und vertraut ist, erlebe ich es automatisch eher positiv. Wenn etwas fremd und ungewöhnlich ist, dann gibt es hingegen eher die Tendenz, es negativ zu bewerten.

Das widerspricht ja eigentlich einem Ihrer eigenen Forschungsergebnisse, oder? Sie haben nämlich zu Adelstiteln geforscht und dabei herausgefunden, dass Personaler eine Viktoria von Löwenstein bei bestimmten Eigenschaften positiver als eine Claudia Müller einstufen.
Das stimmt. Daran sieht man, dass dieser Effekt „Geläufigkeit gleich positiv“ nicht immer gilt. Bei einem Namen wie Viktoria von Löwenstein poppt also in den Köpfen eher ein soziales Stereotyp auf, das positiv besetzt ist. Was wir über den Adel meinen zu wissen, entnehmen wir aus Klatschzeitungen oder dem Fernsehen, beispielsweise über das britische Königshaus. Die meisten Informationen sind hier eher etwas verklärt, glamourös, stilvoll. Daher verbinden wir mit dem Adel vor allem Ästhetik, aber auch Macht und Einfluss. Und wenn dann eine Person einen solchen Namen trägt, greifen wir als Außenstehende auf dieses Stereotyp zurück. In unserer Studie haben wir herausgefunden, dass Personaler Bewerber mit Adelsprädikat eher einstellen als diejenigen ohne.

Welche Eigenschaften schreiben wir Viktoria von Löwenstein zu?
Vor allem Durchsetzungs- und Führungsstärke. Mutmaßlich haben ihre Vorfahren einflussreiche Positionen bekleidet, Ländereien besessen, wichtige Entscheidungen getroffen. Das schreiben wir dann Hunderte Jahre später auch den Nachfahren zu. Diese historische Assoziation ist natürlich falsch, aber nachvollziehbar. Bei Eigenschaften wie der Teamfähigkeit schnitten sie allerdings nicht besser ab.

Ausgrenzung und Perspektivlosigkeit haben in Frankreich bittere Tradition. Mit der falschen Adresse oder einem arabischen Namen sinken die Jobchancen rapide. Einige wollen sich damit nicht abfinden.
von Karin Finkenzeller

Gibt es umgekehrt auch bekannte Namen, die wir eher negativ assoziieren? Weil die berühmten Vorfahren mittlerweile in der Diskussion deutlich kritischer gesehen werden. Ich denke an einen von Bismarck.
Es wäre spannend, das zu untersuchen. Es gibt keine Studien dazu. Ich persönlich würde eher an andere Namen denken. Bismarck negativ zu sehen, setzt schon recht viel Geschichtswissen bei den Personalern voraus. Es gab beispielsweise im Nationalsozialismus viele Adlige im Widerstand, aber auch Befürworter. Auch sie haben Nachfahren, die gegebenenfalls sehr unterschiedlich bewertet werden könnten. Ich persönlich glaube im Fall von Bismarck eher, dass sich der Name positiv unterscheidet, weil er historisch noch nicht so kritisch reflektiert wird.

Ziehen sich die Vorteile, die sich aus dem Adelsnamen ergeben, durch die Berufslaufbahn?
Auch dazu gibt es kaum Studien. Es gibt aus der Soziologie aber eine Studie, die vor etwa zehn Jahren untersucht hat, wie viel Prozent der Vorstandsmitglieder in deutschen Unternehmen einen Adelstitel tragen: Acht Prozent. Im Vergleich: In der Gesamtbevölkerung ist es nur ein Prozent. Ich kann mir also gut vorstellen, dass sich diese Vorteile durchziehen. Das kommt natürlich auf den Job an: Ein Graf, der als Maler und Lackierer arbeitet, erfährt wahrscheinlich nicht die Vorteile, die eine Unternehmensberaterin genießt. Der Effekt dürfte bei ihr größer sein: Ihr wird ein bildungsbürgerliches Elternhaus zugeschrieben, gute Umgangsformen, Seriosität, Durchsetzungsstärke – alles Eigenschaften, die in ihrem Berufsfeld vorteilhaft sind.

Die großen Karriere-Irrtümer

Erklären Sie sich damit, dass es Menschen gibt, die sich solche Adelszertifikate kaufen?
Kennen Sie Frédéric Prinz von Anhalt?

Ja.
Das ist ja eine etwas skurrile Figur. Er ist eine Zeit lang durch die deutschen Talkshows gewandert. Und er hat mal ganz offen gesagt: Er nutzt den Titel für seinen Erfolg. Er ist damit in die USA gegangen, wo man bei dem Titel „Prinz“ gleich an die Queen denkt. Das Beispiel ist extrem, das Prinzip das gleiche: die positiven Zuschreibungen des Adelstitels für den eigenen Erfolg nutzen.

Zurück zur Personalauswahl. Einerseits erfahren bestimmte Personen Vorteile, allerdings auch viele die Schattenseite verschiedener psychologischer Effekte. Was ist die Lösung?
Ich glaube, Unternehmen müssen sich die wirtschaftliche Dimension von Fehlentscheidungen vor Augen führen. Ethische Argumente zur Gleichbehandlung sind das eine. Unternehmen müssen aber auch tiefgreifend ein Interesse daran haben, die besten Kandidatinnen und Kanditen einzustellen. Und andersherum nicht Stellen an Personen zu vergeben, die nur wenig geeignet sind. Ich könnte mir vorstellen, dass Unternehmen, die schon mal eine gravierende Fehlbesetzung vorgenommen haben – ich denke spontan an Middelhoff und Karstadt – inzwischen kritischer denken.

Sollten Bewerbungen auch in Deutschland anonym sein?
Es spricht sehr viel für anonymisierte Bewerbungen. Viele Beschäftigte im Personalwesen sagen, sie bräuchten Namen, Foto und Anschreiben für ihr Gefühl. Während die Forschung sagt: Nein, keine dieser Informationen bringt euch weiter, im Gegenteil, sie sind eine Quelle unbewusster Fehlentscheidungen. Dabei machen erfahrenen Leute übrigens dieselben Fehler wie Laien, wie wir in mehreren Studien zeigen konnten. Erfahrung allein schützt nicht vor Urteilsfehlern. Anonymisierte Bewerbungsunterlagen sind aber nur ein Anfang.

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Wir haben auch das Problem, dass das klassische Bewerbungsgespräch weitestgehend auf dem Bauchgefühl der Entscheidungsträger beruht. Getreu dem Motto: Wir reden mal eine Dreiviertelstunde und danach hat man ein gutes Gefühl, ob es passt oder nicht. Und je höher die Hierarchiestufe, auf der eine Besetzung erfolgt, desto schlechter wird die diagnostische Qualität der Verfahren. Wichtig sind klare Kriterien für die Auswahl. So drückt man Urteilsfehler zwar nicht auf Null, aber man verringert sie deutlich. Es wäre natürlich ebenso falsch, Adelstitelträger automatisch als Blender abzutun. Es muss eine faire Chance für alle geben. Entscheider sollten sich an der tatsächlichen Eignung und nicht an ihrem Bauchgefühl orientieren.

Transparenzhinweis: Das Interview wurde im August 2022 geführt und erstmals veröffentlicht. Wir zeigen es aufgrund des hohen Leserinteresses erneut.

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