Neue Arbeitswelt Hybrides Führen: 5 Mythen und 5 neue Wahrheiten

Durch Corona ist Hybrides Führen nun das Thema für alle Führungskräfte und ihre Teams geworden. Quelle: imago images

Um das neue „Next Normal“ der Zusammenarbeit ranken sich 5 Mythen. Eine genaue Inspektion dieser Mythen ist fällig, um im Kampf ums Büro den Überblick zu behalten. Ein Gastbeitrag.

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Die Autorin dieses Gastbeitrags, Antje Gardyan, ist Organisationsberaterin und Geschäftsführerin der FLYING FISH GmbH sowie METAPLAN Netzwerkpartnerin. Sie berät Organisationen in Strategie & Strukturfragen, sowie die dazugehörigen Veränderungsprozesse. Digital und in Präsenz.

Was aktuell so leidenschaftlich diskutiert wird, ist für geografisch verteilte Teams großer Unternehmen kalter Kaffee: hybrides Führen. Gemeint ist: Die Führungskraft und ein Teil des Teams befindet sich im Headquarter und der Rest ist regional oder international verstreut. Diese Teams mussten mit hybriden Arbeitssettings schon immer klarkommen. Meist wurde viel gemailt, gereist, (video-)telefoniert, um die geografische Trennung zu überwinden. Diese Teams waren bisher kaum beachtete Exoten.

Durch Corona ist hybrides Führen nun das Thema für alle Führungskräfte und ihre Teams geworden, auch für die, die sich bis März 2020 täglich im Büro gesehen haben. Was in der Coronaphase an Homeoffice spontan ausprobiert und praktiziert wurde, wandelt sich gerade von einer Übergangslösung zum festen Bestandteil der Führungsarbeit und Unternehmenskultur.

Um das neue „Next Normal“ der Zusammenarbeit ranken sich fünf Mythen, die genauer inspiziert werden sollten, um im Kampf ums Büro den Überblick zu behalten:

Antje Gardyan, Organisationsberaterin und Geschäftsführerin der FLYING FISH GmbH sowie METAPLAN Netzwerkpartnerin. Quelle: Felix Matthies

Mythos 1: Das gemeinsame Büro ist King

Die Wahrheit ist: „Working from Home“ oder „Homeoffice“ geht nicht wieder weg. Die Zahlen aktueller Studien (zum Beispiel durch t3n, Digitalverband Bitkom) bei den 30 größten Dax-Unternehmen belegen dies. Der Anteil derer, die (teilweise) im Homeoffice auch zukünftig arbeiten (wollen) sind beträchtlich. Im Dezember 2020 waren es 25 Prozent (10,5 Millionen Beschäftigte), die vollständig im Homeoffice gearbeitet haben. Weitere 20 Prozent (8,3 Millionen Beschäftigte) zumindest teilweise. Bitkom rechnet mit zukünftig 35 Prozent Anteil im Homeoffice, also mehr als jeder Dritte Beschäftigte, der beziehungsweise die aus dem Homeoffice heraus operiert. Die aktuelle Diskussion in Deutschland, ob es langfristig ein Recht auf Homeoffice geben soll, befeuert die Entwicklung zusätzlich. Je nach Interessenlage gibt es glühende Verfechter von Homeoffice oder es wird für Teufelszeug gehalten, weil es die Kommunikation behindere und wirksame Erfolgsmessung unmöglich mache. Ökonomisch spricht viel dafür, spart es doch teuren Büroraum, reduziert Pendelzeiten, macht die Vereinbarkeit von Familienarbeit und Beruf etwas leichter. Viele sind begeistert von der Ruhe und Konzentration der Homeoffice-Arbeit. Auch Führungskräfte.

Die Pandemie hat gezeigt: In vielen Jobs ist es egal, von wo aus Mitarbeiter ihre Arbeit erledigen. Das bietet Unternehmen die Chance, weltweit auf die Suche nach Fachkräften zu gehen – und Gehaltskosten einzusparen.
von Nora Schareika

Interessant ist, dass hier gerade eine neue Form des Arbeitens ausprobiert wird, die eine Gegenbewegung zu einer ebenfalls relativ frischen Bewegung von New Work ist. New Work hat die unmittelbare, auf Zuruf, schnelle, räumlich nahe Zusammenarbeit auf großen Flächen propagiert. Mal cross-funktional oder cross-hierarchisch organisiert. Es wurde ein Selbstverständnis leichtfüßig, nah beieinander zusammenzuarbeiten, um sich häufig zu sehen und ohne Barrieren auszutauschen. Zuweilen wurde die Diskussion um diese Form der Arbeitsräume fast ideologisch geführt – als neues Heilsversprechen für die perfekte Kollaboration, dank gemeinsamer Arbeitsflächen. Homeoffice war ein Teil davon, aber eher als Rückzugs-Ausnahme für konzentriertes Arbeiten gedacht. Zahlreiche Unternehmen haben gerade ihre Büroflächen für teuer Geld umgebaut, um gut gerüstet zu sein, für die direkte, persönliche Kommunikation vor Ort. Und jetzt: Homeoffice als Regelfall in Kombination mit Arbeit im Büro. Diese hybride Arbeitsformation fordert die Erzählung von New Work neu heraus. Die neuen Flächen bleiben gähnend leer. Manche freut es perspektivisch dort nicht mehr fünf Tage die Woche arbeiten zu müssen.

Sicher scheint: Hybride Arbeitssettings werden für Wissensarbeitende das dominierende Modell. Es werden sich unterschiedlichste Mischmodelle – je nach Unternehmen und Abteilung entwickeln. Das Königsmodell „alle Mitarbeitenden gehen fünf Tage der Arbeitswoche ins Büro“ wird abdanken. Es wird die neue Ausnahme, die es im Zweifel zu rechtfertigen gilt.

Mythos 2: Videokonferenzen können wir ja jetzt!

Es reicht nicht, den Kalender mit Zoom-Konferenzen vollzupflastern und Mitarbeitende damit zu ermüden. Zahlen der Harvard Business School aus Dezember 2020 belegen, während der Coronaphase hat die Länge der Meetings zwar um 20 Prozent abgenommen, aber die Anzahl um 10 Prozent zugenommen. Auch die Anzahl der Teilnehmenden pro Meeting ist um 10 Prozent gestiegen, was es nicht unanstrengender macht. „Meeting Fatigue“ ist die Folge. Auch für die Führungskräfte ist nicht durchdachte hybride Führung mühsam, fehleranfällig und ineffizient. Last but not least: Zusätzliche Kosten der Ineffizienz, stockender Informationen und der von schlechter Einzel- oder Team-Performance ist die Folge für die Organisation, wenn hybride Führungssituationen nicht sorgfältig (um)strukturiert werden.

Das Führen hybrider Arbeitssettings ist nicht trivial und bedarf einer bewussten Neuorganisation von Kommunikationswegen und der Art, wie Entscheidungen getroffen werden. Es geht beim hybriden Arbeiten nicht darum, wo wir arbeiten, sondern wie wir über Distanz zusammenarbeiten und kollaborieren.

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