New Work ist nicht alles Unternehmen brauchen empathische Egoisten

Björn Waide entzieht der Arbeit der Zukunft in seinem Gastbeitrag die Romatnik. Quelle: imago images

Müssen diese ganzen New-Work-Zugeständnisse an die junge Arbeitnehmergeneration wirklich sein? Ja, wenn sie ernst gemeint sind. Unternehmen können sich schlicht keine unmotivierten Mitarbeiter mehr leisten.

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Sind junge Arbeitnehmer bloß noch Egoisten, denen es an Einsatzbereitschaft mangelt, wie mancher Unternehmer klagt? Keineswegs. Wir erleben vielmehr eine komplette Neudefinition des Verhältnisses von Arbeitgebern und Arbeitnehmern. Der beklagte Egoismus ist dabei letztlich gar der Schlüssel zum Erfolg, brauchen Unternehmen doch genau diese intrinsisch motivierten, hoch talentierten Mitarbeiter.

Der New-Work-Diskurs schallt durch die Teppich-Etagen der Republik und sorgt auch bei einstmals starken Arbeitgebermarken für Verunsicherung: „Was müssen wir denen denn noch bieten?“, wispert man sich konsterniert in manchem Vorstand zu. Nicht selten sehnt sich dieser Tage die Arbeitgeber-Seele nach der guten alten Zeit, in der bei den Untergebenen noch Dankbarkeit für Lohn und Arbeit herrschte, nach einer Zeit, in der es eben genau das noch gab: Untergebene.

Doch diese Zeit ist vorbei, unwiederbringlich. Pauschal wird jungen Generationen vorgeworfen, dass ihre Vorstellungen von Arbeit egoistisch motiviert seien und es ihnen an Einsatzbereitschaft mangele. Dieses Lamentieren ist jedoch nicht nur nutzlos, es ist auch sachlich falsch, erleben wir doch gegenwärtig eine grundlegende Redefinition des Verhältnisses von Unternehmen und Mitarbeitern.

Der Grund dafür ist nicht allein die vielbeschworene Digitalisierung, sondern allen voran ein Paradigmenwechsel, der bereits in den frühen 1980ern einsetzte und sich immer weiter entfaltet: Die Individualisierung in der postmodernen Gesellschaft. Alte gesellschaftliche Status-Zuordnungen werden überflüssig, die Sinn- und Identitätssuche bleibt nicht länger einer kleinen exklusiven Oberschicht vorbehalten, sondern ist zur Geisteshaltung der breiten Gesellschaft geworden. Ein Meta-Trend, der nicht ohne Effekt auf das Verhältnis von Arbeitnehmern und Arbeitgebern bleibt.

Arbeit ist eine temporäre Zweckbeziehung

Insbesondere in Deutschland sind es zudem die demografischen Bedingungen, die einen immer stärkeren Arbeitnehmermarkt forcieren. Wer halbwegs gut ausgebildet ist, kann sich vor attraktiven Optionen kaum retten. Der Prozess der gesellschaftlichen Individualisierung, gepaart mit demografischem Wandel und Digitalisierung, ergibt so einen Arbeitsmarkt, auf dem Flexibilität längst keine Einbahnstraße mehr ist.

Höchste Zeit also, die Debatte über die Zukunft der Arbeit zu versachlichen und ihrer Romantisierung zu entziehen: Arbeit im digitalen Zeitalter, das ist ein Tauschverhältnis, eine temporäre Zweckbeziehung zu beiderseitigem Nutzen.

Die weitgehend egalitäre New-Work-Idee mit flachen Hierarchien, Home-Office und dergleichen versucht genau das. Das Problem: Zu häufig ist New Work nicht mehr als poppige Symbolpolitik, die an den echten Herausforderungen vorbeisteuert. Konzernsneaker in Kooperation mit einer Sportmarke, Duz-Kultur und Co-Working-Spaces in Berlin-Kreuzberg haben sich ob ihrer inflationären Verbreitung als Unterscheidungsmerkmal entwertet. Wer wirklich glaubt, dass gut ausgebildete, weltgewandte junge Menschen mit solchen Leckerli, gehüllt in einen schneidigen Purpose, nachhaltig zu beeindrucken seien, der verkennt die Realität am Arbeitsmarkt.

Arbeitnehmer sind nicht länger eine passive, disponible Ressource. Die Antwort auf eine radikal individualisierte Gesellschaft kann nur eine radikal individualisierte Beziehung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer sein. Eine Beziehung auf Augenhöhe, die sich nicht in symbolpolitischen Nebelkerzen verirrt, sondern dort ansetzt, wo es um die Wurst geht: Bei der Frage nach gemeinsamen Zielen. Wir brauchen einen Bewusstseinswandel hin zu einem Verständnis von aktiver, gleichberechtigter Partnerschaft anstelle von einseitiger Abhängigkeit.

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