Paare, die sich am Arbeitsplatz kennen- und lieben gelernt haben, werden oft in einem romantischen Licht gesehen - Bill und Melinda Gates etwa oder auch Michelle und Barack Obama. Aber wenn zwei Firmenangehörige mit einer unterschiedlichen Machtposition eine Affäre haben, kann das folgenschwer sein, insbesondere in der #MeToo-Ära.
McDonald's Vorstandschef Steve Easterbrook hat das just auf die harte Tour erfahren: Er verlor seinen Job wegen einer Beziehung mit einer ihm untergeordneten Person. Mit der Affäre verstieß er gegen interne Vorschriften - was auch Topmanagern in anderen US-Firmen leicht passieren könnte, wenn sie derartige Beziehungen eingehen.
Denn immer mehr Unternehmen im Land haben spezielle Richtlinien, was solche Fälle betrifft. Es ist ein Trend, der schon einsetzte, bevor die #MeToo-Bewegung das Problem sexuellen Fehlverhaltens von Menschen in Machtpositionen in den Brennpunkt rückte. Aber er hat sich seitdem noch deutlich verstärkt, und viele Firmen lassen dabei keine Grauzonen zu: Sie untersagen ihren Spitzenleuten Beziehungen mit Untergebenen ohne jedes Wenn und Aber.
Easterbrooks Beziehung beruhte auf gegenseitigem Einverständnis, wie er nach seiner Entlassung erklärte. Aber Experten nennen es fraglich, ob sich wirklich sicher von einem Einvernehmen sprechen lässt, wenn der Unterschied zwischen den Machtpositionen der Involvierten sehr groß ist. Die jeweils untergebene Person kann sich zumindest unterschwellig zu der Affäre gezwungen fühlen - aus Angst vor beruflichen Folgen, wenn sie Nein sagt. Viele Frauen haben im Zuge der #MeToo-Bewegung von derartigen Situationen berichtet.
„Der Machtunterschied kann eine Dynamik schaffen, in der eine Beziehung niemals wirklich einvernehmlich sein kann“, sagt Debra Katz von der Anwaltskanzlei Katz, Marshall & Banks, die Frauen in mehreren prominenten Rechtsstreitigkeiten um sexuelle Belästigung vertreten hat.
Easterbrooks Entlassung erfolgte zu einem Zeitpunkt, da McDonald's bemüht ist, sexuellen Belästigungen am Arbeitsplatz einen Riegel vorzuschieben. In den vergangenen drei Jahren sind mehr als 50 Beschäftigte der Fast-Food-Kette mit entsprechenden Vorwürfen an die Öffentlichkeit gegangen, haben Beschwerden bei der US-Bundesbehörde gegen Diskriminierung im Beruf oder gerichtliche Klagen eingereicht, wie der Arbeitsinteressenverband Fight for $15 sagt.
Erst im August hat McDonald's ein spezielles Programm verkündet: Seine 850.000 US-Beschäftigten sollen gezielt darin geschult werden, sexuelle Belästigungen oder auch Mobbing zu erkennen und zu melden.
Check-Liste: Was Sie bei der Liebe am Arbeitsplatz beachten müssen
In Deutschland besteht das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz), dazu gehören auch Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz. Vorgesetzte dürfen nur die volle Arbeitskraft verlangen – alles andere ist Privatsache. Vorgaben, die Beziehungen zwischen Kolleginnen und Kollegen verbieten, sind juristisch in jedem Fall unwirksam.
Quelle: Kanzlei Pöppel
Besonders pikant sind Liebschaften zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, da ein direktes Abhängigkeitsverhältnis besteht. Aber auch diese Beziehungen sind in Deutschland erlaubt, sofern es sich nicht um minderjährige Auszubildende handelt. Um atmosphärische Probleme am Arbeitsplatz zu vermeiden, empfiehlt sich möglicherweise ein Wechsel von einem der Beteiligten in eine andere Abteilung.
Grundsätzlich ist das eigene Liebesleben absolute Privatsache – auch dann, wenn es sich um eine Beziehung am Arbeitsplatz handelt. Der Chef oder die Chefin muss also nicht Bescheid wissen. Die Beziehung sollte aber dann öffentlich gemacht werden, wenn es etwas Ernstes ist und Zukunft hat. Denn Heimlichkeiten werden von Kollegen wie Vorgesetzten als Misstrauensbeweis gewertet.
Den Liierten sollte bewusst sein, dass Berufliches und Privates klar zu trennen ist. Dabei müssen einige Regeln beachtet werden: Private Nachrichten an den Liebsten oder die Liebste haben nichts im dienstlichen E-Mail-Postfach zu suchen. Ebenso haben körperliche Intimitäten, Beziehungsstreitigkeiten oder Kosenamen nichts im Büro verloren. Ansonsten darf der Chef eingreifen.
Aus der Beziehung an sich dürfen sich keine negativen Konsequenzen ergeben. Wenn am Firmen-PC aber private Nachrichten verschickt werden oder die Arbeitszeit eher mit dem Partner als mit der Arbeit verbracht wird, kann eine Abmahnung oder gar eine Kündigung die Folge sein.
Ergeben sich durch die Partnerschaft Spannungen und Interessenskonflikte, so darf der Arbeitgeber auf beruflicher Ebene eingreifen: Er darf das störende Verhalten unterbinden, beispielsweise durch eine Versetzung oder eine Abmahnung. In die Beziehung selbst darf er sich nicht einmischen.
Easterbrook, der geschieden und Vater von drei Kindern ist, hat die Romanze in einer E-Mail an Angestellte als „Fehler“ bezeichnet und die Entlassung akzeptiert: Es sei für ihn an der Zeit, „weiterzuziehen“, schrieb der 52-Jährige. Sein Nachfolger wurde Chris Kempczinski, bisheriger Chef von McDonald's USA.
Bereits im vergangenen Jahr war der Chef des Chipherstellers Intel, Brian Krzanich, zurückgetreten, nachdem er mit einer Beziehung am Arbeitsplatz ein Verbot der „Fraternisierung“ für alle Manager des Unternehmens verletzt hatte. Ähnlich teuer mussten unter anderem auch Darren Huston von der Online-Reisefirma Priceline, Brian Dunn von der Elektronik-Ladenkette Best Buy und Boeing-Topmanager Harry Stonecipher für firmeninterne Romanzen bezahlen.
2005, als Stonecipher zum Rücktritt gezwungen war, gab es nur an 25 Prozent der US-Arbeitsstätten Richtlinien zu Romanzen. 2013 waren es bereits 42 Prozent, wie aus einer Umfrage der Society for Human Resources Mangement (HRM), der weltgrößten Vereinigung von Personalmanagern, hervorgeht. Und es gibt viele Hinweise darauf, dass die Zahl inzwischen weiter deutlich gestiegen ist.
Aber manche Unternehmen gehen in ihren Vorschriften weiter als andere. Der SHRM-Studie von vor fünf Jahren zufolge verboten 45 Prozent der Arbeitgeber, die Richtlinien erlassen hatten, Beziehungen zwischen Beschäftigten mit großen Rangunterschieden. 35 Prozent untersagten Romanzen zwischen Arbeitnehmern, die demselben Vorgesetzten unterstellt sind.
Und wie häufig kommen Beziehungen am Arbeitsplatz überhaupt vor? Nach einer SHRM-Studie im Januar 2019 hat ein Drittel der Amerikaner ein romantisches Verhältnis mit einem Kollegen oder einer Kollegen gehabt.
In kleinen Unternehmen ist es ein wachsender Trend, zur Verbesserung des Arbeitsklimas Happy Hours für Beschäftigte zu veranstalten, wie David Lewis, Chef des US-Personalausstatters OperationsINC, schildert. Solche geselligen Stunden könnten ein fruchtbarer Boden für das Entstehen von Romanzen sein - und für den Arbeitgeber sei es dann schwer, Beschäftigten zu sagen, dass sie die Beziehung entweder beenden oder kündigen müssten.
Lewis zufolge führen auch immer mehr Firmeninhaber Schulungen ihrer Beschäftigten durch, die das Bewusstsein dafür schärfen sollen, was eine sexuelle Belästigung darstellt. Dabei komme auch das Thema Romanzen am Arbeitsplatz auf den Tisch. Beschäftigte in einer Beziehung würden gewarnt, dass sie auf öffentliche Zuneigungsbekundungen verzichten, sich stets professionell verhalten müssten - Letzteres auch dann, wenn es zum Liebes-Aus kommt.