Der Digitalisierungsfortschritt eines Unternehmens ist der entscheidende Wettbewerbsfaktor. So prophezeien die Experten der Unternehmensberatung Promerit in ihrer Studie Benchmarking Digital HR (2016) sogar, dass Unternehmen in einigen Jahren entweder „digital“ sind - oder weg. Ob die Digitalisierung eines Unternehmens klappt, ist allerdings keine Frage der Software, sondern der Menschen. Entsprechend viele Experten sind sich einig, dass der Personalabteilung (HR-Abteilung) dabei eine wichtige Rolle zukommt.
In der Studie von Promerit konnte gezeigt werden, dass HR-Experten von Unternehmen mit einem fortgeschrittenen Digitalisierungsprozess, ihren Arbeitgeber als agiler, profitabler und wachstumsstärker einschätzen als die weniger digitalisierte Konkurrenz. Außerdem schätzen sie die Mitarbeiterzufriedenheit sowie Arbeitgeberattraktivität höher ein, die unmittelbaren Einfluss auf wichtige Kostenfaktoren wie Mitarbeiterbindung und Talentgewinnung haben.
HR ist sich der Verantwortung kaum bewusst
In einigen Unternehmen läuft es auf Seiten der Personalabteilung in punkto Digitalisierung jedoch nicht rund. 82 Prozent der von Promerit befragten HR-Experten sehen die Führungsrolle zunächst bei der IT-Abteilung und bei der Geschäftsleitung (74 Prozent).
Zur Person
Nora Heer ist Geschäftsführerin und Mitgründerin von Loopline Systems. Bis zu dessen Ausgründung Ende 2014 war sie Personalleiterin bei dem Berliner Frühphaseninvestor und Company Builder.
Nora Heer ist Diplom-Medien-Wirtschaftlerin und ausgebildet in systemischem Coaching, Leadership-Development und Human-Resources-Management, u.a. an der Stanford University.
Die eigene HR-Abteilung sehen nur 52 Prozent der Befragten in der Verantwortung - abhängig von der Unternehmensform und -größe: Die HR-Experten aus nicht im Dax-gelisteten Unternehmen sagen, dass ihre Verantwortung vor allem in der Gestaltung von Arbeitsplatz und Zusammenarbeit liege. Personaler aus Dax-Konzernen legen den Fokus dagegen stärker auf die Gestaltung von Führung und die Schaffung digitaler Kompetenzen.
Dabei muss laut Bearing Point (World Class Digital Organisation, 2014) die Digitalstrategie in die globale Gesamtstrategie des Unternehmens integriert werden. Dazu gehört auch die explizite Implementierung der Digitalisierung in die Strategie der Personalabteilung - und das nicht nur bei Dax-Konzernen. Damit das klappt, muss sie sich als wichtiges Element der Wertschöpfungskette und des Kerngeschäfts verstehen. Auf Basis einer konsequenten Kunden- und Mitarbeiterorientierung muss sie die Verantwortung für die Digitalisierung und den Wertewandel des Unternehmens übernehmen.
Serie
Neue Kompetenzen, andere Führungskonzepte, mehr Kooperation – in unserer Serie diskutieren renommierte Gastautoren, wie die Digitalisierung das Arbeiten verändert.
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Nur so kann das Digitalisierungspotenzial voll ausgeschöpft werden. Mit dieser Rolle als Fortschrittstreiber wird sich die Arbeit der modernen HR-Abteilungen von den veralteten Stereotypen des „Kümmerers“ mit hauptsächlich administrativen Aufgaben weiter entfernen. Laut der Promerit-Studie entfallen zur Zeit noch 43 Prozent der Leistungen der Personalabteilung auf administrative Funktionen, 35 Prozent auf Kernleistungen, wie Talent Management, Recruiting und 22 Prozent auf beratende oder strategische Aspekte. Um auch in Zukunft erfolgreich zu sein, muss der Anteil der letzten beiden Leistungsbereiche deutlich gesteigert und der Anteil administrativer Funktionen reduziert werden.
So wächst die HR-Abteilung über sich hinaus
Erarbeiten Sie in einem Workshop mit Ihrer Personalabteilung, was HR für die Digitalisierung von HR tun muss und was HR für die Digitalisierung des Gesamtunternehmens tun muss. Wichtig ist dabei, auf Basis der entwickelten Strategien konkrete Maßnahmen und Projekte abzuleiten. Folgenden Themenbereichen sollte dabei besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden:
- Kompetenzen: Welche Kompetenzen sind nötig für eine erfolgreiche digitale Transformation des Unternehmens? Welche dieser Kompetenzen sind bereits vorhanden und welche müssen noch akquiriert werden? Wie können diese Erkenntnisse in das Vorgehen bei Personalentwicklung und Recruiting integriert werden?
- Führung & Organisationskultur: Wie kann die Mitarbeiterführung an die neuen Anforderungen angepasst werden und wie gestaltet man eine digitale Kultur? Wodurch können Führungskräfte unterstützt werden? Welche Maßnahmen helfen, die Kultur zu gestalten?
- Employer Branding: Wie kann durch gezielte Maßnahmen eine digitale Arbeitgebermarke gestaltet werden? Was zeichnet diese Marke aus und grenzt sie von Wettbewerbern ab?
- Performance Management: Wie sieht ein moderner Performance Management Prozess aus? Wie sollte die Leistungsentwicklung von Mitarbeitern gefördert werden?
- People Analytics: Wie können Daten, z.B. über die Entwicklung der Leistung und Zufriedenheit von Mitarbeitern, als Grundlage für Entscheidungen nutzbar gemacht werden? Wie können Erkenntnisse in konkrete Maßnahmen übertragen werden?
- Prozessoptimierung: Wie können Effizienzgewinne durch die Digitalisierung von Prozessen und Abläufen geschaffen werden? Welche Software- und Cloud-Lösungen können Prozesse abbilden, verbessern und den Aufwand reduzieren?
Quantifizieren Sie die den Digitalisierungserfolg
Zu der neuen Rolle der Personalabteilung als Partner gehört aber auch, dass sie sich vielmehr an konkreten Ergebnissen messen lassen muss, als es jemals zuvor der Fall war. Die früher oft als „weich“ verschmähten Themen, wie Personalentwicklung und Kompetenzmodelle müssen durch messbare Kennwerte beschrieben werden, sodass Ergebnisse und Nutzen greifbar werden. An die Prozesse der Personalabteilung müssen die gleichen Ansprüche bezüglich der Quantifizierbarkeit gestellt werden, wie sie schon seit langem an Marketing- und Vertriebsabteilungen gestellt werden.
So haben sich Unternehmen auf die Digitalisierung vorbereitet
Mehr als in Drittel aller Unternehmen bereitete sich durch digitales Management der Personalverwaltung vor. In der Studie waren Mehrfachnennungen möglich
Quelle: Edenred-Ipsos-Barometer 2015, "Wohlbefinden & Motivation der Arbeitnehmer"
An zweiter Stelle steht die Virtualisierung der Arbeitsplätze (28 Prozent), etwa durch virtuelle Desktops oder eine Ausstattung für Telefonkonferenzen.
Den dritten Platz teilen sich zwei Maßnahmen: die Einrichtung eines sozialen Firmennetzwerks sowie das Angebot von E-Learning (jeweils 25 Prozent).
18 Prozent der Unternehmen trafen Vereinbarungen zur Telearbeit
16 Prozent der befragten Unternehmen haben an ihrer Webseite gearbeitet.
13 Prozent der Unternehmen haben sonstige Maßnahmen ergriffen
Fünf Prozent der Unternehmen haben eine "BYOD" (bring your own device) Politik eigeführt.
Ein Drittel der befragten unternehmen gab an, keine der aufgeführten Maßnahmen zur Vorbereitung auf die Digitalisierung umgesetzt zu haben
Definieren Sie gemeinsam mit Ihrer Personalabteilung, welche Kennzahlen die Qualität der neuen (und alten) Funktionen am besten repräsentieren, welche Werte erzielt werden sollen und wie der Status Quo bezüglich dieser Werte ist. Erarbeiten Sie darüber hinaus, wie diese datenbasierte Arbeitsweise durch Systeme und Tools unterstützt werden kann, um eine möglichst effiziente Erfassung, Analyse und Maßnahmenableitung zu gewährleisten. Beispiele für mögliche Kennzahlen können sein:
Entwicklung der Kundenzufriedenheit
Mitarbeiterzufriedenheit & Fluktuationsrate
Leistungsentwicklung der Mitarbeiter
Soll-Ist-Differenz bezüglich „digitaler“ Kompetenzen
Kosten für Einsatz digitaler Lösungen
Zeiteinsparung durch digitale Lösungen
Einstellungsquote & Zeit bis zur Einstellung („time-to-fill“)
Zeit, bis neue Mitarbeiter produktiv arbeiten („time-to-productivity“)
Stellen Sie sicher, dass die Personalabteilung diesen Wandel als positive Evolution ihrer selbst und nicht als Bürde auffasst. Dazu sollten Sie eine klare Vision kommunizieren, die zum einen darstellt, wohin Sie das Unternehmen gemeinsam mit der Personalabteilung entwickeln möchten, und zum anderen deutlich macht, wie wichtig HR für den Erfolg dieser Entwicklung ist. Mit Ihrer wertschätzenden Haltung ermutigen Sie die Abteilung über sich hinauszuwachsen und Verantwortung für die Digitalisierung des Unternehmens zu übernehmen.