
Weil die Arbeits- und Geschäftswelt sich verändern, wollen die Unternehmen in Deutschland intensiv an der Personalschraube drehen: Jeder zweite Geschäftsführer plant in absehbarer Zeit wesentliche Veränderungen bei ihrer Mitarbeiterschaft, heißt es in einer Studie der Beratungsgesellschaft Kienbaum. "Die Chefs haben erkannt, dass sie beim Personal ihres Unternehmens ansetzen müssen, um wettbewerbsfähig zu bleiben", sagt Cyrus Asgarian, Studienleiter und Mitglied der Geschäftsleitung bei Kienbaum.
Dabei geht es vermutlich um Entlassungen, Personalumbau ist in der Regel ein Synonym für Personalabbau und nicht für Fachkräftesuche. Beispiel SAP: Seit Jahren baut der Konzern sein Angebot grundlegend um. Statt Softwarelizenzen zu kaufen, sollen die Kunden sie mieten und so für regelmäßige Umsätze sorgen. In der Folge streicht das Unternehmen weltweit Stellen, die nicht zu den Wachstumsgebieten gehören. Das Ganze geschieht unter dem Schlagwort Personalumbau. Erwähnenswert: SAP hat freiwillige Abfindungsprogramme gestartet.
Die sind allerdings deutlich teurer, als erwartet. Während Finanzchef Luka Mucic letzten Sommer noch davon ausging, dass der Personalumbau zwischen 470 bis 530 Millionen Euro kosten würde, war die Summe im Oktober 2015 schon auf 585 bis 615 Millionen Euro gestiegen.





In den vergangenen fünf Jahren haben bereits acht von zehn deutschen Unternehmen Mitarbeiter entlassen, um schlanker und vor allem fit für die Zukunft zu werden. Der gewünschte Erfolg ist laut Kienbaum jedoch oft ausgeblieben. Wer ohne Sinn und Plan Leute entlässt, spart dadurch nämlich weder Kosten, noch wird das Unternehmen dadurch agiler.
Das Problem bei vielen Unternehmen laut Asgarian: "Eine umfassende Strategie für Planung und Umsetzung großer Veränderungsprojekte des Personalkörpers fehlt fast immer."
70 Prozent der von Kienbaum befragten Unternehmen haben keine Personalstrategie definiert, 75 Prozent der Unternehmen machen keine Szenario-Analysen, um Auswirkungen möglicher Geschäftsentwicklungen zu simulieren. Außerdem fehle häufig die Weitsicht, so Asgarian. Wenn der Markt zuckt, wird irgendwie reagiert. "Deshalb laufen großangelegte Personalveränderungen wenig faktenbasiert und vorausschauend ab."
Die Kündigungsschutzklage
Mit einer Kündigungsschutzklage wehrt sich ein Arbeitnehmer gegen seine Entlassung. Im Falle von Schlecker ist sie, weil das Unternehmen pleite ist, betriebsbedingt. Das lässt sich nicht anzweifeln. Daher müssen die Ex-Mitarbeiter die sogenannte "Sozialauswahl" in Frage stellen.
In der Praxis enden die meisten Kündigungsschutzklagen mit einem Vergleich - auch wenn das Ziel der Klage grundsätzlich die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ist. Meist einigen sich die Parteien darauf, das Arbeitsverhältnis im gegenseitigen Einvernehmen zu beenden, der ehemaligen Arbeitnehmer erhält eine Abfindung. Darauf spekulieren wohl die meisten der Schlecker-Mitarbeiter.
Der Arbeitgeber muss denjenigen Mitarbeiter ermitteln, den eine Kündigung nach bestimmten sozialen Kriterien am wenigsten hart treffen würde. Das sind: Dauer der Betriebszugehörigkeit, Alter, Unterhaltspflichten, Schwerbehindertenrecht. Das Arbeitsgericht prüft dann, ob bei der Auswahl der gekündigten Person alle Kriterien entsprechend berücksichtigt wurden.
Auch weiß mehr als die Hälfte der Unternehmen gar nicht so genau, wer für sie arbeitet. Wie steht es um die Altersstruktur? Geht die Buchhaltung in den nächsten zwei Jahren quasi geschlossen in den Ruhestand? Und was ist mit den Kenntnissen der Mitarbeiter? Arbeiten in der Entwicklungsabteilung Menschen, deren Kompetenzen für künftige Herausforderungen ausreichen oder täte hier eine Weiterbildung oder ein zusätzlicher Experte gut? Bei den Befragten herrscht Ratlosigkeit.
Geschäftsführer haben wenig Vertrauen in ihre Personalumbauer
Und auch das Vertrauen in die eigenen Führungskräfte ist gering: 80 Prozent der befragten Unternehmer geben an, dass die Führungskräfte in ihrem Hause nicht fähig seien, große Personalveränderungen erfolgreich zum Ziel zu führen. Einen Experten, der nur für Personalab- und umbau und für nichts anderes sonst zuständig ist, gibt es allerdings nur in weniger als 30 Prozent der Unternehmen. "Neben begrenzten Kompetenzen der Führungskräfte im Veränderungsmanagement fehlt es zudem oft an einem gemeinsamen Verständnis über das Ziel und die Vorgehensweise der Transformation sowie an der Übersetzung der Personalstrategie in eine persönliche und messbare Maßnahmenplanung für jede Führungskraft", weiß Asgarian. Zusätzlich geben 70 Prozent der Befragten an, dass ihr Unternehmen weder über systematische Prozesse noch die notwendige IT-Systemunterstützung für das Management von Personalaufbau, -abbau und -umbau verfügt. Da ist es schon ein bisschen beängstigend, wenn trotzdem rund 80 Prozent der Unternehmer sagen, dass es in Zukunft einen wesentlichen Wettbewerbsvorteil ausmachen wird, wie flexibel Menschen eingestellt und gekündigt werden können.