Peter Tauber beim The Shift Summit Fürsorge im Job: „Als Erstes sind die Arbeitgeber gefordert“

Aus der Politik in die Strategieberatung: Peter Tauber litt unter einer schweren Erkrankung. Seit einer Notoperation weiß er, wie wichtig die eigenen Grenzen sind. Quelle: Marc-Andre Hergenröder, Foto Vogt GmbH

Immer unter Strom: Peter Tauber war lange Generalsekretär der CDU. Nach einer schweren Erkrankung zog er sich aus der Politik zurück. Hier spricht er über die Lehren für die Arbeitswelt, die ihm seine Krankheit erteilte.

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Der ehemalige CDU-Politiker Peter Tauber sprach beim The Shift Summit der WirtschaftsWoche über die Wichtigkeit der eigenen Limits. Bei der Veranstaltungsreihe geht es darum, den Schritt zu mehr Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion zu schaffen. 2022 stand unter dem Motto Vorbilder in einer vielfältigen und chancengleichen Wirtschaftswelt. Vergangenes Jahr zog sich Tauber wegen seiner entzündlichen Darmerkrankung aus der Politik zurück.

WirtschaftsWoche: Herr Tauber, Sie waren ganz oben auf dem Zenit der Politik angekommen. Unter anderem als Generalsekretär der CDU hatten Sie 16-Stunden-Tage. Dann kam der Schicksalsschlag, über den Sie ein Buch geschrieben haben. Was genau ist damals passiert?
Peter Tauber: Dazu machen wir eine kleine Zeitreise. Nach der Bundestagswahl 2017, da war Deutschland noch nicht bereit für einen Mann im Kanzleramt. Angela Merkel hatte die Wahl erneut gewonnen und ich als damaliger Parteimanager war unheimlich erleichtert. Im Anschluss an die Bundestagswahlen waren auch noch vier Landtagswahlen zu bewältigen. Und im November habe ich dann eine schwere Darmerkrankung bekommen. Ich hatte immer wieder Schübe bis Januar und wurde zweimal operiert. Am Ende wurde ich notoperiert und lag mit einer Blutvergiftung und einer Bauchdeckenentzündung zwei Wochen auf der Intensivstation. Mein Leben hing am seidenen Faden.

Da gab es die Situation, als der behandelnde Arzt einen Satz zu mir gesagte, der mich gestoppt hat. Er sagte zu mir: „Ich kann Sie jetzt entweder fit machen oder gesund.“ Da habe ich gemerkt, dass irgendwas nicht richtig läuft. Ich hatte damals als Wehrpflichtiger gelernt, dass es eine Pflicht zur Gesunderhaltung gibt. Das heißt, ich muss mich selbst um meine Gesundheit kümmern. Das hatte ich das ganze Jahr über nicht gemacht. So funktioniert es nicht – gerade, wenn ich Verantwortung für andere Menschen habe. Denn wenn ich keine Selbstfürsorge habe, dann kann ich irgendwann auch nicht mehr fürsorglich für andere Menschen sein. Unsere Gesellschaft wäre viel leistungsfähiger, wenn wir mehr aufeinander achten würden und da sind natürlich die besonders gefordert, die in den Führungsebenen stehen.

Acht Tipps zum Stressabbau

Sie haben mal gesagt, dass Sie im Rückblick gemerkt haben, dass Sie in der Zeit nur noch funktioniert und für die Arbeit gelebt haben – also gearbeitet, gegessen, geschlafen und alles wieder von vorne. Können Sie einen Rat an Arbeitnehmer geben, wie sie merken, dass sie jetzt mehr auf sich selbst achten müssen?
Als Erstes sind die Arbeitgeber gefordert. Sie müssen ein Umfeld schaffen, in dem ich auf mich achten kann. Ein guter Chef sieht es, dass seine Angestellten Freiräume brauchen. Sie benötigen Zeit zum Reflektieren, zum Nachdenken und auch um mal herunterzukommen. Die Zeit muss ich als Chef geben, denn der Arbeitnehmer und die Arbeitnehmerin können das nicht einfordern. Es ist aus meiner Sicht definitiv eine Führungsaufgabe. In den Bereichen, in denen ich Freiräume habe, da kann ich selbst drauf achten. Dann mache ich manche Dinge nicht, sondern ich nehme mir die Zeit. Und das muss gelernt und geübt werden.

Mittlerweile sind Sie selbst beratend tätig. Sie beraten Unternehmen, Stiftungen und Institutionen auch zum Thema Führungskultur. Inwiefern sprechen Sie in Ihrer Beratung Ihre Erlebnisse an? Und welche Tipps geben Sie Führungskräften mit auf den Weg?
Bei mir gab es natürlich, als ich angefangen habe, zu reflektieren, auch ein paar Schlüsselmomente. Als Generalsekretär besuchte ich so ungefähr 120 Kreisverbände im Jahr. Ich war also jeden dritten Abend unterwegs. Stellte mich den Diskussionen mit der Parteibasis, fuhr in der Nacht noch zurück nach Berlin. Und ehrlich gesagt ist das nicht immer schön. Das sind schwierige Diskussionen. Ich versuchte, Empathie zu zeigen. Am nächsten Morgen war ich dann gerädert und traf auf die Kanzlerin, die von einem Gipfel aus Brüssel oder aus den USA zurückgekommen war. Und sie war das blühende Leben und ich dachte irgendwie: Was mache ich falsch? Ich habe nicht dieselbe Resilienz, bin nicht so robust und irgendwie kaputt. Ich habe den Fehler gemacht und mich mit ihr verglichen. Ich dachte, wenn sie es aushält, dann muss ich das doch auch. Ich bin ein Mann. Und das ist natürlich falsch, denn ich habe mich nicht gefragt, wo ist mein Limit.

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Ich habe offensichtlich ein anderes als die Kanzlerin und sich das einzugestehen, ist nicht so leicht. Diese Einsicht, dass ich eine andere Resilienz habe, hat dazu geführt, dass ich mich nicht mehr fragte, was ich tun muss, um am nächsten Morgen genauso fit zu sein. Und das führt wieder zu dem Punkt der Selbstreflexion. Wir müssen uns die Zeit nehmen, um zu lernen, wo unsere Stärken und Schwächen liegen. Das ist für Führungskräfte in der Wirtschaft, in der Politik und in der Wissenschaft enorm wichtig. Und da mangelt es in allen drei Systemen.

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