Philippe Kahn Der Mann, der die Menschheit vermisst

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Das erste Foto via Mobilfunk

Der ambitionierte Surfer hat schon etliche Wellen geritten, keine Monsterwellen, dazu sei er „zu feige“, allerdings sehr große im Pazifik – und ganz große im IT-Geschäft. Neben dem deutschen Informatiker und Unternehmer Andreas von Bechtolsheim zählt er zu den Europäern, die Amerikas IT-Hochburg Silicon Valley mitgeprägt haben. Dass es soziale Netzwerke wie Facebook, Instagram oder Snapchat gibt, dass das Smartphone boomt, all das geht auch auf Kahn zurück – und auf seinen Ehrgeiz, die Geburt seiner dritten Tochter Sophie so schnell wie möglich direkt aus dem Krankenhaus in Santa Cruz seinen Verwandten, Freunden und Fans mitzuteilen.

Mit dem briefmarkengroßen Foto, das er am 11. Juni 1997 via Mobilfunk übers Internet verschickt, schreibt Kahn Geschichte. Er kombiniert eine Casio-Digitalkamera, mit der er seine Tochter fotografiert, mit einem Toshiba-Laptop und einem Motorola-Startac-Handy. Die Aufnahme sendet er nicht per E-Mail in die Postfächer seiner rund 2000 Bekannten, Freunde und Partner. Denn „die Kosten wären damals astronomisch gewesen“, sagt Kahn. Stattdessen publiziert er das Konterfei seines Töchterchens auf einer Webseite, auf die nur Freunde und Bekannte Zugriff haben. Die können das Foto so dann betrachten und herunterladen. Im Grunde funktionieren heute alle sozialen Netzwerke nach diesem Prinzip.

Ein Babyfoto war der Anfang

Für Kahn ist es eine Initialzündung. Er tauft seine Erfindung PictureMail und vermarktet sie über sein damaliges Unternehmen Lightsurf an Mobiltelefongesellschaften. 2005 verkauft er Lightsurf an den US-Internet-Infrastrukturanbieter Verisign und streicht dafür 270 Millionen Dollar ein.

Philippe Kahn Quelle: PR

Das Babyfoto und das schlaffördernde Bett sind nur zwei Stationen einer außergewöhnlichen Karriere, die mit der illegalen Einwanderung aus Europa 1982 begann und inzwischen in der Galerie der Multimillionäre des Silion Valley angekommen ist. Der Vater Ingenieur, die Mutter eine Kämpferin im französischen Untergrund, die das Vernichtungslager Auschwitz überlebt hat, ist Kahn gerade 13 Jahre alt, als seine Maman stirbt. Der Halbwaise macht Abitur, studiert Mathematik und Musik und unterrichtet danach Mathematik an der Universität im südfranzösischen Nizza.

Software statt Käse und Wein

Doch das füllt Kahn nicht aus, also beginnt er in der Freizeit zu programmieren. Zwar will er nie Unternehmer werden, sein Vater ist überzeugter Sozialist. Wohl aber verspürt er den Drang, etwas Neues zu kreieren, am besten in der IT-Branche. In Frankreich ist das schwer zu dieser Zeit. „Mit Wein oder Käse hätte ich vielleicht eine Chance gehabt, nicht aber mit Software“, erinnert sich Kahn. Als ihm immer mehr Freunde empfehlen, doch ins Silicon Valley zu gehen, folgt er ihrem Rat schließlich. „Irgendwann habe ich gesagt: Okay, dann mache ich das eben“, sagt er. Anfang 1982 kauft er sich ein Ticket nur für den Hinflug, seine Frau, die beiden Töchter und der Hund bleiben zu Hause.

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