Philippe Kahn Der Mann, der die Menschheit vermisst

Philippe Kahn wanderte einst illegal in die USA ein. Heute ist er eine der Ikonen des Silicon Valley – und entscheidet mit darüber, wie Mensch und Maschine sich miteinander vernetzen.

  • Teilen per:
  • Teilen per:
Philippe Kahn verschickte am 11.Juni 1997 das erste Foto via Mobilfunk. Es ist nur so groß wie eine Briefmarke. Quelle: PR

Philippe Kahn hat sich auf sein Fahrrad geschwungen und ist die 3,5 Kilometer von seinem Haus am Hafen ins Büro gefahren, in der Innenstadt der kalifornischen Küstenstadt Santa Cruz. Es ist Mittag, Kahn muss erst einmal etwas essen und lässt sich eine Platte Sushi kommen. Er habe die ganze Nacht durchgearbeitet, sagt er und lacht dröhnend – „um herauszufinden, wie man besser schläft“. Denn er tüftelt gerade an einem „smarten Bett“, also an einer Liegestatt, die den Schlaf der Menschen verbessern soll.

Wie das genau funktioniert, will er nicht sagen. Fest steht er nur, dass er das Bett nicht selber auf den Markt bringen, sondern dies einem bekannter Hersteller überlassen will. „Wir sind die Leute hinter den Kulissen“, sagt Kahn.

Zur Person

Nike und Jawbone

Das ist wahr und eine Untertreibung zugleich. Ob künftige Smartbetten, digitale Fitnessbänder von Nike und Jawbone, Schweizer Uhren von Mondaine, Alpina und Frederique Constant und nahezu jedem Mobiltelefon – überall stecken Ideen oder Technologien von Kahn drin.

Zugleich ist Kahn, 63 Jahre alt, Typ zausiger Bär, eine der Legenden des Silicon Valley. Er hat einst eines der größten Softwareunternehmen der Welt aufgebaut und mit dem Microsoft-Gründer Bill Gates die Klingen gekreuzt. Er hat die Fotografie mit dem Mobiltelefon erfunden.

Und nun, Anfang 60, ist Kahn das technische Hirn der sogenannten Quantified-self-Bewegung, jener schnell wachsenden Gemeinde, die alles an sich selbst messen, aufzeichnen und optimieren will – von den Schritten beim Spazierengehen, den Höhenmetern beim Treppensteigen, dem Puls beim Sprinten oder der Atemfrequenz beim Schlafen.

Mit 63 noch erfolgreich trotz Jugendwahn

Die Sensoren dafür und die Analysesoftware liefert Kahns Unternehmen namens Fullpower Technologies, das er 2003 in Santa Cruz gründete. Weil die neue Apple Watch schon nach 18 Stunden an die Ladestation muss, forscht er zum Beispiel gerade an einer Möglichkeit, die Zeit auf zwei Jahre auszudehnen. „Ich glaube, dass Messfunktionen einfach da sein müssen, ohne dass sich ihr Nutzer ständig sorgen muss, ob sie überhaupt einsatzbereit sind und funktionieren“, sagt Kahn. Damit definiert er die Handlungsmaxime für jene, die derzeit im Silicon Valley die Trends vorgeben. Mal wieder. Wie schafft man das auch noch mit 63 ausgerechnet in einem Fleckchen Erde wie dem Silicon Valley, in dem der Jugendwahn herrscht?

Die erfolgreichsten Wearable-Hersteller

So dröhnend Kahn im direkten Gespräch wirkt, so gerne arbeitet er im Hintergrund. In den Achtziger- und Neunzigerjahren befehligte er schon einmal 4000 Mitarbeiter eines Softwarehauses namens Borland, das er mitgegründet hatte und mit dem er eine halbe Milliarde Dollar pro Jahr umsetzte. Doch dabei habe er sich gefühlt „wie auf einem Flugzeugträger“, erinnert er sich, „schwer beweglich und nur Beton um mich herum“.

Heute hat Kahn 100 Mitarbeiter unter sich, zumeist Elektroingenieure, Informatiker, Mediziner, Datenspezialisten und Mechatroniker. „Ich würde es gern nur mit drei Mitarbeitern machen“, sagt er „aber das geht natürlich nicht.“ Darum fühle er sich wohl mit seiner jetzigen Mannschaft. Er reite gern „mit der richtigen Ausrüstung auf einer großen Welle“.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%