Von vielen Managern hat man den Eindruck, das rhythmische Auf und Ab des Lebens sei dem ewig angespannten, ja überspannten Gleichmaß gewichen. Alle rotieren in ihren Hamsterrädern, hetzen von Termin zu Termin. Aber Menschen, die fortwährend in Spannung leben, leiern aus wie Gummibänder. Darunter leidet auch die Zukunftsfähigkeit vieler Unternehmen. Zukunft wird nicht thematisiert, weil die Führungskräfte notorisch überlastet sind. Jedenfalls ist das ihr Selbstbild. Diese Wahrnehmung hat zur Konsequenz, dass wir uns nur um das Kurzfristige kümmern, nicht um das Langfristige, nur um das Dringliche, nicht um das Wichtige. Wenn Sie in dieser Mühle stecken, dann müssen Sie dort heraus. Schaffen Sie sich Freiräume für freies Denken! Unterbrechungen, schöpferische Pausen, Zwischenzeiten. Dazu müssen Sie sich zwingen, sie ergeben sich nicht von selbst. Und das ist keine Zeitverschwendung.
Göttlichste Muse
Beachten Sie auch, dass Sie Ihre Freizeit nicht verplanen wie die Arbeitszeit; dass sie nicht aus fortdauernden Aktivitäten nach dem immer gleichen Muster besteht. Vermeiden Sie Freizeitstress nach dem Arbeitsstress. Nach der Hast: die Rast. Muße heißt: jetzt keine Ziele haben. Nichtstun. Leere zulassen. Sich treiben lassen. Den inneren Monolog – der nach einem aufreibenden Tag für viele Führungskräfte bis in die Nachtstunden andauert – bewusst stoppen. Etwa mithilfe des Sports. Schweißtreibendes, aber eher spielerisches Sporttreiben. Freude, Freunde, Spaß und Spielerisches sollten im Vordergrund stehen, nicht verbissenes Kämpfen und Siegenwollen. Auch Musik kann zu diesem Sich-Lösen beitragen – wenn Sie sich wirklich auf sie einlassen, sie nicht nebenbei als Geräuschkulisse konsumieren. Dann ist sie die göttlichste der Musen. Am besten natürlich: aktiv Musik machen, am allerbesten zusammen mit anderen.
Diene und Verschwinde
Ich erinnere mich an einen Lehrer, der Ende der Sechzigerjahre in meiner Klasse Geschichte unterrichtete – es war die Zeit der Flower-Power. Zu jener Zeit dauerte es nach dem Klingeln durchschnittlich etwa fünf Minuten, bis die Lehrer in die Klasse schlurften. Nicht so Dr. Figge. Mit dem ersten Klingelton trat er in die Klasse, schloss hinter sich die Tür und begann den Unterricht. Wir Schüler waren anfangs irritiert, dann amüsiert – und dann gewöhnten wir uns daran, dass er eben anders war. Bei Weitem nicht alle Schüler haben ihn dafür gemocht. Aber in meinem Leben hat er einen Unterschied gemacht.
Wenn Sie auch nur im Leben eines Mitarbeiters ein Beitragender waren, ihm zu größerer Freiheit, zu größerer Unabhängigkeit verholfen haben, haben Sie Ihren Job gemacht. Denn das ist unser aller Aufgabe: Platz zu machen für die, deren Weg wir bereiten. So wie wir ernten, was wir nicht gesät haben, so sollten wir säen, was wir nicht ernten werden.
Wie formulierte es schon Friedrich der Große: „Servir et disparaître!“ Diene und verschwinde! Das ist radikal führen: Hinterlassen Sie Ihr Unternehmen so, dass es in einem höheren Maß zur Selbstführung in der Lage ist, als es bei Ihrem Dienstantritt war.
Bearbeitet von Manfred Engeser