Eigentlich war der Wechsel ausgemachte Sache. Das künftige Gehalt hatte der technische Leiter eines Konzerns mit dem Autozulieferer für Elektronikteile bereits ausgehandelt – und dabei eine Gehaltssteigerung von 25 Prozent für sich rausgeholt. Die neue Position, die strategische Bedeutung im Unternehmen hatte, reizte ihn. 500 Mitarbeiter sollte er führen, erzählt Personalberaterin Sabine Hansen von She4her Leadership Consulting. Es war der perfekte Karriereschritt für den 41-Jährigen.
Doch im letzten Augenblick machte der Ingenieur einen Rückzieher. Und sagte Hansen im Vertrauen, dass es nicht am Job lag – sondern an den unsicheren Zeiten. Den Arbeitgeber zu wechseln sei ihm da schlichtweg zu riskant. Schließlich war er seit zehn Jahren im Großkonzern. Etabliert – und mit betrieblicher Altersvorsorge. Was, wenn die Firma, die ihn abwerben wollte, in der heranziehenden Rezession Stellen abbauen – und er als Neuankömmling als Erster gehen müsste?
Es ist selten, dass die Talente, die Hansen anzuwerben versucht, diese Sorgen so offen aussprechen. Aus Scham, wie die erfahrene Headhunterin vermutet. Aber spüren würde sie diese immer öfter. Kandidaten, die zuvor zügig attraktive Jobangebote angenommen haben, zögern nun. Das Bedürfnis nach Sicherheit ist gestiegen. Und es erschwert Headhuntern die Arbeit. Das bestätigen auch die Berater von Kienbaum Consultants: Die Kandidaten seien erst schwer zu einem Wechsel zu bewegen – und entscheiden sich dann oft im letzten Moment doch dagegen.
Abschreckend wirkt vor allem die Probezeit. „Wer mehrere Jahre bei einem Unternehmen ist, fühlt sich dort vor Kündigungen sicherer“, sagt Hansen. Besonders beträfe das diejenigen mit unbefristeten Arbeitsverträgen, die rund 100.000 Euro Bruttojahresgehalt verdienen, erklärt die Headhunterin. Vor allem Beratungen, die spezialisiert sind auf Experten wie Ingenieure oder Projektmanager, tun sich immer schwerer. So beobachtet ein Personaldienstleister bei Frankfurt seit knapp sechs Monaten bei jedem fünften Kandidaten, mit dem er in ernsthaften Verhandlungen ist, Rückzieher. Auffällig oft haben diese Kinder – und ein Haus, das noch abzuzahlen ist. Und so schlägt der Schwund bei den zu vermittelnden Kandidaten nun auf seine eigene Firma durch: Einem Fünftel seiner 40 Mitarbeiter musste er kündigen.
Zur Methode
Das Ranking basiert auf einem Fragebogen, den Christel Gade, Professorin an der IU International University of Applied Sciences, entwickelt hat. Zwischen Oktober 2021 und September 2022 haben etwa 2300 Personalentscheider darin angegeben, wie zufrieden sie mit der Leistung der von ihnen beauftragten Headhunter waren. Insgesamt wurden mehr als 830 Beratungen benannt und bewertet. Die Beratungen mit den besten Noten finden Sie in der Tabelle.
„Selbst die Kandidaten für Geschäftsführungs- und Vorstandspositionen und die Führungsebene darunter sind vorsichtig geworden“, beobachtet auch Christian Tennert, Headhunter bei Hoffmann & Partner. Dabei gibt es in dieser Liga meist gar keine Probezeit. Manche Manager ließen sich dafür bei einem Wechsel komfortable Klauseln in die Verträge verhandeln, erzählt Tennert. Die Verlängerung der Kündigungsfrist bei unsicherer Wirtschaftslage von sechs auf zwölf Monate. Oder eine Umwandlung des sonst variablen Lohnanteils von 30 Prozent in ein Fixum, zumindest im ersten Jahr.
So müssen nun also Headhunter Einfühlungsvermögen zeigen. Und auch die Firmen müssen dem neuen Bedürfnis nach Sicherheit entgegenkommen, wenn sie Talente gewinnen wollen. Der Autozulieferer, glaubt Hansen, hätte den Ingenieur durchaus überzeugen können. Aber eben mit anderen Dingen. „Die Firma hätte zwar noch mehr Gehalt geboten, dass es dem Kandidaten auf Absicherung ankam, das hat sie nicht ernst genommen.“
Folgend finden Sie die Tabelle mit allen Gewinnern des Rankings