Ratgeber der Macht Was Machiavelli heute empfehlen würde

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"Häufe besser Wissen an als Gold"

Wirklich konsequent immer die Wahrheit zu sagen, auch dem Mörder, der nach dem Bruder fragt, kann nur ein machtferner Philosoph wie Immanuel Kant ernsthaft raten. Hennequin hält es (wie Machiavelli) für besser, „die Wahrheit für sich zu behalten, sich einen klaren Blick zu bewahren und nach außen hin das zu sagen, was einen selbst und die geliebten Menschen schützt“. Dabei zwei Regeln bitte beachten: „ Ein Lügner ist nur der, der erwischt wird“ und „Bleib Herr deiner Lügen und hüte dich vor den Lügen anderer“.

Das Streben nach Geld grundsätzlich zu verurteilen, ist der Gipfel der Heuchelei: „Hinter dem Gerede der Gleichheitsprediger, das bei anderen Schuldgefühle weckt, verbirgt sich in der Regel der reinste Narzissmus: Ihre Klagen dienen nur zur Demonstration der eigenen moralischen Überlegenheit.“

Aber ebenso gilt: Wer sich vom Geld oder der Angst vor Armut beherrschen lässt, ist unfrei. „Also häufe besser Wissen an als Geld.“ Denn: „Mit den Tantiemen deiner Intelligenz wirst du die Freiheit erlangen, irgendwann zu tun und zu lassen, was dir gefällt.“

Helden bleiben oft ohne Lob und Anerkennung

Durch Hennequins Buch zieht sich diese Aufforderung zum Wissenserwerb als roter Faden. „Lerne von der Geschichte“ ist eine zentrale Botschaft: „Die Geschichte begleitet dich durchs Leben und flüstert dir zu wie die Souffleuse im Theater, wenn es dir an Orientierung und Inspiration mangelt.“

Zu den Lehren der Geschichte gehört, dass viele der miesesten Übeltäter - KZ-Schergen wie Mengele und Massenmörder wie Pol Pot - ungestraft davon kamen und friedlich starben. Den wirklichen Helden dagegen bleiben oft Anerkennung und Lohn versagt, während die angeblichen Lichtgestalten sich bei näherer Betrachtung als durchaus finstere Gesellen entpuppen: Leute wie Che Guevara, der noch immer vielen als Held gilt, obwohl er willkürliche Todesurteile fällte.

Die Geschichte dieser Ungerechtigkeiten ist eine ewige Mahnung vor der Verblendung der Leichtgläubigen, die menschliche Tyrannei und Barbarei erst möglich macht. Also: „Bleib kritisch, wenn von unfehlbaren Genies die Rede ist, denn eine solche Spezies gibt es weder in der Politik noch sonst wo.“

Machiavellis Ziel war die Einigung Italiens

Die tiefsten und schönsten Ratschläge enthalten die beiden letzten Kapitel. „Schütze deinen Glauben“. Das heißt: Gib Deinem Leben einen Sinn, kämpfe für etwas Großes. Aber: „Mach ihn [deinen Glauben] nur öffentlich, wenn es strategisch notwendig ist, um bestimmte Taten zu vollbringen“.

Für Machiavelli war dieser Sinn die Einigung und Stärkung seines zerrissenen Vaterlands Italien. Im letzten Kapitel offenbart Hennequin schließlich, was dieser Glauben, diese Sache, für die es sich einzusetzen lohnt, für ihn ist: der Kampf gegen die Barbarei, auch die in uns selbst.  „Ich befürchte, dass die Welt, in der du leben wirst, jenem Italien gleichen wird, an dem Machiavelli verzweifelte: geschlagen, zerrissen, erobert und von einer Vielzahl von Katastrophen heimgesucht.“  

Hennequins Buch ist nicht nur der extrem seltene Fall eines klugen, gebildeten Ratgebers, sondern auch eine hinreißende Liebeserklärung eines Vaters an seinen heranwachsenden Sohn: „Dass mein Geist in dir weiterleben wird, ist mein größter Reichtum und das Einzige, was mir inneren Frieden schenkt“, schreibt er ausgerechnet am Ende des Kapitels „Bereichere dich“.

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