Die Praxis spiegelt diese Schieflage: Feedbackrunden werden als lästig empfunden, verschoben, inhaltlich entleert. Aber einige unternehmenskulturelle Platzanweiser sind derart überzeugt von den Segnungen des Instruments, dass man die Führungskräfte nicht selten dazu zwingt, Feedback zu geben. Überspielt wird dabei das Wesentliche: dass das Feedbackgespräch offenbar nicht wichtig ist. Sonst würde es ohne Murren durchgeführt. Feedback heißt: Der Markt lässt dem Unternehmen offenbar genug Zeit, sie zu verschwenden.
Einspruch: Aber nur durch Feedback kann man lernen! Abgelehnt: Man erfährt durch ein Feedback über sich selbst überhaupt nichts. Man erfährt nur etwas darüber, wie andere auf einen reagieren. Und unter Machtbedingungen wird nahegelegt, sich den Erwartungen anderer zu beugen. Das kann karrieretechnisch nützlich sein, hat aber mit Lernen nichts zu tun. Sondern mit Anpassen. Das alles drängt zur Konformität; man will alles und jeden zur Ähnlichkeit hinabfeedbacken. Die anschließende Therapieempfehlung kommt dann nicht ohne Drohung aus. Man hat wohl seine Eigenart längst verloren, wenn man durch das penetrante Rückmelden und das Fegefeuer der Beurteilungen gelaufen ist.
10 Tipps für den perfekten Chef
Jeder Mensch macht Fehler, denn Menschen sind nicht perfekt. Durch diese Eigenschaft werden Menschen überhaupt erst liebenswert. Wichtig ist jedoch, dass wir um unsere Fehler wissen und Wege finden, wie diese Fehler behoben werden können. Fehler, richtig verstanden, führen zu einer Weiterentwicklung der eigenen Persönlichkeit und des Unternehmens.
Es ist daher verwunderlich, warum immer noch so viele Chefs meinen, dass sie perfekt sind. Eine solch grobe Selbstüberschätzung führt letztlich zu Arroganz und einem Stillstand an Wachstum (sowohl persönlich als auch unternehmerisch).
Darin liegt die Größe eines wirklich „perfekten“ Chefs. Er verwendet die Kenntnis seiner Fehler für die persönliche Weiterentwicklung. Gute Führungspersönlichkeiten meinen nicht, „jemand zu sein“, sondern verstehen sich als „jemand, der wird“ und zwar jeden Tag ein wenig mehr.
Eine wesentliche Eigenschaft von „perfekten“ Chefs ist, dass sie Menschen mögen. Viele so genannte Führungskräfte mögen aber nicht einmal sich selbst, geschweige denn andere Menschen. Unter solchen Umständen wird Führung nur schwer möglich sein. Um exzellent zu sein, muss man das, was man tut, lieben. Und um exzellent zu führen, muss man Menschen lieben.
Der „perfekte“ Chef sagt und meint „Wir!“ und nicht „Ich!“ Er ist ein Teamspieler. Im 21. Jahrhundert werden nur Teams gewinnen und nicht Einzelspieler. Die Mondlandung beispielsweise war auch nicht das Werk eines einzelnen Menschen, sondern das mehrerer tausend Ingenieure, auch wenn die visionäre Kraft eines Wernher von Brauns dahinter stand. Aber er hätte es niemals alleine geschafft.
Der „perfekte“ Chef fordert Menschen heraus. Er will Leistung erleben und regt Menschen an, sie zu erbringen. Dabei orientiert er sich nur ungern am Durchschnitt, sondern an Spitzenleistungen. Der „perfekte“ Chef gibt sich mit dem zweitbesten Ergebnis nicht zufrieden.
Von dem Gedanken, stets der Beste in allen Bereichen sein zu wollen, müssen sich Führungspersönlichkeiten trennen. Der „perfekte“ Chef konzentriert sich auf seine Stärken und seine Hauptaufgaben.
Grundvoraussetzung eines „perfekten“ Chefs sind gelebte Werte, die von allen Mitarbeitern als Führungsgrundsätze empfunden werden. Nur so entsteht das viel geforderte Vertrauen.
Letztlich geht es um das wesentliche: Der „perfekte“ Chef bewirkt, dass Menschen Ziele erreichen. Das Wesen guter Führung ist Wirksamkeit.
Meistens halten wir unsere Meinung für die Wahrheit, basierend auf der Wirklichkeit, wie wir sie empfinden. Häufig entspricht unsere Wirklichkeit jedoch nicht der Realität. Der „perfekte“ Chef setzt sich auf den Stuhl des anderen. Wer durch die Augen anderer sieht, entdeckt eine Fülle von Wirklichkeiten.
Quelle: Perspektive Mittelstand
Das verdichtet sich beim sogenannten 360-Grad-Feedback zu einer veritablen Disziplinierungsanlage. Man ist gleichsam umzingelt von Punktrichtern. Anstelle des Interpretationsmonopols, das ein Urteil spricht und das Konsequenzen hat, tritt ein leerer Meinungspluralismus, der beliebige Sichtweisen beliebiger Beobachter aggregiert. Überall könnte man jemandem auf die Füße treten, überall muss man mit Abstrafung rechnen. Und das Perfide daran: Man muss diese Beschämung auch noch gut finden. Das so erzeugte Einschließungsmilieu schreibt dem Individuum eine hochaufmerksame, nach innen gerichtete Sensibilität vor. Ängstlich muss man aufpassen, dass man nirgendwo aneckt. Hilft das auch auf dem äußeren Markt der Kunden und Absatzmärkte?
Wir haben hier ein typisches Beispiel für eine demütigende Bürokratie, die lediglich die internen Unterscheidungsmärkte mit Spielmaterial versorgt. Wir können sicher sein: Der Kunde interessiert sich nicht für unsere Feedbackrunden. Aber bei ihm müssen wir den Wettbewerb gewinnen, nicht auf den Kinderspielplätzen der Organisation.
Nebenbei wird die Therapeutisierung betrieblichen Handelns weiter vorangetrieben: Nach einem 360-Grad-Feedback darf kein Manager mit negativen Ergebnissen alleingelassen werden - weshalb man ihm einen Coach zur Seite stellt, mit dem der Manager unter vier Augen die Ergebnisse besprechen kann. Ohne diese Hilfe besteht die Gefahr, dass Chefs mit der Kritik nicht fertig werden. Das nennt man wohl „Betreutes Arbeiten“.
Das Feedback steht als Beispiel für viele. Gerade in Situationen des Umbruchs, in denen Traditionelles rasend schnell veraltet und Moral nicht mehr verbindlich sein kann, brauchen wir Konzepte, die Innen und Außen, Privat und Öffentlich, Ich und Wir unterscheiden. Die das Gleichgewicht finden zwischen Vertrauens- und Misstrauenssphären, das Wechselspiel von Nähe und Distanz. Die sich leidenschaftlich kühl wehren gegen den Kult des Authentischen und der Transparenz, gegen Grenzüberschreitungen und Gesinnungskitsch, gegen die Ideologie des Echten und Aufrichtigen. Und wir brauchen Führungskräfte, die wieder für Grenzen und Respekt streiten, für Individualität und Differenz, für Zurückhaltung und Höflichkeit. Für Anstand durch Abstand. Wir brauchen keine raumfüllenden Führungskräfte, sondern raumöffnende.