Reinhold Würth „Arroganz ist die ekelhafteste Eigenschaft“

Reinhold Würth baute ab 1958 das Schrauben-Handelsunternehmen Würth zum internationalen Marktführer in der Befestigungs- und Montagetechnik. Quelle: dpa

Reinhold Würth ist einer der reichsten Menschen Deutschlands. Der Milliardär verdient mit Schrauben ein Vermögen. Den Bezug zur Realität verliert er dennoch nicht.

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Das Interview mit dem erfolgreichen deutschen Unternehmer Reinhold Würth wurde im Februar 2021 geführt.

WirtschaftsWoche: Herr Würth, Sie gehören mit einem Vermögen von 20,6 Milliarden US-Dollar zu
den reichsten Menschen in Deutschland. Woher haben Sie so viel Geld?
Reinhold Würth: Das war harte Arbeit. Ich habe mein Leben lang viel dafür getan. Mittlerweile bin ich im 72. Arbeitsjahr. Mit 14 Jahren fing ich als Lehrling bei meinem Vater an und bin seitdem nicht mehr aus dem Unternehmen herausgekommen. Fünf Jahre später trug ich auch schon die vollkommene
Verantwortung für Würth. Damals hatte ich zwei Angestellte – heute 79.000.

Verlieren Sie denn bei der Größe des Unternehmens den Bezug zu den Mitarbeitern nicht?
Natürlich kann ich nicht mehr mit jedem Einzelnen kommunizieren. Aber ich habe schon immer versucht, ein Vorbild zu sein. Wir haben ein unglaublich solides Unternehmen mit einer sehr geringen Fluktuation – unter 5 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter pro Jahr. Das heißt: Die Mitarbeitende fühlen sich bei uns wohl. Nie habe ich etwas verlangt, das ich nicht selbst bereit wäre, zu tun. Für mich ist Arroganz die ekelhafteste Eigenschaft, die ein Unternehmer haben kann. Ich habe das selbst oft erlebt. Meistens steckt dahinter kein böser Wille. Ganz im Gegenteil: Menschen wachsen mit ihren Aufgaben, bekommen eine Beförderung, haben Erfolg und werden dann oft unbemerkt überheblich. Es geschieht auch aus Unsicherheit, dass sie sich dann auf ihre Macht stützen, sie andere spüren lassen. Arroganz ist wie das Blut für einen Jagdhund, der eine Spur aufnimmt. Der vergisst alles andere abseits der Spur. Menschen sind so tief mit einer Aufgabe beschäftigt und merken gar nicht, wie sich ihre Ausdrucksweise verändert. Das sehe ich heute als
meine große Aufgabe an, die Arroganz vom Unternehmen fernzuhalten. Deshalb führe ich manches Vier-Augen-Gespräch mit einer Führungskraft, um sie auf den Boden der Mitmenschlichkeit zurückzuholen. Dafür sind sie oft dankbar.

Gelingt es Ihnen selbst, den Bezug zur Realität zu behalten?
Ja. Indem ich – auch wenn ich mir um Geld keine Sorgen machen muss – sparsam bin. So hat mich mein Vater erzogen. Wir haben gut bürgerlich gelebt. Heute würde man uns zum kleinen Mittelstand zählen. Als ich Würth übernehmen musste, habe ich in jeder Ecke gespart. Wenn ich den Berg
runtergefahren bin, schaltete ich den Motor aus. Das hat mich mein ganzes Leben geprägt. Mich ärgert heute noch, wenn irgendwo Licht brennt, das nicht brennen muss. Es ist gar nicht so einfach, der Enkel- und Urenkel-Generation verständlich zu machen, was es heißt, zehn Euro zu haben. Die haben dafür kein Verständnis. Trotzdem arbeite ich daran, dass die Familie am Boden bleibt. Ich lege großen Wert auf Bescheidenheit.

Wie passt das zusammen, auf der einen Seite Sparsamkeit zu predigen und auf der anderen Seite eine Yacht zu haben, in einem Schloss zu leben?
Da haben Sie Recht, das passt nicht zusammen. Aber das Schloss ist ein Schlösschen, das ich als Ruine damals gekauft und renoviert habe. Und die Yacht ist der einzige Luxus, den ich mir leiste. Das gibt mir viel Kraft und Freude, mit der Familie darauf zu reisen. Die Yacht ist zwar kein Sparstrumpf, aber
eine wertvolle Investition. Hersteller sind heute bis zu 15 Jahre ausgebucht. Wenn ich die verkaufen würde, könnte ich sogar Gewinn machen. Deshalb ist das Geld gut angelegt.

Wie investieren Sie sonst Ihr Geld?
Immer in das Unternehmen. Wir nähern uns jetzt in der Bilanz von 2020 den sechs Milliarden Euro an Eigenmitteln. Das entspricht einer Eigenkapitalquote von über 44 Prozent. In meiner Heimatstadt Künzelsau zahlen wir deutlich mehr als die Hälfte des Gewerbesteueraufkommens. Deshalb kann sich die Stadt einiges leisten, was sich andere nicht leisten können. Außerdem beschäftige ich mich über das Geschäft hinaus sehr stark mit der Kunst. Ich habe eine große Kunstsammlung, die ich in Museen der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung stelle. Die größte private Kunstsammlung in Europa
übrigens. Auch meine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schätzen die Kunst.

Tragen Sie das Erfolgsrezept des harten Arbeitens durch die Kunst in die Köpfe der Mitarbeiter?
Ja das kann man so sagen. Die Kunst drückt viel aus. Sie kurbelt die Gedanken an. Und die Visionen: In meinen Gedanken beschäftige ich mich sehr mit den Jahren 2030 bis 2050. Ich versuche, Fundamente zu legen. In Zukunft brauchen wir die künstliche Intelligenz im Unternehmen noch viel mehr in Form von Computern und Robotern. Deshalb sage ich den jungen Leuten immer wieder, dass sie sich mit der Informatik befassen sollen. Je mehr Informatikkenntnisse, desto besser die Zukunftsaussichten.

Schlagen sich diese Veränderungen auch in Ihrem Geschäft nieder?
Früher hatten unsere Mitarbeiter nur die Aufgabe zu verkaufen und Aufträge hereinzuholen. Heute nutzen unsere Kunden aber immer mehr den Onlinehandel. Das zeigt sich im Umsatz: Wir haben das Pandemiejahr 2020 verrückterweise mit dem gleichen Gewinn abgeschlossen wie 2019 – 770
Millionen Euro.

Und wann hat Würth den größten Verlust gemacht?
In den Siebzigerjahren habe ich ein Bauunternehmen von Würth gegründet. Das musste ich dann aber mit 10 Millionen D-Mark Verlust wieder zu machen. Das war die größte Fehlleistung, die ich mir zuschreiben muss. Aber es war nicht existenzgefährdend. Knapp die Hälfte der Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter von Würth Bau konnten wir in dem Schraubenbetrieb übernehmen. Das hat mir damals aber trotzdem einige schlaflose Nächte bereitet.

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Was haben Sie denn durch den Rückschlag für die Zukunft mitgenommen?
Ich bin dadurch viel vorsichtiger geworden. Jetzt kaufe ich auch keine Firmen mehr in Branchen, in denen ich nicht selbst ein gewisses Know-how habe. Auch wenn ich den Chefsessel bei Würth verlassen habe, trage ich weiterhin die Verantwortung. Bis mein Ende gesetzt ist.

Mehr zum Thema: Sie lenken gemeinsam den Würth-Konzern: Im WirtschaftsWoche-Podcast erzählt Bettina Würth, warum sie ihren Kollegen zunächst „geschleckt“ fand – und Robert Friedmann, wie man als Außenstehender unter dem Unternehmens-Übervater arbeitet. Hören Sie hier das „Chefgespräch“.

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