Reportage Der Hund weiß am besten, wer ein Chef ist

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„Soll ich den Hund etwa anbrüllen?“

Mit Johnny und 15 Schafen vor der Nase geht es an den Praxisteil. Haben Florian und René verstanden, wie der Hund geführt werden muss?

„Johnny, komm“, sagt Florian ruhig. „Johnny, komm her.“ Er spricht so nett mit dem Hund, als wäre der ein Kind. Und tatsächlich: Der Hund kommt auf ihn zu – und rennt an ihm vorbei. Florian schiebt seine Hände wieder in die Taschen seines Mantels. „Mit ein bisschen Führen funktioniert das hier nicht“, greift Kley die Aussage des Berliners auf. „Entweder ganz oder gar nicht.“

„Johnny komm, komm“, beginnt Florian noch einmal. „Bleib, bleib.“ „Jetzt muss er eigentlich rum“, kommentiert René aus dem Wohnzimmer. Florian kommt in Schwung. Er hüpft über einen Maulwurfshügel, um an der Spitze der Herde zu bleiben. Doch die Schafe laufen an ihm vorbei. Genervt atmet er aus. Kley rät ihm nun durch das Headset, sich vorzustellen, ein Kollege ignoriere ihn bei der Arbeit. „Soll ich den Hund etwa anbrüllen?“, fragt der sonst so ruhige Florian. „Ja, volles Rohr!“, ruft der Schäfer ins Telefon.

Nach einigem Hin und Her geht Florian auf den Hund zu, streckt den Rücken durch, schaut zu Johnny herab und kneift die Augen zusammen: „Bleib!“, ruft er und macht einen Ausfallschritt auf Johnny zu. Er schreit: „Platz!“ Der Handylautsprecher im Wohnzimmer krächzt, als wäre er auf so eine Frequenz nicht vorbereitet gewesen. Der Hund anscheinend auch nicht. Johnny zögert. „Das ist das erste Mal, dass ich das Gefühl hatte, du meinst es ernst!“, sagt der Schäfer. Der erste Erfolg nach 25 Minuten auf der Wiese.

Die restlichen 35 Minuten übersteht Florian dann auch – gerade laut genug, um die Herde um die Weide zu lotsen. „Der Moment, in dem es funktioniert hat, war der, in dem ich wirklich genervt war“, sagt er später. Das Gefühl scheint ihn überrumpelt zu haben. „Es ist nicht leicht, die Komfortzone zu verlassen“, sagt der Schäfer und nickt.

Kollege René will genau das jetzt tun. „Dann wollen wir mal“, ruft er tatendurstig. Doch auch er lässt erst einmal ähnlich viele Kommandos auf Johnny niederregnen wie Regen auf die beiden tropft. „Der Hund fühlt sich nicht so wohl, du warst sehr forsch“, analysiert der Schäfer von drinnen. „Ja, er wäre gerade gerne woanders“, gibt René zu. Der Schäfer bringt ihm eine Leine nach draußen, um erst einmal ein wenig mit Johnny spazieren zu gehen. René hopst in seinen blauen Turnschuhen über die Wiese, Johnny trottet an der Leine hinterher. „Platz!“, brüllt er erneut. Johnny schaut rüber, dorthin, wo sein Herrchen um die Ecke gebogen ist. Platz macht er nicht.

Die Schafe haben sich auf der anderen Seite der Wiese versammelt. René scheint sie vergessen zu haben. „Ich glaube, ich war übermotiviert“, sagt René ins Mikrofon. Er dachte, dass die Strenge schließlich auch bei Florian geholfen habe. Bei ihm war das scheinbar der falsche Ansatz.

Sandra Wilmsmann lächelt im Wohnzimmer hinter der großen Scheibe zufrieden. Renés Scheitern macht deutlich, was die Teilnehmer lernen sollen. Nämlich, dass jede Situation und jeder Kollege anders sind. René atmet, das Mikrofon rauscht, ein, aus, ein, aus. „Komm Johnny, jetzt kriegen wir die Viecher in den Griff“, sagt René. Doch seine Körperhaltung sagt etwas anderes. Sein Körper scheint Johnny anzubetteln, ihn jetzt nicht im Regen stehen zu lassen.

Sandra Wilmsmann beobachtet René und Johnny durch die Fensterscheibe. „René redet ständig davon, wie viel Freiheit es in seinem Unternehmen gibt. Jetzt merkt man aber, wie sehr er die Kontrolle braucht“, analysiert sie. Schon den ganzen Tag wollte René kontrollieren, sagt sie – das Gespräch am Morgen und jetzt Johnny.

Derweil hört Johnny noch immer nicht auf René. „Dein Bewusstsein ist in Hals und Kopf“, sagt der Schäfer. „Und nicht im Herzen?“, fragt René. „Ein bisschen Bauch wäre gut“, sagt Kley. „Das sah bei Florian leichter aus, als es ist“, gesteht René. „Du gehst hin und nimmst den ganzen Raum ein. Du guckst gar nicht auf die anderen“, sagt der Schäfer durchs Mikrofon und meint vermutlich die Schafe.

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