RiskMap 2019 „Mehr Risiko bedeutet mehr unternehmerische Möglichkeiten“

Control Risks: So sollten Unternehmen mit Risiken umgehen Quelle: imago images

Die Welt wird für internationale Unternehmen immer komplexer, sagt Harald Nikutta vom Beratungsunternehmen Control Risks. Er sagt, warum sie nicht unbedingt gefährlicher wird und wo im Risiko die Chancen stecken.

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WirtschaftsWoche: Herr Nikutta, bei Control Risks veröffentlichen Sie jedes Jahr eine Weltkarte, die die größten globalen Risiken für Unternehmen wiedergibt. Ist ein Land grün gefärbt, ist das Risiko niedrig – ist es rot, liegt das Risiko hoch. Allzu grün sieht die neue Riskmap nicht aus. Wird die Welt im Jahr 2019 also gefährlicher?
Harald Nikutta: Es ist eine Frage der Perspektive. Ich schaue zum Beispiel gerade auf unsere Karte aus dem Jahr 1975, die ist an deutlich mehr Stellen rot. Beispielsweise hat sich der Süden Afrikas seitdem aufgehellt. Für die Zukunft gilt aber: Die Welt wird anders.

Anders inwiefern?
Sie wird komplexer. In der Vergangenheit waren internationale Beziehungen gebündelt auf wenige Institutionen, etwa auf die Europäische Union, die Nato oder die Opec. Aber einige Länder brechen mittlerweile aus diesen Organisationen aus. Und sie handeln nach eigenen Regeln. China macht den USA den Führungsanspruch international streitig, UK sucht durch den Brexit einen eigenen Weg. Daran muss man sich gewöhnen und damit muss man umgehen können.

Was bedeutet die zunehmende Komplexität für Unternehmen?
Es kommt eine neue Dynamik auf. Das Miteinander von Staaten und Wirtschaft ändert sich, es funktioniert plötzlich nach anderen Regeln. Vereinbarungen, von denen man gerade dachte, dass sie noch gelten, sind plötzlich nicht mehr gültig, zum Beispiel beim Handelskonflikt zwischen den USA und China.

Harald Nikutta ist Senior Partner des Beratungsunternehmens Control Risk. Quelle: PR

Wie geht man damit um?
Man muss in einer solchen Zeit die Annahmen, aufgrund derer man Entscheidungen trifft, immer wieder auf den Prüfstand stellen. Denn sie passen oft nicht mehr zu der Realität, in der man agiert. Früher dachte man: Alles östlich von Berlin ist Böse. Das stimmt natürlich nicht mehr. Heute wäre ein solcher Satz: Amerika beschützt die Welt. Auch diese Zeiten sind vorbei.

All diese Entwicklungen schüren Unsicherheit. Für die Geschäfte muss das doch Gift sein.
Das kommt darauf an. Wenn man etwas bewegen will, einen neuen Markt erschließen oder einen Wandel einleiten, dann ist Unsicherheit gut. Mehr Risiko bedeutet auch mehr unternehmerische Möglichkeiten. Aber die Medaille hat zwei Seiten. Die Automobilindustrie erlebt das gerade am eigenen Leib.


RiskMap 2019

RiskMap 2019

Betrachtet man Ihre Weltkarte, sieht es in Europa ziemlich grün, also risikofrei aus. Warum sollte man sich als Unternehmer überhaupt noch aus dieser Komfortzone wagen?
Für die meisten Firmen ist das eine Frage, die schon längst beantwortet ist. Die Bäckerei im Dorf wird nicht mehr international expandieren. Und der mittelständische Hidden Champion ist bereits global engagiert. Es geht also nicht um Ja oder Nein, sondern darum, wie man sich im Ausland bewegt. Und da gilt: Je höher das Risiko, desto höher die Renditechancen.

Wie geht man also am besten mit den Risiken um?
Als erstes muss man verstehen, ob ein bestimmtes Problem das eigene Geschäftsmodell überhaupt betrifft. Als sehr einfaches Beispiel: Wer kaum Kunden oder Lieferanten in den USA hat, für den hat ein Präsident Trump keine große Bedeutung.

„Alleine durch den Versuch, etwas vorherzusehen, wird man im Ernstfall besser vorbereitet sein“

Und wenn es eben doch so ist? Wie reagiert man dann?
Nehmen wir das Beispiel des angekündigten Mauerbaus zwischen Mexiko und den USA. Als Autohersteller ist es dann wichtig, dass die Lieferkette von Zulieferer zur Fabrik über die Grenze funktioniert. Dazu muss man sich Verbündete suchen, bei anderen Herstellern oder bei Verbänden, weil alle das gleiche Problem haben. Dann kann daraus etwas Gutes entstehen. Das Schlimmste was man tun kann ist, wie das Kaninchen vor der Schlange zu sitzen.

Eine solche Situation hätte man vor zwei Jahren doch kaum erwarten können. Kann man darauf vorbereitet sein?
Man kann einige Risiken versichern, einige unternehmerisch abfedern, und einige muss man einfach erdulden. Es ist unmöglich, sich gegen alle Risiken zu verteidigen. Aber man kann sich natürlich überlegen: Welche Entwicklungen sind für unser Geschäftsmodell von heute und morgen relevant. Dann kann man Szenarien durchspielen. Nur: Ich wehre mich dagegen eine Scheingenauigkeit zu erzeugen. Man kann nicht bis auf die letzte Nachkommastelle vorhersagen, wie sich ein Risiko entwickeln wird. Es werden immer Dinge passieren, die man nicht weiß und nicht wissen konnte und die das gesamte Geschäftsmodell bedrohen.

Wie geht man als Management mit dieser Unvorhersehbarkeit um?
In der heutigen Zeit hat sich jede Planung zum Zeitpunkt ihrer Fertigstellung überholt. Das heißt aber nicht, dass man nicht mehr planen sollte, im Gegenteil: Es ist so wichtig wie nie. Man lernt dadurch, wo man eine Entwicklung oder einen Fakt unter- oder überschätzt hat. Alleine durch den Versuch, etwas vorherzusehen, wird man im Ernstfall besser vorbereitet sein.

Wie weit trägt man dieses Risikobewusstsein von der Chefetage in die Belegschaft?
Es kommt immer auf die konkrete Aufgabe an. Wenn Sie einen Mitarbeiter nach Brasilien schicken, um ein Werk instand zu halten, dann muss der natürlich die Reiserisiken vor Ort kennen, aber auch, nach welchen Regeln dort produziert wird. Ein Werksleiter muss darüber hinaus wissen, welche Compliance-Regelungen zu beachten sind.

Sie beraten Unternehmen auch bei der Entsendung von Mitarbeitern. Was ist die wichtigste Lektion, die Sie dort vermitteln?
Am liebsten schulen wir die Belegschaft dann ausgehend von konkreten Fällen und in der Infrastruktur des Unternehmens. Danach muss man praktisch üben, damit das Wissen erhalten bleibt. Zeit ist dabei der entscheidende Faktor. Ein Mitarbeiter muss schnell auf Risiken aufmerksam werden und vor Ort bereits handeln können. Wenn man im Ernstfall erst mal schauen muss: Wer kann mir eigentlich helfen? Dann ist es zu spät.

So läuft das Anti-Terror-Training ab
Theorie und Praxis: „Handlungsfähig bleiben, trotz Gewalt“ nennen die Veranstalter Jörg Dreger, David Hartmann und Alexander Krutzek ihr Anti-Terror-Training auf einem Übungsgelände nahe Frankfurt. Bevor es an die Waffen geht, muss erst Theorie gepaukt werden. Wie ist die rechtliche Lage in Bürgerkriegsgebieten und wie verhält man sich unter Beschuss?Die große Geschichte "Mittelständler mit Kalaschnikow" lesen Sie hier. Quelle: Katrin Binner für WirtschaftsWoche
Fokus Mittelstand: Jörg Dreger arbeitete viele Jahre für IBM, wo er in den Neunzigerjahren den Geschäftsbereich Mittelstand in Russland verantwortete. Russland war damals unsicher, also spezialisierte Dreger sich auf das Thema. Heute ist er Ausbilder und Veranstalter des Anti-Terror-Trainings. „Unser Fokus liegt auf Mittelständler, weil diese normalerweise keine eigene Sicherheitsabteilung haben“, sagt Dreger. Quelle: Katrin Binner für WirtschaftsWoche
Terrorist im Anmarsch: Das Anti-Terror-Seminar richtet sich an Geschäftsreisende, die den Worst Case durchspielen und auf Straftaten vorbereitet sein wollen. Sie erhalten theoretische und praktische Handlungsanweisungen für Terrorgefahr und damit eine Art Survival-Kit für Reisen in Teile Afrikas, nach Pakistan oder Afghanistan. Was bedeutet es, wenn man in einen Staatsstreich gerät? Was tun, wenn Terroristen mit Sturmgewehren vor der Firmenzentrale auftauchen? Quelle: Katrin Binner für WirtschaftsWoche
Kleinkrieg nahe dem Frankfurter Flughafen:  Auf dem Trainingsgelände stehen Container, Übungshäuser, ein Schießstand, ein Panzer und ein Hubschrauber. Regelmäßig trainieren hier Spezialeinheiten der Polizei und der Bundeswehr.  Seit kurzem trainieren hier auch Mittelständler, Freiberufler und Manager mit Schusswaffen und üben das Verhalten in Terrorlagen. Quelle: Katrin Binner für WirtschaftsWoche
Keine Angst vor der Kalaschnikow: Zum Training gehört auch die Waffenkunde und das scharfe Schießen mit einer Kalaschnikow. „Es wurden sieben Millionen G3 verkauft, zehn Millionen Uzi-Maschinenpistolen, aber von der Kalaschnikow sind 100 Millionen vom Stapel gelaufen“, sagt Ausbilder David Hartmann. „Wer in einen bewaffneten Konflikt kommt, hat es mit einer Kalaschnikow zu tun.“ Quelle: Katrin Binner für WirtschaftsWoche
Terror und Panik: In den Übungshäusern finden sich realitätsnahe Szenarien nachgebaut. So sehen sich die Unternehmer und Manager bei den Übungen mit Terroristen, schweren Waffen und Bomben konfrontiert. Die Übungen werden Schritt für Schritt schwieriger. Anschließend können die Teilnehmer die Übungen theoretisch besprechen. Quelle: Katrin Binner für WirtschaftsWoche
Trainieren wie die Profis: Eigentlich trainieren im Meadow Bridge Trainings Center nahe Frankfurt Spezialeinheiten der Polizei und der Bundeswehr. Aufgrund der weltweiten Krisen stieg jedoch die Nachfrage von Unternehmen, die in Krisenländer exportieren. Quelle: Katrin Binner für WirtschaftsWoche

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