
Chef sein könnte so schön sein, wenn nur die Kommunikation nicht wäre: Mitarbeiter motivieren, fordern, fördern, Kunden bezirzen, Verträge aushandeln. Jedes Mal ist ein anderer Cheftyp gefragt, vom verständnisvollen Mentor bis zum kühlen Analysten. Wer diese Bandbreite nicht in seiner Persönlichkeit vereinbart, muss zu verschiedenen Rollen greifen. Das hat nicht unbedingt was mit Schauspielerei zu tun.
Jeder Mensch hat zahlreiche Rollen, die stark vom Kontext abhängen. In der Familie nimmt eine Person typischerweise andere Rollen ein als in ihrem Berufsleben. Auch bei der Führung kommen unterschiedliche Rollen vor. Tatsächlich sind die Ansprüche an die Anzahl und Flexibilität der Rollen bei einer Führungskraft noch höher als bei den Mitarbeitern.
Jemand in leitender Position soll beispielsweise empathisch und persönlich auf die Bedürfnisse der Angestellten eingehen, etwa beim Schlichten von Konflikten. Gleichzeitig muss das Unternehmen mit einem zukunftsorientierten Blick geführt werden, der Innovation ermöglicht. Und natürlich wird auch fachliche Expertise erwartet. Das sind nur einige Beispiele für die Rollen einer Führungskraft, die Liste ist unbegrenzt.
Über den Autor
Prof. Dr. Johannes Moskaliuk wirkt an der Schnittstelle von Wissenschaft und Wirtschaft: Als promovierter Psychologe forscht er an der Universität Tübingen und lehrt an der EBC Hochschule in Düsseldorf mit einem Schwerpunkt auf Personalpsychologie. Als Business-Coach berät er Führungskräfte und bloggt über Leadership.
Warum Führungsrollen so nützlich sind
- Führungsrollen sind nützlich, um das Verhalten von Führungskräften zu kategorisieren. Es gibt aber nicht die eine wahre Einteilung. Manche Experten nennen fünf Führungsrollen, andere arbeiten mit acht. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange die Kategorien sich sinnvoll einsetzen lassen.
- Führungskräfte und ihre Rollen können durchaus auch gegensätzliche Eigenschaften beinhalten. Oft ist das für ihren Erfolg sogar notwendig. Die Führungsrollen schließen sich nicht gegenseitig aus, sie ergänzen sich vielmehr. Sie können beispielsweise in der einen Situation auf die Rolle verständnisvoller Freund zurückgreifen und in der anderen die Rolle strenger Vorgesetzter einnehmen – solange Sie den Kontext richtig wählen.
- Auch wenn Sie eine Rolle einnehmen, werden Handeln und Charaktereigenschaften natürlich aus Ihrer Persönlichkeit gespeist. Nur weil es sich um Rollen handelt, heißt das also nicht, dass Sie jemandem etwas vormachen. Manche Rollen passen besser zu Ihrer Persönlichkeit als andere und fallen Ihnen daher auch leichter.
Führungsrollen helfen Ihnen, Ihr eigenes Führungsverhalten zu reflektieren und weiterzuentwickeln. Sie können als unterstützendes Muster dienen, um das optimale Vorgehen für eine Situation zu wählen. Führungsrollen helfen so dabei, Führungsverhalten jeweils an Situation, Person und Anliegen anzupassen. Außerdem helfen diese Rollen dabei, konsequent zu handeln: Dabei kommt es darauf an, in ähnlichen Situationen auf die gleiche Rollen zurückzugreifen. Widersprüchlich wirkt es erst dann, wenn Sie in ähnlichen Situationen mal als verständnisvoller Freund auftreten und mal als strenger Vorgesetzter.
Mit Hilfe von Führungsrollen können Sie außerdem besser an sich und Ihren Schwächen arbeiten. Denn es fällt leichter, gezielt an einzelnen Führungsrollen zu arbeiten als am gesamten Führungsverhalten. Sie merken auch, in welcher Rolle Sie einfach nicht gut sind, und können sich rechtzeitig Unterstützung holen.
Drei Führungsrollen, mit denen Sie jede Situation meistern
Bei der Arbeit mit Menschen in Führungspositionen hat sich eine Aufteilung in drei relativ simple Rollen bewährt.
1) Manager
In der Rolle des Managers benutzen Sie Methoden, um zum Ziel zu kommen. Sie wenden Ihre fachliche Expertise an. Der Manager geht klar und strukturiert vor. Sie haben ein eindeutiges und messbares Ziel vor Augen (zum Beispiel: Produktionskosten um ein Prozent senken) und müssen nur noch die richtigen Mittel und Wege herausfinden, um dieses Ziel zu erreichen. Sie machen den Mitarbeitenden klare Vorgaben und überprüfen, ob die Ziele erreicht werden können. Diese Rolle kann beispielsweise eingesetzt werden, wenn Personalbudget umstrukturiert, Verhandlungen vorbereitet oder Leistungen kontrolliert werden müssen.
2) Coach
Als Coach nehmen Sie eine beratende und begleitende Rolle ein. Der Fokus liegt auf dem Prozess, und nicht dem Ergebnis. Ihr Ziel ist es, die Mitarbeitenden dabei zu unterstützen, das eigene Potential zu entwickeln und selbstständig Lösungen zu finden. Als Coach sind Sie immer dann gefragt, wenn es um Kommunikation geht. Sie schlichten, motivieren, greifen bei persönlichen Problemen der Mitarbeitenden ein und geben ihnen Raum für die eigene Entwicklung. Der Coach kommt am besten zum Einsatz, wenn Teams zusammengestellt werden, Mitarbeiter gefördert und motiviert werden sollen oder man mit Beschwerden umgehen muss.
3) Leader
Als Leader benutzen Sie vor allem Visionen und arbeiten mit Charisma. Hier geht es darum, die gemeinsamen Werte des Unternehmens oder der Organisation transparent zu machen und das “große Ganze” im Blick zu behalten. Ihre Ziele als Leader sind weniger greifbar als die des Managers (z.B. Service-orientiertes Unternehmen oder nachhaltiges Design). In der Rolle Leader geben Sie auch die übergeordneten Ziele für die Rollen Manager und Coach vor. Dafür benötigen Sie insbesondere Kreativität. Den Leader brauchen Führungskräfte, wenn sie neue Produktideen entwickeln, Verhandlungsziele setzen oder Expansionspläne aufstellen.
Wie Sie Führungsrollen trainieren können
Eine Mitarbeiterin vertraut sich Ihnen an. Sie fühlt sich zu wenig gefordert in Ihrer Stelle und bittet um komplexere Aufgaben. Sie könnten nun jede der drei Rollen einnehmen: Als Coach würden Sie versuchen, die Situation der Mitarbeiterin genauer zu verstehen. Ist sie mit allen Aufgaben unterfordert oder nur mit bestimmten? Möchte sie gerne zusätzliche Aufgaben übernehmen oder Ihre Aufgaben durch neue ersetzen? In welche Richtung möchte sie sich weiterentwickeln?
Als Manager würden Sie sich die aktuelle Personalstruktur ansehen und überlegen, ob und wie die Aufgaben der Mitarbeiterin verändert werden könnten. Zudem würden Sie kontrollieren, wie es denn tatsächlich um die Leistung der Mitarbeiterin steht und wie das mit ihrer Unzufriedenheit zusammenpasst. Bis Sie das geklärt haben, können Sie der Mitarbeiterin nur eher vage Infos geben, zum Beispiel: “Ich sehe, was ich tun kann”. Als Leader nehmen Sie Bezug zum großen Ganzen und überlegen, wie Sie die Arbeitsstrukturen im Unternehmen revolutionieren können – beispielsweisedurch firmenweite Wettbewerben für innovative Ideen. Das Ergebnis in der akuten Situation ist ähnlich wie beim Manager: Sie müssen die Mitarbeiterin erst mal vertrösten. Selbst wenn Ihnen die Wettbewerbsidee gleich kommt, wird die Mitarbeiterin das kaum als konkrete Lösung für ihre Situation sehen.
Hier wäre die Rolle des Coachs am nützlichsten. Nur so fühlt sich die Mitarbeiterin ernstgenommen und geht mit einem guten Gefühl aus dem Gespräch heraus. Erst danach sollte der Manager zum Einsatz kommen und auf langfristige Sicht ist natürlich auch die Herangehensweise des Leaders gefragt.
Die Führungsrolle, die Sie zeigen, muss also zur Situation, zum Mitarbeitenden und dem Anliegen passen. Dabei können Sie sich auf von strategischen Überlegungen leiten lassen. Wann führt welche Rolle zum gewünschten Erfolg?
Ein großes Problem für viele Führungskräfte ist die fehlende Balance zwischen den Rollen. Gerade in Start-Ups gibt es reichlich Visionen vom Leader, doch keiner weiß, wie die tollen Ideen umgesetzt werden können. Es fehlt das strukturierte Vorgehen des Managers. Achten Sie also darauf, alle drei Rollen einzusetzen und zu analysieren, wo Sie Entwicklungsbedarf haben.