




Als Klaus Eidenschink der desolate Zustand des Unternehmens bewusst wurde, war es fast zu spät: Die Firma, in die der Berater gerufen wurde, war in einer schweren Liquiditätskrise. Ein Gesellschafter hatte Eidenschink engagiert, um die zweite Führungsebene zu coachen - zumindest vordergründig. In Wirklichkeit machte sich der Mann Sorgen um die Firma. Er warf dem Geschäftsführer vor, unrealistische Wachstums- und Finanzplanungen zu machen und den Markt falsch einzuschätzen. Außerdem halte der Vertrieb kritische Informationen zurück und es gäbe eine enorme Konkurrenz um die Gunst des Geschäftsführers.
Besagter Geschäftsführer - ein äußerlich jovial und zuvorkommender Mann mit rhetorischem Geschick - sah die Situation jedoch total anders: Das Problem sei einzig die zweite Führungsebene: Die sei unreif und führungsbedürftig. Ansonsten sei alles gut, mit Ausnahme vielleicht des Gesellschafters – der sei in letzter Zeit etwas schwierig geworden.
Letztendlich konnte der Coach und Organisationsberater nicht helfen, die Firma hatte die Arbeit mit ihm aus Budgetgründen eingestellt. Am Ende ging das Unternehmen mitsamt seinen 120 Mitarbeitern pleite. In einem Fachartikel bescheinigt Eidenschink dem Unternehmen später eine "narzisstische Führungsumwelt." Der Chef litt an einem aufgeblähten Selbstbewusstsein, chronischer Überschätzung des eigenen Selbst und nahm wenig Rücksicht auf die Bedürfnisse anderer.
"Narzissmus kann entstehen, wenn ein Kind in einer kritischen Phase spürt, dass es Anerkennung und Wertschätzung nur durch eine bestimmte Leistung bekommt", sagt Gerhard Dammann, Ärztlicher Direktor an der Psychiatrischen Klinik in Münsterlingen in der Schweiz. Für Kinder sind Liebe und Zuneigung von frühen Bezugspersonen wie den Eltern von existentieller Bedeutung. Fehlt die in der Kindheit, fehlt die Erkenntnis: Ich bin liebenswert, so wie ich bin. Oftmals wird das spätere Leben dann zu einer verzweifelten Suche nach Anerkennung. Im Mittelpunkt des eigenen Tuns steht ständig die Frage: "Wer muss ich sein, um Anerkennung und Aufmerksamkeit von andern zu bekommen?"
Narzissten errichten deshalb eine Fassade, die nach außen möglichst attraktiv erscheint. Oft wirken sie sehr selbstbewusst, charismatisch oder redegewandt – Eigenschaften, die sie für die Unternehmensführung prädestinieren – innerlich bleiben sie jedoch verunsichert und depressiv.
Psychologen schätzen den Anteil der Menschen mit narzisstischer Persönlichkeitsstörung auf vier Prozent. Viele Experten glauben, dass ihr Anteil in Führungspositionen wesentlich höher ist. Dammann bezeichnet den Narzissmus sogar als "Leitneurose der Gegenwart."
Was passiert in solchen Firmen, denen ein solcher Manager vorsteht? Das Drama in vier Akten:
Akt 1: Beschönigen oder Verschweigen wichtiger Informationen
Je narzisstischer eine Führungskraft, desto schwerer fällt es ihr, kritische und abweichende Sichtweisen gelten zu lassen. In Meetings bügeln narzisstische Chefs oft jeden Widerspruch nieder. Personen mit abweichender Meinung sortieren sie mental in ein feindliches Lager ein, werten sie ab oder feuern die ungeliebten Mitarbeiter.





Die Mitarbeiter, denen ihr Job lieb ist, halten sich also mit Kritik am Chef zurück und verschweigen oder bagatellisieren vielleicht sogar kritische Informationen. "Ich habe Unternehmen erlebt, in denen Mitarbeiter nachgerade unterrichtet und eingewiesen wurden, worüber nicht gesprochen werden darf", erklärt Führungskräfte-Coach Eidenschink.