Manchmal ist die Welt ein ungerechter Ort. Clemens Tönnies hat es nicht nur durch das Schlachten und Zerlegen von Schweinen zum Milliardär gebracht, nein, zudem rettete er als Aufsichtsratschef auch noch Schalke 04 vor einer möglichen Pleite. Und doch – die Presse zeichnet von ihm immer nur ein Bild: Als bauernschlauen Metzger stellen sie ihn dar, der sich in allerfeinster Seifenopermanier mit seinem Neffen um die Macht im Metzgerreich streitet.
Schuld daran sind vor allem Begebenheiten wie diese: Tönnies präsentierte sich stets als das soziale Gewissen seiner Heimatstadt Rheda-Wiedenbrück, sprach sich gar als einer der wenigen Unternehmer für den Mindestlohn aus – dumm nur, dass dann zwei Reporter der „Zeit“ recherchierten, dass Tönnies via Subunternehmen selbst seine Fabrikarbeiter nicht gerade fürstlich behandelt.
Warum die Welt Tönnies nicht sieht, wie Tönnies sich gerne in der Welt inszeniert, liegt womöglich daran, dass Selbst- und Fremdbild auseinanderklaffen. Doch wie kann das sein? Schließlich kriegt der Manager doch regelmäßig in den Medien zu lesen, wie er nach außen wirkt. Vermutlich gründet des Metzgers Missverständnis auf einem altbekannten Phänomen, das der Schriftsteller Ödön von Horváth einst mit den Worten beschrieb: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ Ein Dilemma, von dem gerade mächtige Männer betroffen sind.
Berufseinsteiger und Top-Manager schätzen sich falsch ein
Der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff etwa, der von „normalen Reisetätigkeiten“ sprach, wenn er seine 80.000 Euro teuren Helikopterflüge auf Kosten eines Konzerns meinte, der kurz vor der Pleite stand. Oder auch Franz Beckenbauer, der kürzlich in einem Interview zur Vergabe-Affäre um die Fußballweltmeisterschaft 2006 zu Protokoll gab, einfach blind „alles unterschrieben“ zu haben, was ihm vorgelegt wurde.
„Neben Berufsanfängern haben hierarchiehohe Manager sicherlich die größten Wahrnehmungsschwierigkeiten“, sagt der Psychologe Rüdiger Hossiep. „Ihnen werden meist nur die Erfolgsmeldungen weitergeleitet – läuft hingegen etwas schief, traut sich niemand, was zu sagen.“ Bleibt dieser Zustand über Jahre bestehen, kann das fatale Folgen für das Ego der Manager haben: Es wächst ins Unermessliche. „Nach drei bis vier Jahren ereilt dieses Schicksal jeden Manager, der sich nicht offen für Kritik zeigt“, sagt Hossiep.
Angestellte sind mit Chefs unzufrieden
Laut einer Forsa-Umfrage halten sich 95 Prozent der Manager für eine gute und allseits akzeptierte Führungskraft. Demgegenüber steht eine völlig andere Zahl: Das Meinungsforschungsinstituts Gallup hat in einer Umfrage herausgefunden, dass 85 Prozent der Beschäftigten im Job unzufrieden sind. Die Hauptursache – ein schlechter Chef. Und damit nicht genug. Der Beratungs- und Weiterbildungsanbieter Comteam hat 556 Fach- und Führungskräfte befragt, wie empathisch sie sich selbst einschätzen würden. Auf einer Skala von eins bis fünf, wobei Letzteres „sehr hoch“ bedeutet, verliehen sich die Manager im Schnitt vier Punkte. Die Mitarbeiter hingegen bewerteten ihre Chefs sehr viel schlechter, nämlich nur mit maximal 2,5 Punkten.
So gehen Sie mit einem narzisstischen Chef am besten um
Akzeptieren Sie den Narzissten so, wie er ist. So banal es auch klingt, aber manche Menschen ändern sich nicht – und für diese Sisyphos-Aufgabe sind Sie ohnehin nicht der oder die Richtige.
Stellen Sie seine vermeintliche Großartigkeit nie öffentlich infrage – denn selbst auf konstruktive Kritik reagieren Narzissten häufig allergisch.
Seien Sie auf Detailarbeit vorbereitet – aber erwarten Sie nicht, für Ihre Ideen und Überstunden gelobt zu werden. Denn das Rampenlicht will ein Narzisst nicht teilen. Deshalb sollten Sie Ihre Zufriedenheit nie von seiner Laune und seinem Wohlwollen abhängig machen.
Schützen Sie sich selbst. Bleiben Sie dem Narzissten gegenüber professionell. Ihre Gefühle sollten Sie mit ihm nicht teilen. Dadurch bieten Sie ihm so wenig Angriffsfläche wie möglich.
Achten Sie auf Ihre Formulierungen. Wenn Sie etwas von einem Narzissten wollen, betonen Sie nicht, was Sie selbst davon haben – sondern welche Vorteile er daraus ziehen könnte.
Aber warum schätzen Menschen sich falsch ein? Wieso denkt der eine, ein begnadeter Redner zu sein, während seine Kollegen jedes Mal vor Langeweile fast einschlafen? Und der andere, dass er sich schier zu Tode arbeitet, obwohl er eigentlich nur Dienst nach Vorschrift leistet?