Selbstwahrnehmung Manager halten sich für toller, als sie sind

Nur Wurstkönig oder Retter der Nation? Normaler Pendler oder Protz mit Dienst-Helikopter? Selbst- und Fremdbild klaffen häufig auseinander. Vor allem bei Chefs. Wie Sie sich realistisch einschätzen.

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Als Chef sich selbst richtig einschätzen. Quelle: Getty Images, Montage

Manchmal ist die Welt ein ungerechter Ort. Clemens Tönnies hat es nicht nur durch das Schlachten und Zerlegen von Schweinen zum Milliardär gebracht, nein, zudem rettete er als Aufsichtsratschef auch noch Schalke 04 vor einer möglichen Pleite. Und doch – die Presse zeichnet von ihm immer nur ein Bild: Als bauernschlauen Metzger stellen sie ihn dar, der sich in allerfeinster Seifenopermanier mit seinem Neffen um die Macht im Metzgerreich streitet.

Schuld daran sind vor allem Begebenheiten wie diese: Tönnies präsentierte sich stets als das soziale Gewissen seiner Heimatstadt Rheda-Wiedenbrück, sprach sich gar als einer der wenigen Unternehmer für den Mindestlohn aus – dumm nur, dass dann zwei Reporter der „Zeit“ recherchierten, dass Tönnies via Subunternehmen selbst seine Fabrikarbeiter nicht gerade fürstlich behandelt.

Warum die Welt Tönnies nicht sieht, wie Tönnies sich gerne in der Welt inszeniert, liegt womöglich daran, dass Selbst- und Fremdbild auseinanderklaffen. Doch wie kann das sein? Schließlich kriegt der Manager doch regelmäßig in den Medien zu lesen, wie er nach außen wirkt. Vermutlich gründet des Metzgers Missverständnis auf einem altbekannten Phänomen, das der Schriftsteller Ödön von Horváth einst mit den Worten beschrieb: „Ich bin nämlich eigentlich ganz anders, aber ich komme nur so selten dazu.“ Ein Dilemma, von dem gerade mächtige Männer betroffen sind.

Berufseinsteiger und Top-Manager schätzen sich falsch ein

Der ehemalige Arcandor-Chef Thomas Middelhoff etwa, der von „normalen Reisetätigkeiten“ sprach, wenn er seine 80.000 Euro teuren Helikopterflüge auf Kosten eines Konzerns meinte, der kurz vor der Pleite stand. Oder auch Franz Beckenbauer, der kürzlich in einem Interview zur Vergabe-Affäre um die Fußballweltmeisterschaft 2006 zu Protokoll gab, einfach blind „alles unterschrieben“ zu haben, was ihm vorgelegt wurde.

Was Macht aus den Menschen macht
Ein Mann mit einer Glühbirne als Kopf, Symbolbild
Ein Mann mit einer Sonnenbrille, auf den gezeichnete Hände zeigen, Symbolbild Quelle: Fotolia
Ein großer und ein kleiner Mann, Symbolbild
Mächtige haben das Gefühl, mehr Zeit zur Verfügung zu haben Quelle: Fotolia
Macht macht fies Quelle: Fotolia
Wer keine Macht hat, fühlt sich kraftloser Quelle: Fotolia
Wer eine dominante Körperhaltung einnimmt, fühlt sich mächtig Quelle: Fotolia

„Neben Berufsanfängern haben hierarchiehohe Manager sicherlich die größten Wahrnehmungsschwierigkeiten“, sagt der Psychologe Rüdiger Hossiep. „Ihnen werden meist nur die Erfolgsmeldungen weitergeleitet – läuft hingegen etwas schief, traut sich niemand, was zu sagen.“ Bleibt dieser Zustand über Jahre bestehen, kann das fatale Folgen für das Ego der Manager haben: Es wächst ins Unermessliche. „Nach drei bis vier Jahren ereilt dieses Schicksal jeden Manager, der sich nicht offen für Kritik zeigt“, sagt Hossiep.

Angestellte sind mit Chefs unzufrieden

Laut einer Forsa-Umfrage halten sich 95 Prozent der Manager für eine gute und allseits akzeptierte Führungskraft. Demgegenüber steht eine völlig andere Zahl: Das Meinungsforschungsinstituts Gallup hat in einer Umfrage herausgefunden, dass 85 Prozent der Beschäftigten im Job unzufrieden sind. Die Hauptursache – ein schlechter Chef. Und damit nicht genug. Der Beratungs- und Weiterbildungsanbieter Comteam hat 556 Fach- und Führungskräfte befragt, wie empathisch sie sich selbst einschätzen würden. Auf einer Skala von eins bis fünf, wobei Letzteres „sehr hoch“ bedeutet, verliehen sich die Manager im Schnitt vier Punkte. Die Mitarbeiter hingegen bewerteten ihre Chefs sehr viel schlechter, nämlich nur mit maximal 2,5 Punkten.

So gehen Sie mit einem narzisstischen Chef am besten um

Aber warum schätzen Menschen sich falsch ein? Wieso denkt der eine, ein begnadeter Redner zu sein, während seine Kollegen jedes Mal vor Langeweile fast einschlafen? Und der andere, dass er sich schier zu Tode arbeitet, obwohl er eigentlich nur Dienst nach Vorschrift leistet?

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