Selbstwahrnehmung Manager halten sich für toller, als sie sind

Seite 2/3

Positives Selbstbild ist Schutz vor Zweifeln

„Der Mensch ist darauf angelegt, sich ein positives Selbstbild aufzubauen“, sagt Uwe Kanning, Wirtschaftspsychologe an der Hochschule Osnabrück. Es ist der altbekannte Reflex, nachdem etwas schiefgelaufen ist, den Fehler erst einmal bei den anderen zu suchen und nicht bei sich selbst. Jeder, der in der Schule oder an der Universität mal einen Test versemmelt hat, kennt das: Entweder war die Frage irreführend oder der Professor schlecht drauf. Grundsätzlich ist das sogar ein guter Schutzmechanismus. Sich jeden Abend vor lauter Selbstzweifel in den Schlaf zu weinen wäre auch keine gute Alternative.

Dass die eigene Wahrnehmung von der anderer abweicht, hat aber noch weitere Gründe. Zum einen liegt es an den unterschiedlichen Informationen, aufgrund derer sich Selbst- und Fremdbild zusammensetzen. Wer über das eigene Handeln nachdenkt, dem stehen mehr Quellen zur Verfügung als dem Rest der Welt. Sehen andere nur das tatsächliche Verhalten, weiß der Betroffene hingegen auch, warum er so gehandelt hat und welche Bedenken ihn vielleicht plagten. Diese Erklärungen stehen den anderen jedoch nicht zur Verfügung, deshalb entstehen häufig Missverständnisse.

Ursachen werden oft der Persönlichkeit zugeschrieben

Bewertet zum Beispiel der Chef einen seiner Mitarbeiter stets besonders kritisch, heißt das nicht zwangsläufig, dass er auch besonders schlechte Ergebnisse liefert. Ganz im Gegenteil: Vielleicht handelt es sich sogar um seine beste Kraft, die er versucht zu fördern. Der Mitarbeiter kennt diese Begründung aber nicht, fühlt sich schlecht und denkt, dass er im Job versagt.

Zum anderen ist ein Phänomen schuld, dass Sozialpsychologen fundamentalen Attributionsfehler nennen. Gemeint ist damit die Neigung, Ursachen für bestimmte Verhaltensweisen der Persönlichkeit zuzuschreiben. Vergisst der Kollege beispielsweise morgens zu grüßen, legen andere das schnell als Unfreundlichkeit aus. Dabei war er in Wahrheit einfach nur gestresst oder hat seine Brille vergessen und den Kollegen schlicht nicht erkannt. Einen Teil trägt aber auch die Unternehmenskultur bei.

Keine Zeit für Kritik

„Es gibt insgesamt einen Abbau von Gesprächsbereitschaft im Job“, sagt Experte Hossiep. „Durch die Digitalisierung und Globalisierung hat sich das Arbeitstempo so drastisch erhöht, dass sich nur noch wenige Führungskräfte Zeit nehmen für solch vermeintliche Nichtigkeiten.“ Besonders deutlich zeige sich das überraschenderweise bei Start-ups, eigentlich immer Vorzeigeobjekte guter Führung – inklusive Feel-good-Manager und Duzkultur. Doch zwischen Partys und Nachtschichten bleibt scheinbar keine Zeit für Kritik.

Tipps für ehrliche Kritik

Bekannte Gründer wie der Rocket-Internet-Chef Oliver Samwer, zu dessen Imperium unter anderem der Onlinehändler Zalando zählt, führen ihr Unternehmen dem Vernehmen nach so hierarchisch wie der klassische Industriepatriarch – mit einem Unterschied: Statt „Sie haben doch keine Ahnung!“ heißt es dann eben „Du hast doch keine Ahnung!“.

Dabei ist die Fähigkeit zur Selbstreflexion eine der wichtigsten Kompetenzen, die ein Manager mitbringen muss, meint Psychologe Kanning. Nur wer sich selbst hinterfragt, kann auch aus seinen Fehlern lernen – und dadurch zu einem besseren Chef werden. Dafür ist die Rückmeldung der Mitarbeiter essenziell. „Bekomme ich kein Feedback, ist das wie Fliegen im Blindflug“, sagt Experte Hossiep. Das zu bekommen ist allerdings gar nicht so leicht.

Inhalt
Artikel auf einer Seite lesen
© Handelsblatt GmbH – Alle Rechte vorbehalten. Nutzungsrechte erwerben?
Zur Startseite
-0%1%2%3%4%5%6%7%8%9%10%11%12%13%14%15%16%17%18%19%20%21%22%23%24%25%26%27%28%29%30%31%32%33%34%35%36%37%38%39%40%41%42%43%44%45%46%47%48%49%50%51%52%53%54%55%56%57%58%59%60%61%62%63%64%65%66%67%68%69%70%71%72%73%74%75%76%77%78%79%80%81%82%83%84%85%86%87%88%89%90%91%92%93%94%95%96%97%98%99%100%