Muss man sich darauf einlassen, von heute auf morgen ohne jede Vorwarnung hunderte Kilometer weit weg versetzt zu werden? Womöglich ohne Begründung? So lief es bei dem Filialleiter einer Versicherung, der mehr als zwanzig Jahre in Berlin gearbeitet hatte - und dort auch mit seiner Familie lebte. Am Rande einer Fortbildung in der Zentrale in Köln eröffnete ihm sein Vorgesetzter, dass sich sein Arbeitsplatz ab sofort in Domstadt befände. Er könne direkt hier im Rheinland bleiben, gleich morgen ginge es los.
Mit diesem Versetzungstrick setzen Unternehmen - typischerweise altgediente - Führungskräfte unter Druck, damit sie aufgeben und die Firma von selbst verlassen. Ohne goldenen Handschlag.
Über die Serie
Unternehmen greifen immer öfter zu fiesen Tricks, wenn sie sich von Führungskräften trennen möchten. Oft ist die Strategie nicht gleich erkennbar, aber es gibt Indizien. Die Varianten schildert Christoph Abeln, Fachanwalt für Arbeitsrecht und seit vielen Jahren auf die Vertretung von Managern und leitenden Angestellten spezialisiert. In der neuen WiWo-Serie zeigt der Rechtsanwalt die Methoden auf, die ihm tagtäglich begegnen.
Redaktion: Claudia Tödtmann
Sie werden woanders gebraucht
Die Begründungen für ein solches Vorgehen sind mannigfaltig: Mal heißt es, dass der aktuelle Job wegfalle - etwa wegen Restrukturierung. Mal sagt man dem Mitarbeiter, dass seine Erfahrungen an anderer Stelle gebraucht werden. Die härteste Variante: Das Unternehmen gibt einfach gar keine Begründung an und zeigt der Führungskraft die kalte Schulter.
Häufiger aber passiert es, dass man dem Mitarbeiter sagt, die aktuelle Stelle sei leider nicht mehr existent und nur anderswo sei überhaupt noch eine Stelle frei.
Grundsätzlich können Unternehmen nicht einfach so den Arbeitsort ihrer Mitarbeiter im Handstreich ändern. Schon gar nicht über hunderte Kilometer.
Aber weil 99 Prozent der Führungskräfte in ihrem Vertrag eine sogenannte Versetzungsklausel stehen haben, geht es eben doch. Die lautet dann ungefähr so "...behalten wir uns vor, Sie an einem Ort unserer Wahl zu beschäftigen...". In manchen Verträgen ist gar nicht erst ein Arbeitsort bestimmt.
Erst mal gehorchen - sicherheitshalber
Schon sicherheitshalber sollte man solch in dem Fall erst mal gehorchen. Wer es nicht macht, riskiert, dass ihm Arbeitsverweigerung unterstellt wird - und liefert schon damit einen sofortigen Kündigungsgrund. Ohne Abfindung.
Klar ist: Nicht einmal eine konkrete Frist muss das Unternehmen bei solch einer Versetzung einhalten, sagt das Bundesarbeitsgericht. Es muss in all diesen Fällen nur "billiges Ermessen" ausüben - nicht zu verwechseln mit dem viel weiterem, "freien Ermessen".