Wenn Fachkräfte Mangelware sind, kommt es für Unternehmen auf jeden guten Mitarbeiter an. Zeichnet sich eine Kündigung ab, bleibt Chefs noch ein letztes Notfallinstrument: Das Bleibegespräch. „Ein solches Gespräch kann dabei helfen, die drohende Kündigung eines Teammitglieds abzuwenden und den Mitarbeitenden im Unternehmen zu halten“, erklärt die selbstständige HR-Beraterin Amelie Köpple. Die Personalexpertin führt selbst solche Gespräche und hat damit nach eigener Aussage bislang sehr gute Ergebnisse erzielt. Ein Großteil der Kündigungen lasse sich auf diese Weise vermeiden, sagt sie – vorausgesetzt, Einstellung und Strategie stimmen beim Bleibegespräch.
Viele Vorgesetzte scheuen bislang vielleicht eine solche direkte Konfrontation mit einem unzufriedenen Beschäftigten. „Es ist ein sensibles Thema“, räumt Elke Wailand vom Bildungswerk der Bayerischen Wirtschaft ein. Mittlerweile bleibe vielen Firmen aber gar keine Wahl mehr, als noch mit letzter Kraft um einen bewährten Mitarbeiter zu werben. „Fluktuation ist nicht nur teuer, sondern sie gefährdet unter Umständen Unternehmen in ihrer Existenz“, warnt sie mit Blick auf Fachkräftemangel und demografischen Wandel. Existenzbedrohend könnten Kündigungen insbesondere dann werden, wenn ganze Teams von Wettbewerbern weggelockt würden.
Mitarbeiter halten dank Bleibegespräch
Aber auch bei weniger dramatischen Exits lohnt es sich nach Ansicht der Expertin, Zeit und womöglich auch Geld in ein Bleibegespräch zu investieren. „Neubesetzungen verursachen Kosten und das Wissen und die Kompetenzen bleiben dem Unternehmen nicht erhalten“, gibt sie zu bedenken.
Bleibegespräche sind für Wailand zudem ein guter Weg, um die Mitarbeiterzufriedenheit zu verbessern und damit künftigen Kündigungen vorzubeugen. Insbesondere wenn sich Kündigungen häufen, sei es sinnvoll, systematisch Bleibegespräche zu führen. So ließe sich herausfinden, warum Beschäftigte derart unzufrieden sind und möglichst gegensteuern. Schon deshalb sollten sich ihrer Ansicht nach im Grunde alle Unternehmen mit dem Thema „Bleibegespräch“ auseinandersetzen.
Um mit dem Bleibegespräch noch eine Chance zu haben, müssen Chefs und Teamleiter möglichst früh erkennen, dass ein Mitarbeiter auf dem Absprung ist. Die beiden Expertinnen nennen diese möglichen Warnzeichen:
- engagiert sich weniger, etwa in Meetings oder bei Projekten
- leistet weniger, macht mehr Fehler
- ist häufiger krank
- interagiert weniger mit Kollegen, zieht sich zurück
- beschwert sich häufiger
- aktualisiert sein Jobprofil auf Online-Plattformen
- persönliches Umfeld ändert sich
Hinter vielen dieser Punkte können allerdings auch andere Probleme stecken, zum Beispiel ein sich anbahnender Burn-out. Umso wichtiger sei es, stets das Gespräch zu suchen, sagt Köpple – selbst dann, wenn keine Aussicht mehr besteht, einen Mitarbeiter noch zu halten. „Sollte sich im Bleibegespräch herausstellen, dass der Anlass der Kündigung ein rein privater ist, zum Beispiel der Umzug in ein anderes Land oder der Wunsch, sich noch mal neu zu erfinden, kann man den Termin dazu nutzen, den Austritt so positiv wie möglich zu gestalten. So kann man später eventuell wieder für eine Wiedereinstellung anknüpfen.“
Tipps für das Bleibegespräch
Ist der Mitarbeiter aber tatsächlich unzufrieden mit seinem Job, ist beim Bleibegespräch eine vertrauensvolle Atmosphäre an einem ruhigen Ort besonders wichtig. Wailand rät deshalb davon ab, den Beschäftigten zwischen Tür und Angel auf seine möglicherweise bevorstehende Kündigung anzusprechen. „Wichtig ist, dass man zuhört und die Beweggründe ernst nimmt“, unterstreicht Köpple. Wertschätzung und echtes Interesse sind für sie die Schlüssel zum erfolgreichen Bleibegespräch. Der Mitarbeiter müsse zudem mit der Gewissheit aus dem Treffen gehen, dass vereinbarte Maßnahmen wirklich umgesetzt werden.
Bei der Gesprächsführung ist besonderes Feingefühl gefragt. Ist die Führungskraft hier noch nicht sicher, sollte sie sich vorab Unterstützung holen, wie Köpple empfiehlt.
Lesen Sie auch: Rückkehr nach Kündigung: Wie Unternehmen verlorene Talente zurückgewinnen
Die Lösungsansätze müssen dabei laut den Expertinnen von Fall zu Fall anders aussehen. „Es kann kein Einheitsangebot für alle geben“, sagt Wailand. „Nicht immer geht es um Anreize wie Gehaltserhöhung, Beförderung, Zusatzleistungen“, hat sie festgestellt. Manch ein Mitarbeiter lasse sich auch umstimmen, wenn bei Unternehmenskultur, Work-Life-Balance oder Sinnhaftigkeit nachgebessert werde. Köpple stimmt zu: „Jede Person hat andere Ziele und Bedürfnisse, je nach Lebenssituation. Manchen Arbeitnehmenden sind materielle Dinge wichtig, manchen Arbeitnehmenden mehr Freizeit oder Urlaub. Dies gilt es, im gemeinsamen Gespräch herauszufinden und ein exakt auf die Person zugeschnittenes Paket anzubieten.“
Die wichtigsten Tipps für Gehaltsverhandlungen
Überraschen Sie Ihren Vorgesetzten nicht mit einer Gehaltsforderung. Vereinbaren Sie ein Gespräch und machen Sie deutlich, dass Sie über eine Gehaltserhöhung sprechen möchten. Der beste Zeitpunkt für eine Gehaltsverhandlung bietet sich vor allem dann an, wenn Sie ein Projekt erfolgreich abgeschlossen, einen Neukunden gewonnen haben oder die Personalbudgets erhöht wurden.
Sammeln Sie im Vorfeld schlagkräftige Argumente für die Gehaltsverhandlung. Welche Erfolge haben Sie seit Ihrer letzten Gehaltserhöhung erzielt? Hat sich Ihr Aufgabenbereich verändert? Haben Sie Teamverantwortung oder Aufgaben, die nicht direkt zu Ihrem Verantwortungsbereich gehören, übernommen? Ihre Argumente müssen Ihre Forderung stützen, wenn Sie wollen, dass sie erfüllt wird.
Informieren Sie sich über marktübliche Gehälter von Fachkräften mit ähnlicher Qualifikation und Berufserfahrung.
Ist aktuell keine monetäre Gehaltserhöhung möglich, sollten Sie nach Zusatzleistungen oder anderen Verbesserungen, wie Zuschüsse zur Weiterbildung, mehr Urlaub oder flexible Arbeitszeiten, fragen. Zeigen Sie Ihrem Arbeitgeber, dass Sie eine Lösung finden möchten, die für beide Seiten akzeptabel ist.
Wichtig ist, bleiben Sie während des gesamten Gesprächs freundlich und professionell. Dies gilt insbesondere dann, wenn aus bestimmten Gründen derzeit keine Gehaltserhöhung möglich ist. Fragen Sie, wann der richtige Zeitpunkt ist, das Thema erneut anzusprechen. Und in der Zwischenzeit sollten Sie weiter daran arbeiten, Ihre Performance zu verbessern und Ideen einzubringen, die das Unternehmen voranbringen.
Mitarbeitergespräch vorbereiten
Im Bleibegespräch selbst ist dann nach Ansicht der Expertinnen einerseits Einfühlungsvermögen, andererseits aber auch persönliche Distanz gefragt. Wer durch die drohende Trennung auf zwischenmenschlicher Ebene enttäuscht sei, müsse diese Emotion bestmöglich unterdrücken. Stattdessen gelte es, Wertschätzung zu signalisieren: „Lassen Sie das Teammitglied wissen, warum es für das Unternehmen wichtig ist. Beweisen Sie, dass Sie sehen, inwieweit die tägliche Leistung zum Unternehmenserfolg beiträgt. Nehmen Sie die Gefühle Ihres Gegenübers ernst und stellen Sie gezielt Fragen, die zur Lösung beitragen.“
Am Ende des Bleibegesprächs sollte für Wailand feststehen, „wohin die Reise geht: Trennung oder Verbleib“. Für Köpple geht das Meeting bestenfalls so zu Ende: „Einen positiven Abschluss finden und dabei keinen Druck erzeugen.“
Forderungen an den Chef stellen
Im Gegenzug sollte sich auch der Beschäftigte gut auf das Bleibegespräch vorbereiten. „Für den Mitarbeiter muss das Ziel klar sein, was es für ihn persönlich bedeutet zu bleiben und was es für ihn heißt, wenn Wünsche oder Forderungen nicht erfüllt werden können“, sagt Wailand. Für Köpple ist es dabei entscheidend, dass Kritikpunkte bei allem Frust so vorgetragen werden, dass sie für die Gegenseite nachvollziehbar sind.
„Auch Arbeitgeber sind Menschen, die Wertschätzung und Verständnis erfahren wollen“, gibt die HR-Beraterin zu bedenken. „Ich empfehle, im Gespräch möglichst offen und klar zu schildern, in welcher Situation man sich befindet. Kritik am Führungsstil sollten die Arbeitnehmenden mit konkreten Beispielen untermalen und schildern, wie man sich in der Situation gefühlt hat. Eventuell auch Fragen stellen, um Missverständnisse zu vermeiden.“
Ein Bleibegespräch kann laut Köpple aber nur funktionieren, wenn die Unternehmenskultur als solche stimmt. „Die Arbeitnehmenden sollten sich sicher sein können, dass sie mit ihren Anliegen jederzeit auf ihre Führungskraft zugehen können und dort Gehör und Unterstützung finden. So kann man einer möglichen Unzufriedenheit am besten entgegenwirken“, empfiehlt sie und mahnt: „Eine Beziehung muss im Alltag gepflegt werden. Ein Bleibegespräch einmal pro Jahr würde für die Beziehungspflege nicht ausreichen.“
Lesen Sie auch: Die Trennungsangst der deutschen Angestellten