Stellenbörsen für Handwerker Geschäftsmodell Fachkräftemangel

Quelle: imago images

Digitale Stellenbörsen und Netzwerke versprechen, den dramatischen Fachkräftemangel im Handwerk abzumildern. Für Betriebe bleibt das Werben um Mitarbeiter dennoch kompliziert. Profiteure sind in erster Linie die Handwerker – und die Plattformen selbst.

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Eine Anstellung als Handwerker hat goldenen Boden: Den Eindruck, dass diese Weisheit tatsächlich einen wahren Kern hat, stellt sich auf dem Portal PowerUs sofort ein. Kurz seine Qualifizierung angeben, rasch die beruflichen Wünsche definiert – schon locken sieben Angebote in der Nähe: etwa als Servicetechniker für Videoüberwachungsanlagen, als Betreuer für Tankstellentechnik oder als Installateur für Photovoltaikanlagen. Der Dienstwagen darf in vielen Fällen privat genutzt werden, ab und zu wird eine Viertagewoche angeboten, einen Kindergartenzuschuss für den Nachwuchs gibt es ebenfalls. Die Bewerbung ist mit einem Klick möglich. „Handwerker sind gefragt, die können sich aussuchen, was für sie am besten passt“, sagt Konrad Geiger, Co-Gründer von PowerUs.

Gute Bedingungen für die Fachkräfte, schlechte für die Betriebe: Knapp 80.000 Gesellen fehlten im vergangenen Jahr, rechnete das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) Köln aus, dazu kommen noch gut 7000 unbesetzte Meister-Stellen. Und mit dem Wunsch nach mehr Solaranlagen auf deutschen Dächern, nach modernen Heizungsanlagen, nach gut gedämmten Wänden, dürfte die Nachfrage in den kommenden Jahren noch einmal deutlich ansteigen.

Goldene Zeiten für Handwerker – und Plattformen

Die Not der Betriebe steigt, neue Wege bei der Mitarbeitergewinnung zu gehen. Das sorgt dafür, dass auch digitale Plattformen gute Geschäfte machen. Stellenbörsen wie Handwerkerstellen oder Handwerkerjobs verlangen mehrere hundert Euro, um eine Stellenanzeige für einige Woche online zu stellen. „Einige Anbieter versuchen, sich da mit einfachen Mitteln eine goldene Nase zu verdienen“, sagt Christian Keller, der sich mit seiner Agentur Handwerksbetrieben dabei hilft, eine digitale Arbeitgebermarke aufzubauen.

Aus dem Ruhrgebiet soll noch in den nächsten Monaten eine neue Plattform starten, die sich als „faire Jobportal vom Handwerk fürs Handwerk“ positioniert. Beim Berliner Start-up PowerUs, 2019 noch unter anderem Namen gegründet, sind nach eigenen Angaben bereits über 500 Betriebe registriert. Von großen Anbietern wie Thermondo, Viessmann oder Caverion bis hin zum kleinen Betrieb. Mindestens eine niedrige dreistellige Summe pro Monat müssen die Betriebe auch hier zahlen, um mit den mehr als 50.000 registrierten Handwerkern vernetzt zu werden. Und auch die erste Kommunikation direkt über die Plattform abzuwickeln. „Recruiting ist nicht das Kerngeschäft des Handwerksbetriebs“, sagt Geiger, „wir helfen denen, das Thema im hektischen Alltag anzupacken.“

Doch PowerUs will mehr bieten als ein digitales Schwarzes Brett. Neben der Jobvermittlung gibt es auch Foren, in denen sich die Nutzer zu Fachthemen oder Gehaltsfragen austauschen. „Vorher haben die sich in Facebook-Gruppen registriert, aber da waren auch viele Heimwerker dabei“, sagt Gründer Geiger, selbst von Haus aus Imker, „bei uns sind nur Profis auf der Plattform.“ Zudem gibt es bereits die ersten digitalen Weiterbildungskurse bei PowerUs, zu Wärmepumpen, Schaltschrank oder E-Mobilität.

Ein LinkedIn für das Handwerk

Der große Vorteil, aus Sicht der Gründer: Wenn sich die Nutzer immer wieder mit der Plattform auseinandersetzen, wächst nach und nach eine treue und engagierte Community heran. „Unser Ziel ist, von der Ausbildung bis zur Rente alles abdecken zu können“, sagt Geiger. Das Portal, eine Art Business-Netzwerk für Menschen mit Blaumann: „Es ist wie bei LinkedIn“, sagt Geiger, „manche wollen bei uns ihren Lebenslauf präsentieren, andere wollen sich austauschen, wieder andere lernen dazu.“

Mit diesem Kalkül hat das Start-up in wenigen Jahren eine große Nutzerbasis aufbauen können – und das bislang mit Fokus auf die Gewerke in der Elektrik sowie Sanitär, Heizung und Klima. Zwei Branchen, die insbesondere durch die Energiewende boomen. Einige Anbieter sind hier sogar dazu übergegangen, eigene Akademien zu starten – um etwa Quereinsteiger für die Photovoltaik-Montage zu qualifizieren.

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Andere Gewerke könnten aber in Zukunft nach und nach zu PowerUs dazukommen. An das Potenzial glaubt auch ein bunt gefächerter Investorenkreis: An dem Start-up haben sich Risikokapitalgeber wie General Catalyst oder HV Capital beteiligt, Max Viessmann vom gleichnamigen Heizungsbauer ebenso wie Thermondo-Gründer Philipp Pausder – aber auch Fußballer Mario Götze. „Das Thema Fachkräftemangel im Handwerk findet bei Allen Anklang“, sagt Geiger, der PowerUs mit Julian Lindinger nach einem gemeinsamen Studium an der WHU gegründet hat.

Mehr als Mängelverwaltung?

Die große Frage bleibt: Wem nützen diese Plattformen langfristig? „Sie sind gut für die Handwerker, aber nicht für den mittelständischen Handwerksbetrieb“, urteilt Digitalberater Keller. Auf prominenten Portalen können einzelne Betriebe untergehen, so seine Beobachtung: „Die Anbieter bauen sich mit den Werbebudgets der Handwerksbetriebe einen riesigen Datenpool aus“. Er plädiert – auch im eigenen geschäftlichen Interesse – für eigene Profile in den sozialen Netzwerken, für durchdachte Kampagnen, die den Charakter des eigenen Unternehmens widerspiegeln. „Das ‚Man kennt sich im Betrieb‘ ist für viele Bewerber ein wichtiges Argument“, so Keller, „das kann man mit den richtigen Bildern gut rüberbringen.“



Das Hauptproblem bleibt jedoch: Direkt sorgen die Plattformen nicht dafür, dass sich der Fachkräftemangel abmildert – sondern nur, dass sich die Situation für aktuell Beschäftigte verbessern kann.

Auch darin steckt jedoch eine Menge Potenzial: Auf der in Wermelskirchen gegründeten Plattform Handwerk Connected sind mittlerweile 1500 Betriebe aus 15 Gewerken registriert. Immer wieder suchen die Unternehmen hier gegenseitig Hilfe: Mal mit viel Vorlauf, weil sich der Bauherr einen Generalunternehmer wünscht – man selbst aber nur Teilleistungen erbringt. Und mal kurzfristig, weil sich der eigene Elektriker am Morgen krankmeldet – aber die Wärmepumpe auf der Baustelle dringend angeschlossen werden muss. Im Schnitt liege die Produktivität der Branche bei 70 Prozent, sagt Gründerin Nicole Dunker. „Wenn man das durch eine bessere Auslastung nur um ein paar Prozent steigern kann, ist schon viel gewonnen.“

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Je weniger Leerlauf, je interessanter die Aufgaben, je netter der Betrieb, desto erfüllender das Berufsleben. Auf diese Formel setzt auch PowerUs-Gründer Geiger. „Wir optimieren, dass es Leuten im Handwerk beruflich besser geht. Und wir glauben fest daran, dass wir dadurch auch das Handwerk generell attraktiver machen.“ Zudem wolle man auch auf neue Jobmöglichkeiten aufmerksam machen – etwa eben in den erneuerbaren Energien. „Bevor Handwerker nach zehn, zwanzig Jahren komplett umschulen, können sie vielleicht noch neue Bereiche entdecken“, so Geiger. Der Algorithmus hält sicher noch weitere Jobvorschläge bereit.

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