Storytelling Manager müssen zu Märchenonkeln werden

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Mit Kauderwelsch lassen sich keine Herzen gewinnen

Bereit? Los geht’s: „Die Gründung von E.On als offensive Antwort auf die Liberalisierung der europäischen Energiemärkte, die Auflösung der überkommenen Konglomerats-Struktur mit einem 100-Milliarden-Euro-Programm aus Beteiligungsverkäufen und -erwerben, die Fokussierung auf das Energiegeschäft und dessen entschlossener europäischer Ausbau, die Übernahme von Ruhrgas, um die Grenzen zwischen Strom- und Gasgeschäft zu überwinden – immer haben wir die Kraft gehabt, uns neu aufzustellen, wenn die Zeit dies erforderte.“ Keine weiteren Fragen.

Die wesentlichen Verständlichkeitshürden sind nach Angaben von Brettschneider Bandwurmsätze, abstrakte Begriffe, zusammengesetzte Wörter und nicht erklärte Fachbegriffe: „Zusammengenommen ergibt sich dann Kauderwelsch statt Klartext.“ Neben den formalen Kriterien empfiehlt der Kommunikationswissenschaftler aber, wenn möglich auch anschauliche Elemente in die Geschichte einzubauen.

Zehn Tipps für die perfekte Rede

Einige Forscher haben mittlerweile auch eine evolutionäre Rechtfertigung für unsere Neigung zur Narration entdeckt. Geschichten waren schon früh ein Mittel, um wichtige Informationen innerhalb von Jäger-und-Sammler-Gruppen zu vermitteln. „Verglichen mit einfachen Gesten und Geräuschen transportieren Geschichten mehr Emotionen“, sagt der Psychologe Charlie Yang von der Southern-Connecticut-State-Universität, „dadurch können sie mehr Informationen verständlich rüberbringen.“

Geschichten müssen Emotionen wecken

Dazu kommt, dass gute Geschichten keine alltäglichen Inhalte haben, sondern von besonderen Herausforderungen handeln. Wer sich durch die Story bereits mental mit einer solchen Situation auseinandergesetzt hat, ist auf den Ernstfall besser vorbereitet. Flugsimulator-Effekt nennt das der Psychologe Keith Oatley von der Universität Toronto. Wer die besseren Geschichten erzählte, konnte schon zur Zeit unserer Vorfahren Angaben über Feinde oder Jagdgründe besser vermitteln oder sich mental besser darauf vorbereiten – und dessen Gene, so scheint es, setzten sich langfristig durch.

Wie aber können Manager diese fest verdrahtete Faszination für ihre eigenen Zwecke ausnutzen? Für Christian Riedel wäre es schon mal ein Anfang, überhaupt in Geschichten zu denken. „Im Wirtschaftsleben wird das Wissen um deren Kraft kaum genutzt“, sagt der Kommunikationsberater. Eine Geschichte muss für ihn vor allem eines schaffen: Emotionen wecken. „Wenn ich um Verständnis für eine Entscheidung werben will, muss ich meine Zuhörer zum Mitfühlen bringen“, sagt Riedel. Und das geht eben nicht ohne eine gute Geschichte. Das zeigt auch ein Experiment des US-Hirnforschers Paul Zak von der Claremont-Graduate-Universität, der dafür vor einigen Jahren eine wissenschaftliche Erklärung fand.

Er spielte seinen Versuchsteilnehmern ein Video vor, auf dem ein Mann mit seinem zweijährigen Sohn zu sehen ist. „Ben stirbt“, sagt der Vater, während der Sohn im Hintergrund spielt. Der Junge leidet an einem Hirntumor und hat nur noch wenige Monate zu leben. Der Vater schildert, wie schwer es für ihn ist, trotz dieses Wissens noch unbefangen mit seinem Sohn Spaß zu haben. Es ist eine berührende Erzählung, die die Probanden zu tiefem Mitgefühl bewegt. Sie versetzen sich in die Lage des Vaters und teilen seine Emotionen.

Und das spiegelt sich auch in ihrer Hirnchemie wider, wie Zak herausfand – genauer gesagt in der Ausschüttung des Hormons Oxytocin. Menschen mit höherem Oxytocin-Spiegel vertrauen leichter, sind großzügiger und empathischer. Genau darauf zielen die großen Erzähler der Wirtschaft. „Wenn Mitarbeiter mit Elan, Freude und Kreativität bei der Arbeit sein sollen, dann geht das nicht mit Druck“, sagt Christian Riedel. „Man muss ihre Herzen gewinnen.“ Und der schnellste Weg dorthin führt immer über eine gute Geschichte.

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