Die Geschäftsführung von Eckes Granini beweist es: Werden Talente erkannt und richtig gefördert, können sie es bis ganz nach oben schaffen. Gleich zwei der acht Geschäftsführer beim Fruchtsafthersteller aus Nieder-Olm bei Mainz sind Eigengewächse: Sabine Holtkamp zuständig für Personal und der ehemalige Trainee Sidney Coffeng, der heute die Bereiche Controlling, Finanzen und IT verantwortet.
„Talentmanagement steht bei uns oben auf der Prioritätenliste“, sagt Katja Christine Weinstock, Direktorin Personal und Organisationsentwicklung beim Familienunternehmen. 650 Mitarbeiter hat der Mittelständler in Deutschland, 2000 weltweit. Viele seien über 50 Jahre alt, ihr Ruhestand also absehbar. „Schlüsselfunktionen nachzubesetzen, wird schwieriger. Die Anzahl talentierter Bewerber nimmt ab“, sagt Weinstock.
Das beobachten auch andere Unternehmen. Die Beratung Ernst&Young hat 700 Mittelständler befragt und herausgefunden, dass 72 Prozent nur unter Schwierigkeiten qualifizierte Mitarbeiter finden. Und auch Armin Trost, Professor für Personalmanagement an der Business School der Hochschule Furtwangen, rät Mittelständlern sich aktiv um Talente zu bemühen. „Die Zeiten, in denen bergeweise Bewerbungen auf den Schreibtischen der Personaler landeten, sind vorbei“, sagt der Diplom-Psychologe.
Doch das haben viele Mittelständler bislang nicht erkannt. Die Studie von Ernst&Young belegt, dass nicht mal die Hälfte der kleinen Mittelständler mit weniger als 100 Millionen Euro Umsatz im Jahr eine langfristige Mitarbeiterplanung hat. Bei den größeren planen immerhin 67 Prozent. „Bei einem Großteil der Mittelständler fällt Talentmanagement hinten runter“, sagt Trost.
Das gilt sowohl für das Anwerben neuer Talente, als auch für das Fördern derjenigen, die schon im Unternehmen arbeiten.
Nicht so bei der Anwaltskanzlei Luther. Die Sozietät zählt mit ihren 244 Anwälten und Steuerberatern zwar zu den Top Ten unter den deutschen Kanzleien, doch mit der Prominenz von internationalen Häusern wie Freshfields oder Clifford Chance kann sie nicht mithalten. Das macht auch das Einstellen der passenden Mitarbeiter nicht unbedingt leichter. „Um die zehn bis 15 Prozent der Juraabsolventen mit Prädikatsexamen gibt es einen heißen Tanz“, sagt Torsten Schneider, Personalleiter bei Luther.
Um die Besten zu bekommen, setzt die Kanzlei vor allem auf persönlichen Kontakt zu Studenten, Referendaren und Absolventen. Luther besucht Jobmessen für junge Juristen, seine Partner halten Vorlesungen an Hochschulen, die Kanzlei stellt wissenschaftliche Mitarbeiter ein, die sich vor dem Referendariat oder während ihrer Promotion etwas dazu verdienen wollen. Eine gute Herangehensweise meint Trost. „Mit groß angelegten Kampagnen können Mittelständler nicht viel erreichen. Sie müssen den persönlichen Kontakt zu den Bewerbern suchen.“ Denn das ist ihr Trumpf gegenüber Konzernen. Die überschaubare Menge an ehemaligen Praktikanten oder Werksstudenten macht den persönlichen Kontakt erst möglich.
Bei Luther gibt es beispielsweise eine eigene Xing-Gruppe in die potenzielle Bewerber eingeladen werden – egal ob ehemaliger wissenschaftlicher Mitarbeiter oder Interessenten von der Jobmesse. In diesem Netzwerk posten Schneider und sein Team regelmäßig Vakanzen, geben dem Nachwuchs praktische Karrieretipps. Doch nur wer wirklich interessant für Luther ist, erhält eine Einladung in diesen exklusiven Kreis. Die Kandidaten fühlen sich geschmeichelt und Luther behält leichter den Überblick.
Mehr Nähe durch familiäre Strukturen
Das zahlt sich auch bei eingehenden Bewerbungen aus. Mittelständler können gegenüber Großkonzernen punkten, die oftmals langwierige und aufwendige Auswahlverfahren anwenden. „Reagieren die Unternehmen schnell und wertschätzend auf Bewerbungen, spricht sich das herum“, sagt Trost.
Doch talentierte Mitarbeiter zu werben, ist nur der erste Schritt. Sind sie an Bord, müssen sie gehalten und im Interesse der Firma weiterentwickelt werden. „Viele Mittelständler sind mittlerweile soweit, dass sie das Potenzial und die Leistung der Mitarbeiter bewerten und Nachwuchskräfte identifizieren. Aber dann hört es schon auf“, sagt Trost. „Gezielte Mitarbeiterentwicklung findet sehr selten statt.“
Anders beim Safthersteller Eckes Granini: Katja Christine Weinstock und ihr Team ermitteln zunächst, welche Schlüsselpositionen in den nächsten Jahren neu besetz werden müssen. Dann wird überprüft, inwiefern sich die Anforderungen an diesen Job in den vergangenen Jahren verändert haben. Das Jobprofil wird dahingehend angepasst. „Im Marketing beispielsweise spielten soziale Medien bis vor einigen Jahren überhaupt keine Rolle“, sagt Weinstock. Die Anforderungen werden nun besprochen und mit den Leistungen sowie Potenzialen der Mitarbeiter verglichen. „Die Vorgesetzten haben einen guten Überblick, weil im Mittelstand die Abteilungen familiärer strukturiert sind“, sagt Weinstock. Interne Assessmentcenter sind nicht nötig. Sind die Kandidaten für die Nachfolge identifiziert, müssen sie auf ihre Aufgabe vorbereitet werden.
„Die Entwicklungspläne sind bei uns sehr individuell“, sagt Weinstock. „Es gibt zumindest auf nationaler Ebene kein durchgängig standardisiertes Programm.“ Das liege an der Einzigartigkeit der jeweiligen Position in mittelständischen Unternehmen. Gemeinsam mit dem Talent werde das weitere Vorgehen besprochen. Geht er für einige Zeit ins Ausland? Welche Seminare können ihm bei seiner Entwicklung helfen? Welches Projekt würde gut zur künftigen Position passen?
Bei der Kanzlei Luther bemüht sich die Personalabteilung derweil darum, dass Talentmanagement weiter zu systematisieren. In einer Matrix werden Mitarbeiter zukünftig nach Leistung, Kompetenzen und Potenzial bewertet. Sie können so miteinander verglichen und eingestuft werden.
Der sich daraus ergebende Talentpool hilft der Kanzlei als Steuerungsinstrument. Denn die Masse an Talenten ist zwar überschaubar, aber elf Standorte allein in Deutschland machen eine systematische Herangehensweise notwendig. „So können wir beispielsweise erkennen, wo wir uns extern verstärken müssen beziehungsweise ob wir Kandidaten auf ihre Bereitschaft zu einem Ortswechsel ansprechen müssen", sagt Schneider.
Auch die Weiterbildung der Mitarbeiter läuft bei Luther für ein Unternehmen in dieser Größenordnung erstaunlich strukturiert ab. Das hauseigene Fortbildungsprogramm bietet in diesem Jahr mehr als 30 Kurse an. Von Grundlagen der Betriebswirtschaftslehre über Verhandlungspsychologie bis hin zu Mitarbeiterführung. Die Angebote stehen allen offen. Die Führungskräfte von morgen werden jedoch gezielt ermuntert, bestimmte Kurse zu belegen. Damit die nächsten Schritte auf dem vorgegebenen Karrierepfad auch wie geplant verlaufen.