Doch mit Beginn des 21. Jahrhunderts setzte plötzlich eine enorme Beschleunigung ein. Im Jahr 2009 war die Überlebenschance eines Unternehmens nach fünf Jahren an der Börse auf 63 Prozent geschrumpft – marginal bessere Erfolgsaussichten als bei einem Münzwurf. „Wenn wir alle Unternehmen ignorieren, die zwischen 2000 und 2008 verschwanden, bleibt das Ergebnis dasselbe“, sagt Govindarajan. Anders formuliert: Es lag nicht alleine am Platzen der Internetblase oder der Finanzkrise, dass die kreative Zerstörung immer schneller vonstatten ging. Bloß: Woran dann?
Das Forscherduo analysierte zusätzlich die Bilanzen der Unternehmen und konzentrierte sich darauf, wofür sie Geld ausgegeben hatten. Und dabei bemerkten sie zwei gegenläufige Trends. Vor 1970 investierten die Unternehmen viel Geld in physische Infrastruktur, also Fabriken, Maschinen oder Anlagen – und wenig in immaterielle Vermögenswerte wie Datenbanken, Software oder Patente. Doch dieses Verhältnis kehrte sich ungefähr Mitte der Achtzigerjahre um. Mittlerweile geben die Unternehmen doppelt so viel Geld für immaterielle Vermögenswerte aus wie zu Beginn der Sechzigerjahre – und nur halb so viel für physische.
Datenmenge verdoppelt sich alle 18 Monate
Das ist auch gut so, einerseits. Neue Geschäftsmodelle basieren eben häufig auf digitalen Diensten, die schnell gestartet werden können und im Optimalfall ebenso schnell wachsen. Etwa alle 18 Monate verdoppeln sich die im Internet verfügbaren Daten, alle zwei Jahre verdoppelt sich die verfügbare Rechnerleistung. Kein Wunder, dass ein digitales Geschäftsmodell heute nur noch wenig Zeit braucht, um sich international zu etablieren. WhatsApp? Gestartet im Jahr 2009, 2014 für 19 Milliarden Dollar von Facebook übernommen. Taxischreck Uber? Wird aktuell auf mehr als 60 Milliarden Dollar geschätzt.
Damit haben die digitalen Geschäftsmodelle zweifellos einen Vorteil gegenüber den vermeintlich trägen Industriegiganten, die eine teure Infrastruktur mit Fabriken, Lagern und Lieferanten benötigen. Doch diese Agilität ist durchaus ambivalent, sagt Forscher Govindarajan: „Die gute Nachricht ist, dass neuere Firmen flinker sind. Die schlechte Nachricht ist, dass ihre Tage gezählt sind, wenn sie sich nicht ständig neu erfinden.“
Drei Strategien braucht es
Sein Mitforscher Anup Srivastava rät Managern zu drei Strategien. Zum einen sei es durchaus sinnvoll, auf mehrere Geschäftsmodelle zu setzen, ganz gleich, ob analog oder digital. Amazon beispielsweise verkaufe nicht nur Produkte, sondern betreibe inzwischen auch Rechenzentren. Tesla baue Autos, aber auch Batterien. Solche Hybridmodelle schützten besser vor Nachahmern. Zweitens sollten Unternehmen, wenn möglich, auf Netzwerkeffekte bauen. Beispiel Facebook: Eine Nutzerzahl von mehr als 1,5 Milliarden Menschen ist allein deshalb ein Wettbewerbsvorteil, weil sie der Plattform schon aus Eigennutz treu bleiben – bei einem Konkurrenten müssten sie gewissermaßen wieder von Neuem beginnen.
Drittens müssten Unternehmen kontinuierlich auf Innovation setzen. Govindarajan benutzt dafür gerne eine Metapher von drei Kästen: Manager müssten die Gegenwart steuern, um Geld zu verdienen; die Vergangenheit vergessen, um hinderliche Ideen und Einstellungen zu beseitigen; und die Zukunft gestalten, um neue Produkte zu entwickeln. Wichtig sei die Balance zwischen allen drei Ebenen. Ansonsten gingen Unternehmen fälschlicherweise davon aus, dass der aktuelle und künftige Erfolg auf der Vergangenheit basiert.
Leichter gesagt als getan. Es ist verlockend, sich auf das profitable Kerngeschäft zu konzentrieren und alles vermeintlich Nebensächliche wegzulassen. Das Problem ist: Disruptionen beginnen immer in einer Nische – von der niemand genau sagen kann, ob sie sich eines Tages lohnen wird. Wer nicht über den Tellerrand hinausblickt, dem entgeht womöglich seine neue Leibspeise.
Niemand hat das so treffend formuliert wie der verstorbene Intel-Chef Andy Grove: „Unternehmerischer Erfolg beinhaltet die Saat der eigenen Zerstörung. Erfolg führt zu Selbstzufriedenheit, und die führt zu Fehlern.“ Zumindest für Marissa Mayer hat sich der Job gelohnt. Schätzungen zufolge hat sie als Yahoo-Chefin mehr als 200 Millionen Dollar verdient. Nicht übel für viereinhalb Jahre Arbeit.