Top-Managerinnen Die Chefinnen der Zukunft

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Die Entscheiderin

Foto von Ursula Soritsch-Renier Quelle: Dan Cermak für WirtschaftsWoche

Der Anruf des Headhunters kam am 8. Januar: Der Schweizer Maschinenbauer Sulzer suche eine Leiterin für seine IT, ob sie Interesse habe? Ursula Soritsch-Renier hatte. Einen Tag später telefoniert die 45-Jährige, damals für den Pharmakonzern Novartis von Boston aus tätig, ein erstes Mal mit dem Finanzvorstand von Sulzer, fliegt eine Woche später zum Vorstellungsgespräch in die Konzernzentrale ins beschauliche Winterthur. Bekommt noch am selben Tag ein Angebot, beschließt weitere 24 Stunden später anzunehmen, unterschreibt Ende Januar den Vertrag. Was bei anderen Monate dauert, erledigte die gebürtige Wienerin in drei Wochen. „Wenn ich ein interessantes Angebot bekomme“, sagt sie, „schnappe ich zu.“

Im April trat Soritsch-Renier ihren neuen Job als IT-Chefin an – ihr Posten ist eine Ebene unterhalb des Vorstands angesiedelt. Ihr zentrales Projekt: die konzernweite Vereinheitlichung der IT-Infrastruktur. Eine Mammutaufgabe – nicht zuletzt, weil ihr Posten sechs Monate unbesetzt war. Und Soritsch-Renier als dritter CIO innerhalb von drei Jahren auf einer Art Schleudersitz Platz zu nehmen scheint. Die Wienerin stört das nicht. Sie holt Informationen und Meinungen aus ihrem Team, dem Vorstand und den einzelnen Divisionen ein, wägt diese ab – und hatte zwei Wochen nach Dienstantritt eine klare Vorstellung von ihren Prioritäten.

„Diese Entscheidungsfreude ist für Frauen eher untypisch“, sagt Generation-CEO-Gründer Thorborg. Und auch ihr neuer Vorgesetzter Klaus Stahlmann wusste schnell, dass Soritsch-Renier die Richtige für die schwierige Phase ist, in der das Unternehmen derzeit steckt. Der Maschinenbauer versucht durch den Abbau von Doppelstrukturen, Geld zu sparen – auch durch eine neue IT-Organisation. „Sie versteht es, ihre Mitarbeiter zu motivieren und auf die gemeinsamen Ziele auszurichten“, sagt Sulzer-Chef Stahlmann. „Außerdem kann sie länderübergreifende Projekte erfolgreich führen.“

So weit gehen Manager für die Karriere
Vielen erfahrenen Managern vergeht im Laufe der Zeit die Lust an dem, was sie tun. Ihr Wunsch nach Veränderung wächst. Für den nächsten beruflichen Schritt würden sie viel aufgeben – aber längst nicht alles: Gehaltseinbußen hinnehmen wollen nur 26,1 Prozent der Befragten. Quelle: dpa
88,9 Prozent der Befragten wären theoretisch bereit, in eine andere Branche zu wechseln. Es ist ein gewagter Schritt: Bekannte Strukturen aufgeben und zu neuen Ufern aufbrechen. Der Neustart kann aber auch heilende Wirkung haben. Quelle: dpa Picture-Alliance
Den thematischen Schwerpunkt verlagern, neue Bereiche erschließen – hinter diesen staubigen Begriffen kann sich auch eine Chance verbergen. 80,2 Prozent der Befragten wären bereit, sich umzuorientieren und fachlich in eine neue Richtung zu gehen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Die seit der Schulzeit schlummernden Französischkenntnisse auffrischen, die Sprache aufstrebender Märkte pauken – neben einer lohnenswerten Bewusstseinserweiterung birgt die Entscheidung auch größere Verdienstchancen. 70,5 Prozent der gefragten Führungskräfte sind bereit, eine neue Sprache zu erlernen. Quelle: dpa Picture-Alliance
Die Möbelpacker können kommen: 64 Prozent der Befragten können sich vorstellen, für einen neuen oder besseren Job innerhalb Deutschlands den Wohnsitz zu wechseln. Auch wenn man sich dann womöglich erst einmal entwurzelt fühlt – die Karriere könnte es einem danken. Quelle: dpa Picture-Alliance
Deadlines, Aktenordner, unbeantwortete E-Mails: Viele Deutsche erleben puren Stress am Arbeitsplatz. Da ist man froh, nach einer langen Schicht Feierabend zu machen. Doch laut Odgers Berndtson wären 56,4 Prozent der befragten Manager bereit, eine höhere Wochenarbeitszeit zu akzeptieren – wenn es sie dann auch weiterbringt. Quelle: dpa Picture-Alliance
Manchmal muss man auch mal zurückstecken können. Zu einem Rückschritt in der Hierarchieebene sind laut Umfrage 46,1 Prozent bereit. Wenn der ehemalige Abteilungsleiter plötzlich wieder einen direkten Chef über sich hat, erfordert das erst einmal Eingewöhnungszeitung. Doch die kann sich lohnen. Quelle: imago images

Ihr Mann macht den Haushalt

Wichtig für einen Konzern wie Sulzer, der weltweit 170 Standorte betreibt – von Südkorea über Irland bis in die USA. „Mit verschiedenen Kulturen zusammenzuarbeiten macht mir große Freude“, sagt Soritsch-Renier, die unter anderem im Elektronikkonzern Philips schon Führungsverantwortung auf globaler Ebene übernommen hatte. Die Schweiz ist das sechste Land, in dem sie lebt. Neben Deutsch und Englisch spricht sie Niederländisch und Französisch. Ihr Sohn ist in Belgien geboren, ihr Mann Amerikaner. Der arbeitet als Künstler, hält seiner Frau zu Hause den Rücken frei: kauft ein, wäscht, kocht und kümmert sich um den achtjährigen Sohn. Diese moderne Rollenverteilung ermöglicht Soritsch-Renier das Leben, das sie sich wünscht: eine Führungsposition, ohne auf Familie zu verzichten.

Nicht nur zu Hause ist die IT-Expertin allein unter Männern. Auch in der Chefetage von Sulzer finden sich kaum andere Frauen. Während ihres Informatikstudiums war das nicht anders. Dort galt sie nicht nur als Frau, sondern auch als Studentin mit dem Zweitfach Philosophie als „bunter Vogel“, sagt Soritsch-Renier. „Wie eine Außenseiterin habe ich mich aber nie gefühlt.“

Vielleicht liegt das an ihrer Erziehung: Niemals hätten ihre Eltern gesagt, dass sie etwas nicht kann, nur weil sie ein Mädchen ist. „Außerdem bin ich immer mit meinem großen Bruder durch die Gegend gezogen.“

Lediglich in den Anfangsjahren ihrer Karriere gab es eine Zeit der Sonderbehandlung, die mit ihrem Geschlecht zu tun hatte: Damals, Ende der Achtzigerjahre, arbeitete sie für ein Startup in Österreich und verantwortete ein EDV-Projekt in der Produktion, die rund um die Uhr lief. War Soritsch-Renier zwischen 22 und 6 Uhr in der Werkshalle unterwegs, wurde sie stets von einem Mann eskortiert. Der Grund: das damalige Nachtarbeitsverbot für Frauen.

Warum sie sich in gleich zwei Männerdomänen, der IT und dem Maschinenbau, durchgesetzt hat? Zum einen sind es ihre Resultate, die Soritsch-Renier die Anerkennung von Kollegen und Vorgesetzten einbringen. Doch auch ihr Auftreten dürfte die Männer beeindrucken. Die große, schlanke Frau wirkt souverän. Sie wählt ihre Worte sorgfältig, spricht langsam und betont, setzt an den richtigen Stellen Pausen. Keine Hektik, keine Unsicherheit.

„Sie hat klare Vorstellungen und kommuniziert diese auch“, sagt Thorborg. „Sie schafft es sicher einmal in den Vorstand.“

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