Treffpunkte der Macht Maultaschen für die Schwaben-Connection

Stuttgart und das Ländle sind ein glückliches Örtchen, die Autoindustrie und der Maschinenbau haben die Region wohlhabend gemacht. Doch der Schwabe protzt ungern mit seinem Reichtum. Mit Geschäftsfreunden speist er in einfachen Häuser. Dort geht es deftig zu - die Klassiker der Region werden aufgetischt.

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Der Schillerplatz in Stuttgart Quelle: dpa

Die 102. Montagsdemo gegen die Verlegung des Stuttgarter Bahnhofs in den Untergrund ist gerade über die Bühne gegangen. Aber seit der Volksabstimmung, die ein klares Votum für S21 brachte, bröckelt der Widerstand gegen das Großprojekt. Die Zahl der Demonstranten sinkt so stark, dass sich die Parkschützer damit einverstanden erklärten, die Demo künftig am Südflügel des Bahnhofs abzuhalten – da, wo es niemanden stört. Das Hotel am Schlossgarten, einer der beliebten Treffpunkte von Politik und Wirtschaft in Stuttgart, ist somit auch montags wieder mit dem Auto zu erreichen.

Zwischen Spätzle und Pasta
Friedrich von Schiller Quelle: Presse
Landhaus Feckl Quelle: Presse
Basta Quelle: Screenshot
Amici Quelle: Presse
Gasthaus Zur Linde Quelle: Presse
Weinstube Zur Kiste Quelle: Screenshot
Weinberghäuschen Quelle: Presse

Die große Kleine

Das sind gute Nachrichten für „Deutschlands größte Kleinstadt“, wie der schwäbische Mundartdichter Thaddäus Troll Stuttgart einmal nannte: Deren immerhin 600 000 Einwohner können nach dem Machtwechsel im Landtag und der Volksabstimmung über S21 nun wieder zum Alltag zurückfinden, rechtzeitig zum Weihnachtsgeschäft und den betrieblichen Weihnachtsfeiern, die auch am Neckar wichtige Einnahmequellen für Einzelhandel und Gastronomie sind. Zum Jahresende 2011 präsentiert sich die regionale Wirtschaft zudem in prächtiger Verfassung, wie die Industrie- und Handelskammer dieser Tage stolz vermeldete. Die Auftragsbücher der meisten Unternehmen sind gut gefüllt, die Kapazitäten der großen Mercedes-Werke in Sindelfingen und Untertürkheim sowie des Porsche-Werks in Zuffenhausen überdurchschnittlich ausgelastet.

Die Chefs kochen auf Sterneniveau

Der Loebe Quelle: AP

Und auch bei den meisten Autozulieferern und Maschinenbauunternehmen der Region brummt das Geschäft noch kräftig. Die Umsätze sprudeln, und die Gewinne entwickeln sich nach allen Wasserstandsmeldungen zufriedenstellend. Und viel spricht dafür, dass sich die positive konjunkturelle Entwicklung in der Region Stuttgart auch im kommenden Jahr zumindest noch eine Weile fortsetzt. Dafür spricht auch das Ergebnis des aktuellen Städterankings der WirtschaftsWoche und des Instituts der Deutschen Wirtschaft: Stuttgart steht hier hinter München unangefochten an Position 2 der wirtschaftsstärksten Großstädte in Deutschland.

In Stuttgart versteht man aber nicht nur, ordentlich zu schaffen – man gönnt sich auch was, wenn auch nicht so demonstrativ wie vielleicht in München, Hamburg oder Düsseldorf.

Abends bleibt der Schwabe dahoim

Da schimmert dann immer noch die sprichwörtliche Sparsamkeit und Bescheidenheit der Schwaben nach, wie sie Troll beschrieb: „Der Schwabe strebt nach Besitz, ist aber im Allgemeinen nicht fähig, ihn zu genießen, wenn er ihn erworben hat: Vor Gott, dem Finanzamt, der Verwandtschaft und den Habenichtsen hält man den Wohlstand geheim.“ Hoch im Kurs stehen wohl auch deshalb Besenwirtschaften, in denen Winzer zu ihrem Wein Klassiker der regionalen Küche auftischen.

Der Schwabe liebt seinen Zwiebelrostbraten über alles und erfindet ständig neue Variationen von Maultaschen, die längst nicht mehr nur mit Hackfleisch, sondern auch mit Trüffeln und Meeresfrüchten gefüllt sein können. Auch Zugereiste gewöhnen sich schnell an die meist deftige Küche. Und wenn Gäste von außerhalb kommen, werden sie gerne mittags schon um 12 Uhr in Landgasthöfe geführt, wo oft auf Sterneniveau gekocht wird. Geschäftsessen am Abend sind hingegen eher selten – um die Zeit isst der Schwabe im Familienkreis dahoim.

Diskretion im Bischoff Dekra Club-Restaurant

Club-Restaurant in der Dekra-Zentrale Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

Die Handwerkstraße ist nicht gerade eine erste Adresse in Stuttgart. Zufällig kommt ins Gewerbegebiet in Vaihingen niemand. Und nur Insider wissen, dass fünf Fahrminuten vom Flughafen entfernt auch ein Feinschmeckerlokal beheimatet ist: Das Club-Restaurant im Erdgeschoss der Dekra-Zentrale zählt zu den Top-Adressen für Geschäftsessen in Stuttgart. Die Manager können mit dem Auto in die Tiefgarage rollen und inkognito mit dem Aufzug ins Foyer fahren, wo eine Codekarte die Edelstahltür zum Salon von Markus Bischoff öffnet. Zutritt zum Club haben mittags nur Mitglieder und ihre Gäste: „Man ist und isst unter sich“, scherzt Markus Bischoff, der das ehemalige Betriebscasino vor vier Jahren von Siegfried Keck übernahm.

Streng geheim

Am Abend heißt der Küchenmeister, der bei Franz Keller lernte, auch Nichtmitglieder willkommen. Die Gäste schätzen nicht nur die exzellente Küche, sondern auch die entspannte Atmosphäre des Clubs, in dem viel Pinienholz für mediterranes Flair sorgt. Über die Namen der 1000 Mitglieder, die einen zweistelligen Jahresbeitrag zahlen, deckt Bischoff zwar den Mantel des Schweigens. Doch Stammgäste erzählen, dass Daimler-Vorstände den Club ebenso schätzen (Ex-Personalchef Günther Fleig ist sogar Beiratsmitglied) wie die Unternehmenslenker Hans-Peter Villis (EnBW), Jörg Klaus Fischer (Fischer Dübel), Anton Märli (MAO), Stefan Wolf (Elring Klinger) – und Willi Weber.

Das Cube - sehen und gesehen werden

Cube Quelle: LAIF

Eat Art – vom Essen in der Kunst“ handelte eine Sonderausstellung, die im Frühjahr im Stuttgarter Kunstmuseum zu sehen war. Ausgestellt wurden auch Experimente, die der Schweizer Künstler Dieter Roth mit Nahrungsmitteln gemacht hat: Aus Wurstscheiben, Schokoladestückchen oder Gewürzen formte er fantastische Kunstobjekte.

Aktuell zeigt das Kunstmuseum raumgreifende Arbeiten von Michel Majerus, wilde Kompositionen von Motiven aus Werbung und Comics, voller Zitate aus Pop- und Minimal Art. Alles keine ganz leichte Kost. Die gibt es glücklicherweise ein paar Etagen höher, unter dem gläsernen Dach des Kunstmuseums, wo seit sechs Jahren das Team von Jörg Rauschenberger arbeitet: im Cube, einem der spektakulärsten Business-Treffs in der Landeshauptstadt. Rauschenbergers Idee: „Ein urbanes Restaurant, das den Gästen ein Gesamterlebnis bietet: eine eigenständige Mischung aus Fine Dining, unaufdringlichem Service und einem spannenden Ambiente-Mix.“

Auf dem Präsentierteller

Die Philosophie kommt an bei den Stuttgartern. Zumindest bei den extrovertierteren Vertretern unter den ansonsten als zurückhaltend geltenden Bürgern. Denn das Cube ist für Versteckspiele alles andere als gut geeignet. Das rundum verglaste Dachrestaurant bietet zwar einen einmaligen Ausblick auf die City, offeriert im Gegenzug aber auch keinerlei Sichtschutz für die Gäste im Innern: Man sitzt stets wie auf einem Präsentierteller. Immerhin ist zwischen den mit weißen Tüchern bedeckten Tischen so viel Platz, dass der Nachbar nicht jedes Wort mitbekommt. Freiberufler lassen sich davon ebenso wenig stören wie die Manager der Hauptfiliale der Deutschen Bank oder Kunstfreund und Ex-Musical-Produzent Rolf Deyhle.

Schloss Solitude: neues Leben im alten Prachtbau

Jörg Mink in seinem Feinschmecker-Restaurant Quelle: Andreas Körner für WirtschaftsWoche

Herzog Carl Eugen von Württemberg ließ Mitte des 18. Jahrhunderts auf dem lang gezogenen Höhenrücken zwischen Leonberg, Gerlingen und Botnang ohne Rücksicht auf die Kosten ein Schlösschen im Rokokostil errichten, um dort in aller Abgeschiedenheit der Jagd und der Lust frönen zu können. Die Feste des Herzogs in Schloss Solitude waren legendär, zahlreiche Mätressen vertrieben dem Herrscher die Langeweile. Später diente das Lustschloss als Militär- und Kunstakademie, auch als Eliteschule, an der unter anderem Friedrich Schiller unterrichtet wurde. Lang ist’s her.

Essen für Normalsterbliche und andere

Seit Ende 2008 versucht nun Jörg Mink dem Prachtbau neues Leben einzuhauchen – mit einem Feinschmecker-Restaurant für Normalsterbliche sowie einem Business-Club für „Persönlichkeiten aus Politik und Wirtschaft“, wie der umtriebige Gastronom erläutert. Der erste private Wirtschaftsclub der Region ist im sogenannten Herzogzimmer zu Hause; der stuckverzierte, mit Kronleuchtern illuminierte Große Speisesaal nebenan kann für größere Empfänge hinzugebucht werden. Und für verschwiegene Vorstandssitzungen lässt Mink gerade das ehemalige Kavaliershäuschen Nummer vier umbauen.

Butler und Seiteneingang

900 Euro Jahresbeitrag zahlen die Mitglieder, hinzu kommt eine Aufnahmegebühr von 500 Euro. Dafür gibt es einen separaten Eingang zum Club, der fünf Tage die Woche zwischen 11 Uhr und Mitternacht geöffnet ist. Bedient wird hier durch einen Butler. Es gibt eine Bar und eine Raucherlounge, regelmäßige Clubabende mit Vorträgen und Kochkursen. Wer sich verwöhnen lassen möchte: Die Küche bereitet internationale und regionale Klassiker zu, aber auch, was der Gast gerade so begehrt – eine pikante Currywurst, ein Clubsandwich oder Maultaschen Surf’n Turf. Nicht nur Graf Björn Bernadotte, der Geschäftsführer der Lennart-Bernadotte-Stiftung, ist einer der regelmäßigen Besucher des Business- Clubs. Auch Bahn-Chef Rüdiger Grube und EU-Kommissar Günther Oettinger nutzen die Räume für Besprechungen, so sie mal wieder in Stuttgart sind.

Porsche tischt auf für Gourmets

Porsche Quelle: Presse

Kleine Sportwagen auf den Tischen und Schränken, historische Fotografien an den Wänden – und 80 Originale hinter den Glaswänden: Das Restaurant im dritten Obergeschoss des Porsche-Museums in Zuffenhausen lässt keinen Zweifel daran, dass am Porscheplatz in erster Linie Sportautos und der mehr als 80-jährigen Geschichte des Familienunternehmens Dr. Ing. h.c. F. Porsche AG gehuldigt wird. Das nach Christophorus, dem Schutzpatron der Autofahrer, benannte sportlich-elegante „Exklusivrestaurant“ glänzt aber nicht nur mit spektakulären Aussichten, sondern auch mit einer Küche, die weiß, was echte Männer schätzen. Die „Boxencrew“ unter Leitung des früheren Sternekochs Thomas Heilemann serviert nach Meinung von Gourmets die besten Steaks der Stadt: amerikanisches Prime Beef von einem monströsen Southbend-Gasgrill, mit dem sich Temperaturen von 800 Grad darstellen lassen.

Speisekarte aus Porscheleder

Bevor sie aufs Feuer geschmissen werden, haben die Steaks in einem Reiferaum vier Wochen Zeit, mürbe zu werden. Für viele Museumsbesucher ist das Mittag- oder Abendessen im Christophorus und das Blättern in der ledergebundenen Speisekarte („Sie halten einen echten Porsche in Ihren Händen, aus original Porscheleder von Azubis gebunden“) der Höhepunkt des Tages. Die 80 Sitzplätze des Restaurants füllen sich meist rasch, denn außer den Museumsbesuchern schätzen auch die Porsche-Vorstände um Matthias Müller sowie die Mitglieder der Porsche-Familie (Wolfgang Porsche und Ferdinand Piëch) die Qualitäten des Christophorus sowie die Intimität der Raucherlounge. Aber auch viele Spitzenkräfte anderer Unternehmen aus der Region sind inzwischen Stammgäste am Porscheplatz, darunter Bosch-Aufsichtsratchef Hermann Scholl, Berthold Leibinger vom Maschinenbauer Trumpf, Markus Flik von Homag, Claus-Dietrich Lahrs, der Chef des Herrenausstatters Hugo Boss, oder Georg Fundel, der Geschäftsführer des Stuttgarter Flughafens. Auch Richard Oetker, der Gesellschafter des gleichnamigen Lebensmittelkonzerns, kehrt bei seinen Besuchen in Stuttgart immer wieder gern bei Porsche ein.

Das Hotel am Schlossgarten: die "gute Stube"

Hotel am Schlossgarten Quelle: Presse

Der Stuttgarter Hauptbahnhof liegt in unmittelbarer Nachbarschaft des Hotels am Schlossgarten, was lange Zeit ein wichtiger Standortfaktor war, in Zeiten des umstrittenen Großprojekts Stuttgart 21 aber ein echtes Handicap zu werden droht: An Montagen schallt der Radau, den die Gegner der Bahnhofs-Tieferlegung bei ihren Demonstrationen machen, tief hinein bis in die letzten Winkel des Schlossgarten-Hotels. Und Reisende sind an diesen Tagen gut beraten, den Hintereingang zu nutzen und die Strecke zwischen Bahnhof und Hotel zu Fuß über die unterirdische Klett-Passage zurückzulegen.

Separees für vertrauliche Gespräche

Der gute Ruf des inzwischen zur Althoff-Gruppe zählenden Traditionshauses im Herzen Stuttgarts hat unter den Tumulten der zurückliegenden Monate glücklicherweise noch nicht gelitten: Das von Manager Johann Schöps und Küchenchef André Faupel geführte Restaurant gilt unter den Unternehmern wie Politikern der Region nach wie vor als die „gute Stube“ der Landeshauptstadt, in der bei einem Zwei-Gänge-Mittagsmenü Personalgespräche geführt und abends in aller Ruhe bei schwäbischen Spezialitäten neue Geschäftsbeziehungen angebahnt werden. Wer etwas groß zu feiern hat, wechselt in das Gourmetrestaurant Zirbelstube gleich nebenan, in der Bernhard Diers und sein vielfach ausgezeichnetes Team die französische Grande Cuisine pflegen. Gedämpftes Licht und kleine Separees schaffen hier zudem ideale Bedingungen für vertrauliche Gespräche im durch das viele Holz an Wänden und Decken stark gedämpften Ton.

Dieter von Holtzbrinck speist hier

Das deutlich rustikalere Ambiente und das spesenfreundlichere Preisniveau sorgen allerdings dafür, dass das Schlossgarten-Restaurant die deutlich populärere Location für die Stuttgarter Wirtschaft und Landespolitik ist. Wer sich ein wenig auskennt, kann hier Kurt Liedtke und andere Mitglieder vom Kuratorium der Robert-Bosch-Stiftung tafeln sehen, mehr oder minder prominente Mitglieder des Landtags samt Assistenten, aber auch bekannte schwäbische Familienunternehmer wie etwa auch den Verleger Dieter von Holtzbrinck.

Geheime Zentrale der Macht

Gartenhäuschen der IHK Quelle: Presse

Für die meisten Stuttgarter ist es ein besseres Gartenhäuschen, für manche aber ein magischer Ort, wenn nicht gar das eigentliche Zentrum der Macht im Ländle: das Weinberghäuschen der IHK auf dem Kriegsberg. Hier oben, beim Blick über den Talkessel und bei einigen Gläsern Trollinger und Riesling im rustikalen Gewölbekeller, soll der Legende nach Mitte der Neunzigerjahre der Beschluss gefasst worden sein, den angegammelten Hauptbahnhof von 1922 samt Gleisen in den Stuttgarter Untergrund zu versenken. Auch andere Großprojekte wurden hier auf harten Holzstühlen am großen Holztisch eingetütet, „von der Wirtschaft initiiert, von der Politik auf den Weg gebracht, von den Medien begleitet“, wie es ein langjähriger Beobachter der Runden im Rückblick beschreibt.

Eigener Wein, Essen vom Caterer

Erwin Teufel, Hans Peter Stihl, Matthias Wissmann, Heinz Dürr und Rudi Häussler waren früher die Strippenzieher bei vielen Veranstaltungen im Weinberghäuschen. Heute laden IHK-Präsident Herbert Müller, Hauptgeschäftsführer Andreas Richter oder die Chefs der Landtagsfraktionen zwei-, dreimal im Jahr zum Gedankenaustausch auf den Berg. Kulinarische Genüsse spielen dabei nur eine Nebenrolle – die Speisen liefern Stuttgarter Caterer. Dafür ist der Wein erwähnenswert: Die Ernte vom IHK-eigenen Weinberg füllt 7000 Flaschen Riesling und Trollinger.

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